Zeitgeschichte und Heimatforschung* Gerhart Marckhgott Als das OÖ. Landesarchiv eingeladen wurde, sich an dem Festival der Regionen „Heiße Heimat" zu beteiligen, gab das Motto des Festivals den Inhalt gewissermaßen vor: „Heimat" wird im Landesarchiv traditionell assoziiert mit den Heimatforscherinnen und Heimatforschern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Geschichte ihrer näheren Umgebung oder einzelne Aspekte davon genauer unter die Lupe zu nehmen und die Ergebnisse ihrer Forschungen in der Regel auch durch Veröffentlichung bekannt zu machen - sei es zur Freude oder Erbauung, sei es zum Anstoß oder gar Ärgernis mancher. Die Eigenschaft „heiß" sollte eigentlich einem Archiv in jeder Weise fremd sein, denn heiße Temperaturen gefährden und zerstören das Archivgut, heiße Diskussionen gehören auch nicht hierher - das Archiv ist ja gewissermaßen neutral. Aber das ändert nichts daran, daß es heiße The men, heiße Materialien gibt - und die stammen fast alle aus dem Bereich der Zeitge schichte. Es lag also nahe, einmal die Verknüpfung dieser archivspezifischen Zugänge zu „Heimat" und „heiß" zu versuchen. Eine gewisse Spannung ergibt sich daraus, daß die traditionelle Grundten denz der Heimatforschung eher konservativ im Sinne von bewahrend, konsensori entiert ausgerichtet ist, während die Zeitgeschichte als geschichtswissenschaftlicher Zweig sich eher progressiv versteht im Sinne der Hinterfragung bestehender Geschichtsbilder und verbreiteter Meinungen und Wertungen. Daß diese Zuord nung nicht nur auf Vorurteilen beruht, sondern auch einen realen Hintergrund hat, soll durch einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung der beiden Disziplinen gezeigt werden. Zeitgeschichte ist aber nicht nur eine Forschungsrichtung, sondern wird auch als Kürzel für die jüngste Geschichte und deren Inhalte verwendet. Die folgen den Überlegungen gehen davon aus, daß Zeitgeschichte ein gleitender Zeitabschnitt ist, und zwar jener, den der Großteil der älteren Generation bewußt erlebt hat. Konnte man vor etwa 20 Jahren den Beginn der Zeitgeschichte noch mit 1918 anset zen, so sind heute etwa die dreißiger Jahre als Untergrenze und in weiteren 20 Jahren die Anfänge der Zweiten Republik als der Anfang der Zeitgeschichte zu bezeichnen. Diese Abgrenzung geht im wesentlichen von der besonderen Aktualität und Quel lenlage der Zeitgeschichte aus, mit denen sich der zweite Teil des Beitrages beschäftigt. Vortrag gehalten am 15. September 1995 anläßlich des Symposions „Zeitgeschichtliche Heimatfor schung. Heiße Heimat Oberösterreich" in Unterach am Attersee.
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