OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 3

lichkeit in Wien schon groß ist. Gegen Ende April soll zum zweiten Mal in Wien die schwarze Fahne auf dem Rathaus zu sehen gewesen sein; die jedesmal dann aufge hängt wird, wenn an einem Tage mehr als 1000 Personen sterben. Mit Sehnsucht wartet die Bevölkerung auf den Abtransport der Lebensmittel aus der Ukraine, der wegen der verschiedensten Hindernisse immer wieder verschoben werden muß. 10. Mai Die Nachricht vom Ausbrechen der Gefangenen aus dem Kriegsgefange nenlager^ wurde immer unheimlicher. Sie sind mit der Nahrung unzufrieden und sollen dem Oberst angekündigt haben, wenn es binnen kurzer Zeit nicht besser wird, werden sie ausbrechen und sich selbst Nahrung beschaffen. Heute hatten die Einjährigen Bereitschaft. Zwei Maschinengewehre sind bereits aufgestellt, auch von zwei Kanonen wird gesprochen. Feiertage werden abgeschafft Der Pfingstmontag wurde zum ersten Mal nicht als voller Feiertag eingehal ten. In diesem Jahr wurden einige Feiertage abgeschafft, nämlich der 2. Feiertag zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Maria Lichtmeß, Maria Verkündigung, Maria Geburt, Leopold. Es wird wohl noch lange dauern, bis das Volk, besonders im Mühlviertel, auf diese Feiertage verzichtet. Feiert doch der Mühlviertler noch die Aposteltage, wie den Dienstag zu Ostern und Pfingsten als Feiertag... Das Schicksal Patrys Am 1. Juni mußte unser Nährvater Max Patry nach Passau einrücken. Gäbe Gott, daß das Gesuch um Beurlaubung bis zum Ende des Schuljahres bald Erhörung finde. In der Schule wurde er durch die Herrn Burghuber, Leger und den Direktor ersetzt, im Garten übernahm Herr Münch, der ohnehin schon überbürdet ist, noch seine Arbeit, besonders die Pflege der in der Kriegszeit so kostbaren Hühner. Damit diese im Garten drüben nicht gestohlen würden, nahmen sich die beiden Herrn, Patry und Münch, die Mühe, die Hühner jeden Abend in zwei große Kisten zu sper ren und in den Schweinestall zu befördern und dann in der Frühe wieder zurückzu fahren in den Dechantgarten,' wo das Hühnervolk einen großen Auslauf hat und auch fleißig legt... ... Herr Patry ließ längere Zeit auf sich warten, bis er ein Lebenszeichen von sich aus Passau gab. Der Direktor antwortete ihm sofort auf seinen ersten Brief. Welch ein Schreck überfiel aber das ganze Haus, als der Brief des Direktors nach einigen Tagen zurückkam mit dem Vermerk in roter Tinte auf der Briefhülle: ,Herr Patry am 11. VI. gestorben.' ^ Der Chronist bezeichnet sie als „Bolschewiki", er meint wohl damit die Anhänger der russischen Re volution. ' Der Dechantgarten wird heute als Parkplatz in der St.-Peter-Straße verwendet.

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