OÖ. Heimatblätter 1995, 49. Jahrgang, Heft 4

geschlossenen Kreisläufen und einfachen Systemen, mit dem Ruf nach Aktivität und Selbstverwirklichung wird sowohl der territoriale Imperativ wie der Faktor Ethnizität in einer neuen Weise aufgegriffen. Elaben die „Progressiven von einst" mit der Forderung nach Wiedererwekkung heimatlicher und regionalkultureller Identitäten den Konservativismus inzwi schen rousseauistisch von rechts überholt? Droht die Froschperspektive, der Kirch turmshorizont, das Florianiprinzip? ffeimat ist dort, wo Frovinzialität durch Weite des fiorizonts, Offenheit und Eingehen auf die anderen konterkariert wird. Eine ffeimat, wo Flüchtlinge, Asylan ten und Gastarbeiter wie Dienstboten um 1800 oder noch schlechter behandelt wer den, hört auf, Heimat auch für die Autochthonen zu sein. Heimat kann nur als Syn onym für Menschlichkeit bestehen, die keine Grenzen kennt. Heimatverbundenheit und Weltbürgerlichkeit dürfen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern müssen sich ergänzen und auseinander herauswachsen. Triumph des Nationalismus Konnte man vor einigen Jahren hoffen, die ungeheure Neugestaltung des zentral- und osteuropäischen Raumes würde alle Voraussetzungen für den baldigen Zerfall aller Arten von alten Grenzen zwischen Staaten und Menschen und für die Errichtung einer gemeinsamen europäischen Heimat schaffen, so ist diesem Traum inzwischen grausige Ernüchterung gefolgt. Mit der Hinwendung zur Region erhalten die Autonomiebewegungen in den alten Zentralstaaten Frankreich, Spanien oder Großbritannien, in Belgien oder im Schweizer Jura und die von den kommunistischen Diktaturen lange verdeckten Spannungen in Ost- und Südosteuropa neuen Boden. Die ältesten Nationalstaaten Europas, Spanien, Frankreich und Großbritannien, haben ihre Nationalitätenpro bleme. Die postsozialistischen Staaten des Ostens zerfallen in Nationalitäten kämpfe. Die entkolonialisierten Staaten der Dritten Welt, Indien, Indonesien oder die Staaten Afrikas, künstliche Relikte der Kolonialzeit, sind voller Nationalitätenge gensätze. Und selbst die Schmelztiegel der Neuen Welt, die USA, Kanada, Austra lien, haben vielfältige Nationalitätenprobleme. Kommt eine neue Welle nationaler Konfrontationen auf uns zu, die ab einem gewissen Grad der Aufschaukelung nicht mehr in Grenzen zu halten ist? Hat sich der Nationalismus auf triumphale Weise durchgesetzt? Auf den ersten Blick möchte es so scheinen. Alle Staaten der Welt sind heute offiziell Natio nen. Die „Vereinten Nationen" machen alle Mitgliedsstaaten, auch wenn sie gar keine Nahonalstaaten sind, offiziell zu Nationen. Alle Bewegungen, die nach territo rialer Unabhängigkeit streben, neigen zu der Vorstellung, ihr Ziel sei die Errichtung einer „Nation".Alle Bewegungen,die für regionale, lokale, auch partikulareInteres sen gegen die Zentralmacht und den bürokratischen Staatsapparat kämpfen, hän gen sich nach Möglichkeit ein nationales Kostüm um und pochen auf ethnische und beziehungsweise oder sprachliche Eigenständigkeit.

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