OÖ. Heimatblätter 1995, 49. Jahrgang, Heft 3

nung. Die Kanoniere flüchteten schon vor Tagen. Das technische Personal der II./NJG 100 hatte Werkzeuge und War tungsmaschinen bereits vernichtet.^ Am Flugfeldrand standen getarnt zwölf Maschinen vom Typ JU 88, bereit zu ihrem allerletzten Flug. Major Zor ner,' der Kommandeur der II. Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 100, hoffte insgeheim, das nahe Kriegsende in Raf felding abwarten zu können. Die Besat zungen hatten in aller Frühe aber den Be fehl erhalten, alle flugfähigen Maschinen nach Prag zu verlegen. Jede Maschine sollte noch vier Mann vom Bodenperso nal mitnehmen, der Rest wurde zur Ver teidigung von Linz abkommandiert.^ Von Raffelding aus wurden keine Nacht jägereinsätze mehr geflogen. Die stän dige Präsenz der amerikanischen Tief flieger und der Mangel an Treibstoff ver hinderten einen effektiven Einsatz von vornherein. Der Oberfeldwebel Helmut Lußky'' war Flugzeugführer einer der startberei ten Maschinen. Er sollte zusätzlich noch zwei Luftwaffenhelferinnen nach Prag mitnehmen. Nach dem Tieffliegerangriff der Amerikaner hatte aber keines der Mädchen mehr Lust, mitzufliegen. Sie verschwanden auf dem Landwege ohne viel Aufhebens aus dem Gefahrenbe reich des Flugplatzes. Auch Lußky und seine Kameraden waren sich im klaren, daß dieser bevor stehende Flug angesichts der überall lau ernden amerikanischen Flieger ein äu ßerst riskantes Unternehmen war. Sie zögerten daher mit dem befohlenen Start. Da erschien plötzlich ein Platz räumkommando der deutschen Feld gendarmerie und machte ihnen unmiß verständlich klar: entweder Ausführung des Befehls oder Standgericht. Den Hin weis auf die sich überall am Himmel tummelnden Amerikaner ließ man nicht gelten. Man sagte ihnen, das seien ohne hin „Deutsche". Die zwölf flugbereiten Maschinen verließen nun das Flugfeld von Raffel ding. Lußky schlug vorerst nordöstli chen Kurs ein, um ja nicht die nahen amerikanischen Linien zu überfliegen.® '' Josef Marosczyk, Die letzte Hätz, o. D. „Nach dem wir unsere gesamte technische Ausrüstung an Bord des Kahnes hatten (der in der Donau verankert lag), wurde dieser mit Hilte einer Sprengladung versenkt." ^ Paul Zorner, geb. 31. 3.1920, war ein bei seiner Mannschaft geschätzter Offizier. Er scheute sich nicht, für diese in scheinbar aussichtslosen Situationen energisch einzutreten. So rettete er im Frühjahr 1945 durch ein Gnadengesuch das Leben eines Soldaten, der wegen eines geringen Vergehens durch ein Standgericht zum Tode verurteilt wurde, das Leben (Mitteilung vom 17. Jänner 1992, Joset Marosczyk). Zorner lebt heute als Pensionist im Saarland. ' Mitteilungen von Joset Marosczyk, Siegfried Thiede, Wilhelm Simonsohn, Fritz Karle, alle II./NJG 100, Schon für den Kampf um Wien Anfang April 1945 (die Gruppe war damals in Wien-Seyring stationiert) wurden immer wie der Besatzungsmitglieder und technisches Per sonal, ja sogar Flugzeugführer, für den End kampf abkommandiert. ' Helmut Lußky, Flugzeugführer in der II./NJG 100, wurde 1917 in Sachsen geboren. Er flog seine ersten Einsätze 1941 über England, dann Einsätze in Rußland, Ungarn und Ostösterreich. Nach dem Krieg war er Berutsschullehrer in Thüringen. Lebt heute als Pensionist in Alten burg/Thüringen. ® Diese lagen zu diesem Zeitpunkt im Bereich Gramastetten, Zwettl an der Rodl, Vorderwei ßenbach. Siegfried Thiede, Flugzeugführer, der auch die Verlegung nach Prag mitmachen mußte und von der gleichen Einheit war, geriet irgendwo über dem Mühlviertel in amerikani sches Flakteuer. Die Luftschraube des linken Motors wurde weggeschossen, er brachte je doch die angeschlagene Maschine samt Besat zung und Mitfliegern (technisches Bodenperso nal, Luttwattenhelterinnen) heil nach Prag.

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