senschaftlich geprägter Methoden und Forschungsansätze führte zu einer stärker gesellschaftskritischen Position, in der Parteigrenzen weniger wichtig sind. Damit hat die Zeitgeschichte eine Entwicklung vorweggenommen, die heute in immer mehr gesellschaftlichen Bereichen spürbar wird. Franz Kössler (ORF) ana lysierte vor kurzem den gesellschaftlichen flintergrund des österreichischen Journa lismus - einer Berufssparte, die mit Zeitgeschichtsforschern einiges gemeinsam hat - mit folgenden Worten; „Das Abklingen der Ideologien hat zu einer kritischen Öffentlichkeit geführt, deren Umrisse uns noch wenig vertraut sind. Parteien, Sozial partner, Kirche - sie alle erfahren diesen Wandel der Öffentlichkeit. Althergebrachte Institutionen und Werte werden in Frage gestellt." Vor diesem Hintergrund ist heute auch Zeitgeschichte zu sehen: Ein kritisches - statt gläubiges - Publikum mißt den Wert einer Darstellung immer weniger daran, ob sie mit dem politischen Weltbild zusammenpaßt, sondern die bessere Argumentation, die größere Plausibilität über zeugt; ganz besonders gilt dies für die Jugend. Es wird zwar immer wieder gesche hen, daß man aufsehenerregende Aussagen von Zeitgeschichtlern zu diskreditieren versucht, indem man ihnen Parteilichkeit im Sinne von Parteigebundenheit unter stellt: Das ist ein Risiko, mit dem Zeitgeschichtsforschung immer verbunden ist. Aber die Zeiten der Vereinnahmung bzw. der Verteufelung der gesamten Zeitge schichte durch die eine oder andere politische Partei sind wohl endgültig vorbei. Auch in der zeitgeschichtlichen Heimatforschung haben in den letzten 20 Jahren Hefgreifende Veränderungen begonnen. Auslöser hiefür war die in den achtziger Jahren besonders von gewerkschaftlicher Seite geförderte Bewegung „Grabe, wo du steht", ein Motto, das eigentlich kaum etwas anderes bezeichnet als Heimatgeschichte, zumal unter „graben" keineswegs archäologische AkHvitäten, sondern das Graben in der Geschichte, in den Erinnerungen zu verstehen ist. Dahin ter steckt die Idee, es sei an der Zeit, der sogenannten „Großen Geschichte", der Geschichte der Herrscher und Staaten, eine Geschichte aus der Sicht der kleinen Leute, der Normalverbraucher, also eine „Geschichte von unten" entgegenzustellen. Die klassische Heimatgeschichtsforschung hatte sich bis dahin kaum mit der großen Bevölkerungsgruppe der überwiegend in Städten konzentrierten Arbeiter beschäfHgt - auch diese haben eine Heimat! Umgekehrt hatte sich auch das Interesse der Arbeiterschaft für die Heimatgeschichte traditionell sehr in Grenzen gehalten. Im Zuge des neuen Geschichtsbewußtseins suchten nun auch solche Leute ihre Geschichte, deren Väter noch auf ihre „Geschichtslosigkeit" stolz gewesen waren und die sich - nicht zuletzt deshalb - in kaum einer Heimat- oder Ortsgeschichte fanden. Wenn auch viele der in den achtziger Jahren entstandenen Geschichtszirkel und -klubs schon längst wieder verschwunden sind, so hat sich doch daraus eine fruchtbare Forschungsrichtung entwickelt, die man wohl als Zweig der Heimatfor schung betrachten kann - natürlich der Zeitgeschichte sehr viel näher stehend als die tradiHonelle Richtung. Schließlich ist in diesem kurzen Abriß noch eine logische Entwicklung in der Heimatforschung zu erwähnen, welche die stärkere Berücksichtigung zeitgeschicht licher Themen geradezu erzwingt, nämlich die jetzt schon große zeitliche Distanz zu
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