OÖ. Heimatblätter 1995, 49. Jahrgang, Heft 4

Lebensweise wurde gefordert, die in der inneren Harmonie bäuerlicher oder altstän discher Bauformen verwirklicht schien und die man auch in volkstümlichen Prakti ken der Heilkunde, der Ernährung, der Kleidung und Freizeitbetätigung zu finden glaubte. Rudorffs Krihk richtete sich vor allem gegen den beginnenden Tourismus, der das „natürliche", unberührte Land sucht und damit zerstört, mit Bergbahnen, Hotels und Würstelbuden, und gegen den Wunsch, die unberührte Idylle in immer ferneren Winkeln aufzustöbern, der damit in Kauf nehme, den Bazillus der Zerstö rung immer weiter voranzutreiben. Rudorff forderte Schutzgebiete für „unantast bare Heiligtümer der Natur und der Geschichte" und griff die amerikanische Idee der Reservate und Nationalparks auf. Heimatvereine und Heimatmuseen wurden gegründet, Heimatzeitschriften und wissenschaftliche Gesellschaften entstanden, Heimatkunde wurde Schulfach, Heimatpflege wurde zur öffentlichen Aufgabe erklärf und Heimatschutz zur militärischen Angelegenheit gemacht. Heimat - das waren nunmehr Fachwerkhäuser, alte Bräuche, alte Trachten. Die Erhaltung der Heimat wurde eingeengt auf ganz wenige Bereiche und Reservate, während gleichzeitig das übrige Leben einem rücksichtslosen Zerstörungsprozeß anheimfiel. Beschworen wurde eine idealisierte Vergangenheit, deren Ursprünge sich im Mythischen verloren. Kritisiert wurden die fortschreitende Industrialisie rung und die Arbeiterschaft mit ihrem „heimatfremden Internationalismus", ihrer Gleichmacherei und Vaterlandslosigkeit. Die konservative Kulturkritik bekam damit eine merkwürdige Schlagseite. Ausgehend von einem diffusen Unbehagen an der Moderne, wurden die kulturlo sen Massen der städtischen Ballungsgebiete und ihre Massenproduktion zum Hauptpunkt der Kritik. Übersehen wurde, daß auch die Versatzstücke der Heimat von der Stange geliefert wurden: die Heimatlieder und Heimatschlager, die mit immer gleichen Requisiten eine anheimelnde Atmosphäre handwerklicher, nichtin dustrieller Gemütlichkeit erzeugen sollten, die Heimatromane und Heimatfilme, die als Massenprodukte hergestellt wurden, die Trachten, die eine ganze kleine Industrie beschäftigten, die Heimatstilhäuser, die vom architektonischen Fließband rollten. Heimat wurde zum Bestandteil der Kulturindustrie. Für die Zivilisationskritiker war klar: die Emanzipation der Massen, die industrielle Massenproduktion, der Untergang dezentraler Lebensformen, der Ver lust handwerklicher Qualität, all das würde zur allgemeinen Nivellierung, zur Über füllung, zur Verschandelung und letztlich zum Untergang der Zivilisation führen. Als Symbol dafür stand Amerika, das Land des Kapitalismus, der Massendemokra tie, der Massenproduktion, des Massenkonsums und der zu gesichtslosen Massen verschmolzenen Einwandererströme. Der ewige Bauer Ein idyllisches Arkadien wurde an die Wand gemalt, nur selten in so großar tigen Versen wie in Rilkes „Stundenbuch": „Alles wird wieder groß sein und gewal-

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