OÖ. Heimatblätter 1995, 49. Jahrgang, Heft 4

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ging der „Bund Heimat schutz" im von der NSDAP ins Leben gerufenen Reichsbund „Volkstum und Hei mat" auf. Führende Heimatschützer wurden in den nationalsozialistischen Apparat integriert. Der Gedanke des Natur- und Denkmalschutzes trat immer mehr in den Hintergrund. Dem vom Dritten Reich gehuldigten Gigantismus und Modernismus - im Ausbau der Industrie, im Bau von Autobahnen und Kraftwerken und in der Technisierung der Landwirtschaft - liefen die Konzepte der Heimatschützer diame tral entgegen. So ist es verständlich, daß entgegen dem vordergründigen Eindruck des trachtlerisch-heimatverbundenen Gehabes ein durchaus gespaltenes Verhältnis des Nationalsozialismus zu den Inhalten der Heimatbewegungen bestand: Heimat paßte an sich gar nicht zur diktatorischen Gleichschaltung und Zentralisierung, Hei mat paßte auch nicht zur technologischen Großmannssucht. Die agrarische Utopie wurde immer abstrakter. Heimatschutz wurde einer seits zum Schlagwort gegen die Uniformierung der Lebenswelt, für die Bolschewis mus und Sozialismus als Kürzel gesetzt wurden, andererseits zum Vehikel der Groß reichsambitionen und rassischen Ziele. Die Rassenlehre wurde zur wirkmächtigen Erklärungsfigur der Zivilisationskribk. Ein Zustand reiner Rasse wurde gleichgesetzt mit kultureller Eigenständigkeit und völkischer Bodenständigkeit. Als Heimat wurde nun die Einheit von rassisch geschlossenem „Volk" und ihm eigenen, von ihm gestalteten „Boden" verstanden. Die Rassentheorie lieferte eine biologische Umschreibung und Fundierung des älteren Heimatbegriffs. Im Gegenpol der totalen rassischen Vermischung, des Untergangs der kulturellen Eigenart und der damit in Zusammenhang gesehenen gesellschaftlichen Egalisierung wurde die ältere Zivilisa tionskritik rassistisch umgedeutet. Vermassung wurde als Folge der Rassenver schlechterung gesehen. So diente die Rassentheorie der quasiwissenschaftlichen Untermauerung von Positionen, die längst nichts mehr mit den Vorstellungen von der sittlichen Überlegenheit der traditionellen Lebensweise auf dem Lande zu tun hatten, sondern in die Forderung der ethnischen Säuberung und räumlichen Ausweitung der Hei mat hineinmündeten. Die Heimat wurde „geschützt" vor „Verjudung" und „Entar tung", vor „Asphaltliteratur" und „Negermusik", vor „Überfremdung" und „Verschandelung". Die Mythen vom Blut und Boden und vom „Volk ohne Raum" und die Sagen von den alten Helden und den neuen Großreichen mündeten in Vertriebenentragödien und Flüchtlingsschicksale, in Krieg und Mord, in ökonomische Bedrängnis und letztlich für viele in den Verlust der vertrauten Umgebung. Je näher die Katastrophe des Krieges rückte, umso dringlicher wurde die Heimat mit Durchhalteparolen und Vernaderungsappellen propagandistisch beschworen und mit der ganzen Brutalität der Diktatur erzwungen, mit den am Strick schwankenden Gehenkten mit dem Schild vor der Brust: „Ich war zu feige, für die Heimat zu kämpfen." Die Bilder der mit den diffusen Stereotypen der Heimat und des Nationalismus geschürten Kriege gleichen sich: Bilder der Ausrot tung, Auswüchse des Hasses und des Strebens nach Mobilisierung der letzten Reserven.

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