Jahr hindurch in Österreich arbeiteten und ihre Familien in Italien lebten. Um den Angehörigen - denen die Arbeiter einen Teil des Verdienstes schickten - die Existenz zu sichern, war diese Forderung unausweichlich. In Linz führte dies 1922 sogar zu Problemen im kommunalen Haushalt. Das geht aus einem Schreiben des Magistrats Linz an die Holzausfuhr stelle Wien hervor. Einleitend heißt es, um die Schwierigkeit der Lage zu ver deutlichen: „In der Stadtgemeinde Linz gibt es 9.000 Wohnungssuchende Par teien, wovon 450 Familien in ehemaligen Internierten-Baracken und 83 Familien in Wohnwagen untergebracht waren."^® Die Stadt Linz, die über Privatfirmen bzw. über eigene Betriebe in die Beschäfti gung italienischer Ziegelarbeiter involviert war, berichtete nun über das Pro blem der Valutenbeschaffung im Jahre 1922. Der Magistrat hatte diese aus dem laufenden Haushalt nicht zu finanzieren vermocht und „die für die Italiener not wendigen Lira auf dem Kreditwege be schafft ... Die Rückerstattung des Kre dits bei dem heutigen Kursstande zu ei nem Zusammenbruche der ganzen Bau tätigkeit führen müßte". Um aus diesem Dilemma herauszugelangen, stellte der Magistrat trotz restriktiver Ausfuhr bestimmung für damals sehr teures Schleifholz einen Exportantrag auf 4.000 m^ Holz. Auf einen weiteren Aspekt des Fallbeispiels Linz wies das Bundesministerium für Finanzen hin: Durch die Lira-Regelung gebe es in nerhalb eines Ziegeleibetriebs oft zwei Lohnklassen - die gemessen an österrei chischen Verhältnissen gut verdienen den italienischen Arbeiter und die öster reichischen. Das Ministerium befürch tete, daß die Österreicher den gleichen Lohn fordern würden: Dadurch hätte die Wettbewerbsfähigkeit der heimi schen Produkte eine weitere Verschlech terung erfahren können.^' Im Jahr 1924 begann der Lehrling Amelio Savio im Ziegelwerk Mayr in Steyr mit seiner Arbeit. Er war zu diesem Zeitpunkt zwölf Jahre alt und wurde am 30. August 1912 in Sierning als eines von acht Kindern der Eheleute Luigi und Nazarena Savio geboren. Amelio kam in den Betriebsbaracken des Ziegelwerks zur Welt. Es war aber ein Zufall, daß er in Oberösterreich geboren wurde, denn seine Eltern waren Saisonarbeiter. Wäre er im Herbst oder Winter geboren, sein Geburtsort wäre Fagagna gewesen. Fagagna liegt in Italien, in der Region Friaul am Fuße der Alpen, vierzig Kilo meter südwestlich von Udine, nicht weit entfernt von San Daniele, das durch sei nen Prosciutto weltberühmt wurde. Fa gagna war eine Kleinstadt, aus der ein Drittel der Bewohner abgewandert war. Schon Amelios Großvater war als Zie gelarbeiter gekommen, 1889 wanderte er eine Woche zu Fuß mit seinem halb wüchsigen Sohn nach Windischgarsten; er blieb vorerst zwei Jahre, dann suchte er anderswo Arbeit. Großvater Mariano wanderte schließlich nach Argentinien aus, sein Sohn Luigi kehrte von dort wieder zurück und fand als Ziegelarbei ter in Oberösterreich Arbeit. Schreiben des Magistrats Linz an die Holzaus fuhrkontrollstelle Wien am 21. November 1922, Nr. 22.098. Schreiben des Bundesministeriums für Finan zen an das Bundesministerium für soziale Ver waltung vom 12. Jänner 1922, Nr. 104.219.
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