OÖ. Heimatblätter 1995, 49. Jahrgang, Heft 4

Stifter-Frage zu erwarten war. Im Hanser-Prospekt 1995 steht nämlich zu lesen: „Die Biographie von Wolfgang Matz ist ein Schritt zu einer neuen kritischen Beschäftigung mit Shfter - die erste wirklich umfassende Studie zu Leben und Werk seit langer Zeit. Sie folgt nicht nur den Spuren dieses Lebens, sie zeichnet auch die Entwicklung des Erzählers nach: von den frü hen Versuchen, die Ungereimtheiten des Lebens literarisch zu verarbeiten, etwa ... über die zuneh mende Tendenz, die Ideale klassischen Schreibens zu verfolgen, ... bis hin ... zu dem spröden, von den Zeitgenossen nicht mehr verstandenen Spätwerk." Lautstarke Anpreisungen sind meist proble matisch, sie halten selten, was sie versprechen. Wer Stifter Ungereimtheiten im Leben und im Werk vorwirft, dürfte selber keine Ungereimthei ten setzen. Leider ziehen sich die Ungereimtheiten bei Matz durch das ganze Stifter-Buch wie ein ro ter Faden. Was den Stifter-Kenner ärgert, ist die Sorglo sigkeit - besser gesagt Schlamperei -, mit der Matz die Daten jongliert. Es beginnt schon beim Inhaltsverzeichnis, dessen Jahreszahlen nicht mit denen der Kapitelüberschriften zusammenstim men: Wenn es im „Ersten Teil" heißt: „1805-1836", lauten die Jahreszahlen der Kapitelüberschrift: „1805-1837"; „Zweiter Teil ... 1837-1857", Kapitel überschrift: „1837-1848"; „Dritter Teil ... 18581868", Kapitelüberschrift: „1849-1868". Das sind gravierende Nachlässigkeiten, die auch einem „flotten" Autor nicht passieren dürften, wenn seine Arbeit wissenschaftlichem Anspruch genü gen soll. Dazu noch: Stifters Vater war nicht „Textilhändler", sondern Leinenweber und Flachshänd ler; Kremsmünsier (Münster am Krems-Fluß) liegt nicht im Ennstal; Amalia Mohaupt war 1832 nicht 24 Jahre alt, sondern 21, u. a. m. Falls Wolfgang Matz sein Stifter-Buch als „Lebens-Roman" aufgefaßt hat, sei es ihm unbe nommen. Von einer Biographie mit wissenschaft licher Evidenz wird exakte Uberprüfbarkeit aller mitgeteilten Daten und Beiträge in Dokumenten, Zeugnissen und Aussagen verlangt. Andere Vor gangsweisen sind unseriös. Mit dem „Granit"-Zitat versucht Matz einer seits sein Stifter-Buch unter diesen „bedrohlichen" Aspekt zu stellen, andererseits gerade Stifters Kindheit als Ausgangspunkt zu fixieren, obwohl er wissen mußte - und seine Vorläufer auch an gibt -, daß aus Stifters Kindheit nur das bekannt ist, was er seinen Freunden Reitzenbeck und Aprent selber in fortgeschrittenen Lebensjahren mitgeteilt hat. Wenn nun Matz Stifter zwischen Idylle und Dämonie-Bedrohung stellt, der „das Erwachsenwerden verweigert" und seit „der Mor genfrühe" seines Lebens vom „naiven, kindlichen Zug in seinem Wesen nicht mehr wegkam, und seine Schaffenskraft ... auf Verletzbarkeit der schutzlosen Naivität" aufgebaut war, dann weiß der Leser durch solche Indizien, welche Absichten Wolfgang Matz hatte. Sein Stifter-Buch ist ein „Le sebuch" über Stifter, aber durchaus keine Biogra phie des bedeutenden österreichischen Dichters. Fritz Feichtinger

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