OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 4

und in der Fastenzeit war weder „türki sche" noch andere Musik gestattet. Das scheint sich mit dem Einzug des Radios in den Gastlokalen grundlegend geän dert zu haben. Diese von den Gästen „unverlangte" Musik setzte um die Wende des dritten und vierten Jahr zehnts mit der Einführung der von der RAVAG gesendeten „Mittagskonzerte" ein. Die Wirte nützten die Radiomusik als Werbung für ihr Lokal und behinder ten und störten so gleichzeitig die Tisch gespräche. Der Untermalung des All tagslebens durch Musik und „Verlärmung" der Umwelt folgte wenig später die angebliche Anregung der Kauflust der Kaufhauskunden durch die perma nente Berieselung mit akustischen Effek ten. Der Lärm des Straßenverkehrs, wie auch die unverlangte Musik in Restau rants und Kaufhäusern trifft den Men schen unvermutet und unvorbereitet. Anders ist das bei dem Motiv Lärm in diversen Bräuchen. Ihr Instrumentarium ist vielfältig: Schießen, Knarren, Knallen, Klopfen, Läuten, Klirren, Pfeifen, Singen, Schreien usw. wird zur Abwehr ver meintlicher Gefahren zu festliegenden Terminen eingesetzt. Die Umwelt ist dar auf gefaßt und vorbereitet, so daß dieser Lärm nicht als störend oder unerträglich erlebt wird. Zumeist stehen die überlie ferten Lärmsitten des Jahres- oder Fest kreises im Zusammenhang mit Wachs tums- bzw. Fruchtbarkeitsmotiven, von denen störende, hindernde Kräfte abge halten werden sollen. Nicht nur Abwehr, auch der Wunsch nach der warmen Jah reszeit wird beim Gras- oder Lenzauf wecken, beim Obermühlviertler Wolfab lassen, beim Neujahrs- oder Aperschnalzen angesprochen. Übrigens lassen sich Lärmbräuche zum Jahreswechsel bis ins 16. Jahrhundert nachweisen. Wohl in Erinnerung an die alten Jahrsanfänge in Verbindung mit den vermeintlichen Ge fahren aus den Rauhnächten wird auch das Gewehrschießen am Christabend wie auch zu Silvester aufgefaßt werden müssen. Die Glöckler des Salzkammer gutes sind nur zum Teil ein Lichter brauch und bestimmt mehr als Lärm brauchtum gemeint, was allein schon aus der Erklärung ihres Namens hervor geht. Er ist nicht von „Glocke" hergelei tet, sondern vom althochdeutschen Wort „klokan", und das hieß klopfen, was auch die Glöckler in früheren Zeiten taten, wenn sie mit ihren Bergstöcken an Türen und Fensterläden der Wohnhäuser schlugen, ein Brauch, der anfangs nicht so sehr an den Vorabend des Dreikö nigstages gebunden war, sondern seinen Platz in der Übergangszeit von Winter und Frühling hatte. Wie leicht zu ersehen ist, zeigt sich das Motiv Lärm im Brauchtum von ei ner ganz anderen Seite, als der amorphe Lärm des Verkehrs, der Arbeitswelt oder jener bedenkliche der Unterhaltungsin dustrie. Dieser Lärm hat als Folge Land schaften und Siedlungen (Lärmschutz wände) verschandelt, hat neue Krankhei ten und Dauerschäden hervorgerufen, er behindert den Gedankenaustausch und das Gespräch, obgleich dieser techni schen Entwicklung unsere Sprache recht geglückte Begriffe entnehmen konnte: Beschallung, Schallwände, Lautstärke, Lautsprecher, Kopfhörer, Zimmerlaut stärke, Wellenlänge und manch andere. Sie alle aber deuten mehr oder weniger eher das Zuviel, das Übermaß an Ge räusch an, dem man sich auf verschie-

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