OÖ. Heimatblätter 1995, 49. Jahrgang, Heft 4

Österreich und Salzburg" (1889) von „Die österrei chisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild" zu nennen. Karl Mitterschiffthaler Wolfgang Matz; Adalbert Stifter oder Diese fürchterliche Wendung der Dinge. München: Hanser, 1995, 408 Seiten, S 369,-. ISBN 3-446-18317-5 Ob Absicht oder Zufall: Zeitgerecht zum 190. Geburtstag Adalbert Stifters (23. Oktober 1995) erschien (August 1995) im renommierten Hanser-Verlag in München ein neues Stifter-Buch, das als Biographie deklariert ist und, als „kritisch" angekündigt, die Neugier des kritischen SHfterLesers weckt. Schon der Schutzumschlag verwundert: Nicht nur wegen der grau-weißen - tristen - Farbkombinahon, sondern auch und vor allem wegen des Nebentitels „Diese fürchterliche Wendung der Dinge". Der Text ist aus einem Satzganzen in der Erzählung Stifters „Granit" („Bunte Steine") her ausgelöst und soll vermutlich die Absicht des Au tors, das Leben Adalbert SHfters in ständiger Be drohung von seiner frühesten Kindheit weg zu zeigen, von vornherein anklingen lassen. Im „Granit", der von Stifter selbst noch bear beiteten Buchausgabe (1853) - der im Erstdruck (1849) „Die Pechbrenner" genannten Erzählung - lautet der vollständige Satz: „... Ich war, obwohl mir schon von Anfange nicht so ganz vollkommen geheuer gewesen war, doch über diese fürchterliche Wendung der Dinge, und weil ich mit meiner theuersten Verwandten dieser Erde in dieses Zerwürfniß geraten war, gleichsam vernichtet.. Im Erstdruck (in: „Vergißmeinnicht", Ta schenbuch für 1849, Jg. 3, Leipzig 1849) fehlt das „fürchterliche" vor der „Wendung der Dinge". Adalbert Stifter bezog diese hier zitierte Textstelle - rückschauend - auf ein besonderes (tatsächli ches oder erdichtetes) Ereignis in seiner Kindheit (die Rutenschläge der Mutter auf die pechver schmierten Beine und Füße des Knaben) und hatte für sein späteres Leben keinerlei Bedeutung mehr, jedenfalls nicht die, welche ihm Matz glaubt ge ben zu müssen. Ständig vorgebrachte Reizwörter wie Entsetzliches, Zugrunderichtendes u.a. schei nen eine Art von Dämonisierung Stifters vorzube reiten. Der Klappentext ist in dieser Hinsicht auf schlußreich. Gleich eingangs wird Thomas Mann bemüht: „Man hat oft den Gegensatz herausgekehrt zwischen Stifters blutig-selbstmörderischem Ende und der edlen Sanftmut seines Dichtertums, selte ner ist beachtet worden, daß hinter der stillen, in nigen Genauigkeit gerade seiner Naturbetrach tung eine Neigung zum Exzessiven, ElementarKatastrophalen, Pathologischen wirksam ist." Weiters heißt es dort: „Ein Leben und ein Werk im Zwiespalt: Hier das Bewußtsein von einer beständig und überall drohenden .fürchterlichen Wendung der Dinge', dort der - vergebliche - Versuch, die Widersprü che des eigenen Daseins in der Literatur aufzulö sen ..." Der Prospekt: Carl-Hanser-Verlag, Herbst 1995, Literatur, Edihon Akzente, Klassiker, er gänzt: „Das Buch von Wolfgang Matz ist der leben dig und lesbar geschriebene Entwicklungsroman der auch heute noch kaum ergründeten Gestalt Adal bert Stifters. Es führt den Leser heran an das wi derspruchsvolle Leben und nicht minder wider sprüchliche Werk des großen Erzählers." Das derart angekündigte Buch ist in drei Teile gegliedert und umfaßt die von anderen Au toren schon vorgegebene Einteilung in die Le bensabschnitte Stifters (Kindheit/Jugend; Ehe/ Dichtung; Erfolg/Alter). Matz gibt neue Kapitel überschriften: „Erster Teil: ,Auf der Suche nach dem Weg'"; „Zweiter Teil: .Prekäres Gleichge wicht'"; „Dritter Teil: .Der Ring zerbricht'"; Nach wort, Zitatennachweise und eine Auswahl-Biblio graphie beschließen den Band, der im Text keinen Anmerkungsapparat aufweist. Im Aufbau seines Stifter-Buches folgt Matz den gewohnten Schemata, benützt häufig seine „Vorläufer" (Reitzenbeck, Aprent, Hein, Roedl) und stützt sich auf „Lebensdokumente" aus zwei ter Hand, wie sie Enzinger, Fischer privat publi zierten und nicht auf die jeweiligen Quellen (Ma triken, Zeugnisse, Dokumente). Seitenlang erfahren wir von Wolfgang Matz keine eigenen Beiträge, sondern lediglich Repetitionen der Texte seiner „Vorgänger", so daß man unwillkürlich in deren Werken zu sein glaubt. Ich will Matz durchaus kein Epigonentum vorwerfen, aber zu genaue Anleihen und wenige persönliche Sentenzen im psychologisierenden Jargon einzu streuen, scheint mir doch ein wenig dürftig zu sein, wo ein avisierter „kritischer" Standpunkt zur

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