OÖ. Heimatblätter 1995, 49. Jahrgang, Heft 3

Sie, daß ich noch wenige Ihres Ge schlechtes so geachtet, wie Sie. Wie geht es Ihrer Mutter, der guten, lieben Frau? ... Von nun an war ich jeden Tag, den ich noch in Gmunden verlebte, bei Ihnen und noch immer gemahnt es mich um 5 Uhr, zu Ihnen zu eilen. Aber da lie gen viele Meilen zwischen mir und mei nen Lieben und zehn Monate müssen vergehen, ehe wir uns wiedersehen. Könnte ich diese trägen zehn Monate im Sturm vorüberjagen und hinüberfliegen über Berg und Tal! Wer weiß, ob wir uns je wiedersehen? Ich traue dem Schicksal nicht recht. Als ich auf meiner Rückreise den Traunstein zum letztenmal sah, war es aus mit meiner Heiterkeit, ich warf mich in meinem kleinen Schiffsgemach hin auf mein Lager und ließ all die schö nen Donaugegenden vorüberziehen, ohne mich nach ihnen umzusehen. Da bin ich wieder in dem vielbeweg ten Wien, wo tausend und abertausend Kräfte in ewigem Kampfe liegen, wo alle Abstufungen des menschlichen Loses, vom höchsten Glück bis zum tiefsten Elend, täglich vor meinem Blicke stehen, wo die Kunst und Wissenschaft ihre Schätze auftürmen, aber wo die Herzen kälter schlagen, als von wannen ich ge kommen bin. ... Niembsch." Das zweite Mal war Lenau vom 3. bis 11. Juli 1831 in Gmunden; innerhalb dieses Zeitraumes kam es zur endgülti gen Trennung zwischen Nanette und dem Dichter. Vater Wolf mißfiel schon seit längerem der häufige Verkehr Lenaus in seinem Haus - er schätzte in sei ner nüchternen Lebensauffassung die soziale Stellung eines Dichters keines wegs; auch erkannte er das Träumeri sche und Uberreizte im Wesen des jun gen Mannes - und so befahl er seiner Tochter, dafür zu sorgen, daß die Besu che eingestellt würden, andernfalls müsse er dies tun. „Als Lenau wieder kam, begleitete sie ihn beim Abschied bis zur Stiege, worauf sie zögernd und errötend folgende Worte an ihn richtete: ,Herr von Niembsch! Der Vater hat mir aufgetragen, Ihnen zu sagen ...' Weiter konnte sie nicht sprechen, denn Lenau fiel ihr in größter Erregung ins Wort, in dem er bemerkte, er wisse schon, was der ,Tyrann' von ihm wolle. Nach einer Flut der hefhgsten Klagen und Zornaus brüche, die so weit gingen, daß ihn Na nette wiederholt zur Mäßigung ermah nen mußte, entfernte er sich und kam nicht wieder." (Zitiert nach Pauker) Über Lenaus Absichten, sich am Traunsee ein ständiges Domizil einzu richten - er hatte diesbezüglich Anfang November 1830 Schleifer schriftlich ge beten, ihm irgendein schön gelegenes Häuschen am Traunsee anzukaufen -, zi tiert Schurz Schleifer, als er in jenen Au gusttagen 1831 Niembsch ans Fenster bittet und ihm ein Fernrohr in die Hand drückt: „Sieh dort hin nach Traunkirchen! Du magst die blitzenden Fenster zählen des hervorragenden stattlichen Pfleger hauses, das sich im See widerspiegelt und rings der herrlichsten Aussichten genießt; deinem Traunstein gegenüber. Es ist jetzt billig verkäuflich und froh bereit, einen jungen Dichter samt etwai ger Braut aufzunehmen, die sich wohl auch bald ganz in der Nähe finden las sen würde." Niembschens Ansichten hatten sich aber binnen weniger Monate wesentlich verändert; anstatt sich anzusiedeln, ge dachte er jetzt zu reisen. Die Schmäle-

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