OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 3

„Keiner hörte auf Stifter" Von Hugo Schanovsky Als Stifter vor 126 Jahren in Linz in seinem Haus an der Unteren Donau lände starb, hatte er längst eine Botschaft hinterlassen, die es wert gewesen wäre, von der Nachwelt zur Maxime ihres Handelns erhoben zu werden. Die Welt nach Stifter schlug freilich einen anderen, verheerenden Weg ein. Sein „Sanftes Gesetz" von der Natur als welterhaltender Kraft und seine Vorstel lung, daß jeder Mensch dem anderen ein Kleinod sein möge, wurde in den Boden gestampft. Maß und Ordnung, wie er sie für die Unterscheidung von Gut und Böse für notwendig hielt, wichen der Maßlosig keit und der Unordnung. Stifters Worte, der nach Peter Rosegger „den milden Sonnenschein auf die Menschen und über die Natur gelegt hat", fanden kein Gehör. Daß der Weg der Menschen in Eu ropa in die falsche Richtung ging, konnte Stifter schon zu Lebzeiten beob achten; am Verhältnis der Tschechen zu den Deutschen in Böhmen. In meinem Buch „Hommage an Adalbert Stifter" habe ich in einem Ge dicht die Warnung Stifters vor dem Zer fall der gemeinsamen Werte festgehal ten. Zwei Parteien sah er, zwei feindliche Lager, Tschechen und Deutsche, Deutsche und Tschechen, Menschen in ständigem Widerstreit. Sie lagen sich herrisch in den Haaren, sie stritten sich um des Kaisers Bart, sie verfolgten Ziele und trafen die Menschen, sie nahmen Maß und grenzten sie aus. Keiner hörte auf Stifter, der Einzelne nicht und nicht die Vielen, keiner sah das rettende Ganze, jeder verteidigte nur sein Teil. Das Unglück Böhmens, Stifter beschrieb es. Stifter wäre erschüttert gewesen, wenn er das Blutbad der beiden Welt kriege in einem halben Jahrhundert mit erlebt hätte. Keiner hörte auf Stifter Das Unglück Böhmens, Stifter beschrieb es. Ansprache bei der Stifter-Ehrung am 25. Juni 1994 in Linz anläßlich 110 Jahre Deutscher Böh merwaldbund und 45 Jahre Verband der Böhmerwäldler in Osterreich.

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