OÖ. Heimatblätter 1995, 49. Jahrgang, Heft 4

So wurde der Begriff „ffeimat" allmählich immer mehr zu einem Begriff für schöne, unberührte,höchstens durch die sorgsamePflege des Landmannsveredelte Natur, für verträumte Dörfer in altdeutschem Stil, fern jedenfalls von allen äußeren Zeichen der Industrialisierung. In den Dorferzählungen und Heimatromanen wurde Heimat zu einer heilen Welt, wo die Wälder rauschen und die Bächlein gluckern, bevölkert von schwarzen Wildschützen und reichen Erbbauern, von reschen Dirnen und alternden Dorftrotteln, wo altsässiges Bauerntum zwar auch manchmal gegen stolze Aristokraten, sehr viel häufiger aber gegen heimatlose Proletarier und bourgeoise Kapitalisten zu Felde ziehen muß, wo die Anonymität der Städte und die zer störerisch-störrischeMacht der Fabriken die grünen Täler bedroht, wo die Sogkraft der alle Ordnung durcheinander bringenden Großstädte, der Wasserköpfe der Zivi lisation, biedere und zufriedene Landbewohner in eine unsichere Zukunft lockt. Heimat war dort, wo der Herr noch mehr als der Knecht galt, der Mann noch mehr als die Frau, der Pfarrer noch mehr als der Lehrer, auch wenn dieses Hei matschrifttum nicht selten von einer tüchtigen Portion Antiklerikalismus geprägt war. Geschrieben wurde dies alles ja weniger für den Bauern und aus der Perspek tive der Dörfler, sondern für national motivierte, liberal und antiklerikal eingestellte Bildungsbürger, die in der heraufziehenden Häßlichkeit der Industrielandschaft den Preis, der für den Massenwohlstand zu zahlen sei, erkannnten und mit dem Rück griff auf ländliche Traditionen zu kurieren vermeinten. Heimatschutz Der Musikprofessor Ernst Rudorff prägte mit seinen zwischen 1880 und 1900 veröffentlichten Broschüren den Begriff „Heimatschutz". Rudorff nahm heute wohlbekannte Themen der Umweltkritik vorweg; die rasch voranschreitende Verän derung des vertrauten Landschafts- und Städtebildes, das Verschwinden der Feld raine ebenso wie die disproportionierten Fenster der modernen Bauten, die Hotelpa läste in den schönsten Winkeln des Landes, die Erschließung und Zerstörung von Naturschönheiten durch den Massentourismus, die Auflösung der kleinteiligen Landschaftsformen durch die mechanisierte Landwirtschaft, die rationelle Forstwirt schaft mit ihrer Tendenz zur Monokultur, die den Wald so naturfern machte wie das vom Unkraut gesäuberte Weizenfeld. Rudorff sah gleichermaßen die Natur und das vertraute gesellschaftliche Gefüge in Gefahr. Im Jahre 1904 wurde der Bund Heimatschutz gegründet. In der Heimat schutzbewegung fanden sich alle jene Bestrebungen zusammen, die angesichts der massiven Veränderungen der landschaftlichen Umwelt im Verlauf der Industrialisie rung im Sinne einer konservativen Kritik formuliert worden waren: Denkmalpflege und Pflege der überlieferten ländlichen und bürgerlichen Bauweise, Ortsbilderhal tung, Schutz des Landschaftsbildes einschließlich der Ruinen, Rettung der Tier- und Pflanzenwelt sowie der geologischen Eigentümlichkeiten, Pflege der Volkskunst und Erhaltung von Sitte und Brauchtum. Eine neue Schlichtheit von Baukunst und

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