OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 4

über die eigentliche, auf Unterrichtsfächer bezogene Notengebung hinaus gehend wurden die Schüler auch nach ihrer Zugehörigkeit zu Zeugnis- bzw. „Fort gangsklassen" (I, II und III; bis 1908 in Kraft) unterschieden und außerdem nach Lokationsnummern (bis 1886 in Kraft) gereiht, d. h. nach ihrem notenmäßigen Rang innerhalb der Gesamtschülerzahl einer Klasse bewertet. In späterer Kritik verwarf Boltzmann die damals weithin übliche leistungsabhängige Sitzplatzordnung der Schüler im Klassenzimmer, wie er überhaupt dem geltenden Klassifikationssystem rückblickend absolut ablehnend gegenüberstand, weil es, wie er meinte, „nur zu fal schem Strebertum führe, dem weniger darum zu tun ist, wirklich viel zu lernen, als vielmehr nur darum, seine Rivalen zu übervorteilen".®" Benotungsmodus und Selek tionsprinzip bewirkten immerhin, daß sich in Boltzmanns Klasse die Schülerzahl im Verlauf der acht Schulstufen von 82 auf 29, d.h. auf 35 Prozent verringerte. Die durchschnittliche Ausfallsquote belief sich auf jährliche 16 Prozent,®^ wobei sich besonders der Aufstieg von der 2. in die 3. und jener von der 4. in die 5. Klasse als große Hürde erwies: 25 Prozent bzw. 32 Prozent der Schüler bewältigten diesen Wechsel nicht. Die beengten räumlichen Verhältnisse ließen im übrigen kaum mehr als klas sischen Frontalunterricht zu.®^ Umso notwendiger war es unter diesen Bedingungen, dem beschwerlichen Schulalltag - so weit es ging - zeitweise zu entrinnen, und auch die Vorzüge eines Schülerlebens voll auszukosten. 1863 mußte die Lehrerschaft des Linzer Gymnasiums feststellen, „daß das Verbot, Gasthäuser zu besuchen, von nicht wenigen Schülern übertreten wurde. Selbst unter den Schülern unterer Klassen trat der Hang hierzu hervor".®® Schülerbeurteilung Ludwig Boltzmann:®^ 1. Klasse, Schuljahr 1855/56 I. Semester Sittliches Betragen: musterhaft Aufmerksamkeit: immer wach und rege Fleiß: ausgezeichnet Religionslehre: vorzüglich Lateinische Sprache: ausgezeichnet II. Semester musterhaft immer wach und rege ausgezeichnet vorzüglich ausgezeichnet ' NÖB 2 (wie Anm. 7) 130. Damit lag man etwas unter dem österreichweiten Mittelwert der 1850er und 1860er Jahre mit 20 %, Vgl. dazu die Angaben bei: Engelbrecht: Österr. Bildungswesen 4 (wie Anm. 34) 167. ' Seit 1849 durfte die bisherige Höchstzahl von 80 Schülern zwar nicht mehr überschritten werden, in den Anfangsklassen einiger Gymnasien auf dem Boden des heutigen Bundesgebietes war eine vor übergehende Überschreitung des gesetzlichen Rahmens aber kaum zu vermeiden. Als wünschens werte Größe sah man 1849 50 Unterrichtsteilnehmer an; diese wurde 1857 zur Norm erklärt, wobei bei wesentlicher Überschreitung die Führung von Parallelklassen erlaubt war: Engelbrecht: Osterr. Bildungswesen 4 (wie Anm. 34) 167. ' AAG: Schlußkonferenz für die 8. Klasse vom 12. 2. 1863; s. a. Anm. 88. ' AAG: Kataloge der I. bis 8. Klasse, Schuljahre 1855/56-1862/63. Einen schematischen Lehrplan für Pflichtgegenstände an den acht Gymnasialklassen (1849) bei: Engelbrecht: Österr. Bildungswesen 4 (wie Anm. 34) 494-499; ebd., 157-163, eine allgemeine Erörterung von Unterrichtsgegenständen und Bildungsinhalten.

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