lateinischer Klassiker.'® Wer sich um eine Lehrstelle an der Alma Mater Rudol phina bewarb, der mußte sich mit den einflußreichen Kreisen am Hof in Linz gutstellen. Wir werden noch hören, daß Celtis selbst im Jahr 1492 nach Linz fuhr, allerdings schon mit der Absicht, die Reise nach Wien fortzusetzen. Zu einer zentralen Figur der Renais sancezeit im deutschsprachigen und auch im Linzer Raum sollte sich Johannes Reuchlin entwickeln. In Pforzheim am 22. Dezember 1455 geboren, kam er mit fünfzehn Jahren an die von Erzherzog Albrecht gegründete Universität Frei burg im Breisgau, begab sich 1473 ins Ausland: zuerst Paris, 1474/77 Basel, wo Sebastian Brandt sein Freund wird, er aber darüber entsetzt war, daß man dort den Unterricht in griechischer Sprache praktisch verboten hatte, da sich die Oströmer von der katholischen Kirche abgewandt hatten. Das mußte gerade je manden, der seinen Namen als „Capnion" (von Capnos = Rauch, „Räuchlein") gräzisiert hatte, besonders treffen! 1482 reiste Reuchlin mit Graf Eberhard von Württemberg nach Italien und lernte damit das Land kennen, wo die Renais sance geboren wurde, wo der Humanis mus nicht nur - wie in Mitteleuropa - in dichterischen und intellektuellen Lei stungen manifest wurde, sondern auch Tiefenwirkung in Architektur und bil dender Kunst zeigte," 1486 erlebte Reuchlin in Frankfurt mit, wie Maximi lian von den sieben Kurfürsten zum römischen König gewählt wurde, folgte diesem zur Krönung nach Aachen, kehrte aber 1490 nach Italien zurück. Pico della Mirandola gibt ihm eine erste Einführung ins Hebräische. Von großer Bedeutung für die Wis senschaft war das Zusammentreffen Reuchlins" mit dem Leibarzt Kaiser Friedrichs III., Jakob ben Jehiel Loans, in Linz." Am 26. März 1492 hatte Bernhard Perger, „cancellarius Austriae" (österrei chischer Kanzler), ein Empfehlungs schreiben für Reuchlin an den kaiserli chen Rat Johann Waldner geschickt und diesem zugleich Verfügung über seine Gemächer und seine Bibliothek in Linz ' Zu Perger ebenso Schmidt, Kehr. 2, S. 9, MIÖG 60, S. 208, Max Vancsa, Geschichte Nieder- und Oberösterreichs 2,1927, S. 554, Hans Rupprich, Humanismus und Renaissance in den deut schen Städten und an den Universitäten (Deut sche Literatur, Reihe Humanismus 2), Leipzig 1935, S. 47f. In dem in Anm. 14 zitierten Brief an Reuchlin heißt es, daß er einem Kanzleibe amten den Auftrag gegeben habe, Reuchlin seine eigene Wohnung anzuweisen, „darin wird Dir, was Du an lateinischer und griechischer Li teratur wünschest, für die Zeit Deines Aufent haltes in Linz zur Verfügung stehen. Mache nach Belieben davon Gebrauch. Laß mir aber etwas Griechisches aus Deiner Feder zurück, damit ich, auch wenn Du schon abgereist sein solltest, bei meiner Ankunft den Lehrer noch finde." ' Weißengruber bei Ebner - Ebner - Weißengruber (wie Anm. 3), S. 39f. Über Italien siehe das Kapitel „Die Wiedergeburt der Antike: Mäzene und Manuskripte" bei Hellmut Diwald, An spruch auf Mündigkeit (Propyläen, Geschichte Europas 1), Frankfurt - Berlin - Wien 1975, S. 133-165, wo auf die Bedeutung der „vita activa" hingewiesen wird, wonach Bibliophilie und Bauwerke Formen eines ständig zuneh menden Selbstbewußtseins waren, wo die Be griffe der Freiheit, „Humanitas und skeptische Vernunft" behandelt werden, ■ S. Rohde, Reuchlin, LexMA 7, 4. Lieferung, 1994, Sp. 766-768. ' Im Sammelband über „Leibärzte" (Heilmittel werke-Jahrbuch 1958), wo ich an der Redaktion mitwirken konnte, war eine eigene Abhandlung über diese wichtige Persönlichkeit geplant.
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