und dadurch anonymes „Menschenmaterial" für billig entlohnte Arbeit und für Kriegsdienst zu bekommen. Es gab auch Findelhäuser, in denen ledige schwangere und vollkommen mittellose Frauen aufgenommen wur den. Manchmal war eine Gebäranstalt angeschlossen. Die Frauen hatten dort ihr Kind auf die Welt zu bringen, mußten oder durften es aber dann zurücklassen. In den meisten Fällen dienten sie als Übungsobjekt für angehende Geburts helfer. Die größte Findelanstalt in Oster reich begründete Joseph II. im Jahre 1784 in Wien als „Niederösterreichische Landesgebär- und Findelanstalt". Uneheli che, in der Gebäranstalt geborene Kin der kamen in der Regel am zehnten Le benstage mit ihren Müttern in die Fin delanstalt. Die Mütter hatten dort Am mendienste zu versehen. Später wurden die Kinder gegen Bezahlung und unter Aufsicht der Anstalt an Pflegeeltern ab gegeben. Nach sechs bis zehn Jahren wurden sie der Fürsorge ihrer Mütter oder ihrer Heimatgemeinde zurückgege ben.^ So ähnlich dürfte auch das Linzer Findelhaus organisiert gewesen sein, was sich auch aus dem Postbuch des Ottensheimer Pfarrers P. Ulrich Ramerstorfer (1852-1870) erkennen läßt. Pfarrer Ra merstorfer, in dessen Amtszeit die Pfarr kirche renoviert, ein neuer Hochaltar von Engelbert Westreicher und zwei Sei tenaltäre aufgestellt wurden und 1862 die größte Überschwemmung des Jahr hunderts fiel," hatte um die Mitte des 19. Jahrhunderts mehrmals mit Findel kindern in seiner Pfarre zu tun. Ich zi tiere aus seinem Postbuch: „1. Mai 1858: Zeugnis zur Erlegung eines Findelkindes. 2. Juni 1858: Zeugnis für ein Findelkind. 3. Februar 1859: Armutszeugnis für die schwangere ledige Frau N. N. (Name vom Verfasser ausgelassen) ins Findel haus." Die Armut der Schwangeren war also Voraussetzung für die Aufnahme ins Linzer Findelhaus. Und obwohl es seit 1849 in Ottensheim ein Marktamt und einen Bürgermeister gab, setzte man in sozialen Angelegenheiten mehr Ver trauen in den Pfarrer als in den Bürger meister. Am 21. September 1860 stellte Pfar rer Ramerstorfer gleich „mehrere Ar mutszeugnisse und Zeugnisse für Wei ber, die Findelkinder nehmen"® aus und schickte sie ans Ottensheimer Bezirksge richt. Seit 1850 hatte Ottensheim ein ei genes Bezirksgericht, das ca. 100 Jahre später dem Bezirksgericht Urfahr einver leibt wurde. In der obigen Notiz ist auch von „Weibern, die Findelkinder nehmen" wollen, die Rede. Es gab also bereits Fa milien, die mit dem geringen Entgelt, das sie für die „Aufzucht der Kinder" beka men, ihre Einkünfte aufbessern wollten. Auch dazu war das Zeugnis des Pfarrers notwendig. Am 4. Jänner 1861 sandte er ein „Tauglichkeitszeugnis zur Aufnahme ei nes Findelkindes" ab, ebenso stellte er am 10. Jänner 1863 ein „Zeugnis zur Übernahme eines Findlings" aus.® ^ Vgl. dazu Meyers Konversationslexikon, 6. Band, Leipzig und Wien 1895, S. 446 f. '' Vgl. dazu Mittermayer, a. a. O., S. 27. ^ Postbuch des Pfarrers im Ottensheimer Pfarr archiv. ' Postbuch des Pfarrers im Ottensheimer Pfarr archiv. Vgl. dazu auch Oberösterreichisches Landesarchiv; HS Nr. 3-53: Findelbögen 18281868.
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