OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 3

Von verheerenden Krankheiten und Epidemien blieb das Kammergut infolge der mangelhaften Ernährung und des ärmlichen Lebens der Arbeiter nicht ver schont. Im Zeitraum von 1759 bis 1769 litt die Bevölkerung besonders an Schar bock, wie man die Vitaminmangelkrank heit Skorbut damals nannte. Immerhin läßt die Empfehlung des Amtsmedikus, den Kartoffelanbau einzuführen und den mit Scharbock behafteten Patienten auf ärztliche Anordnung die Einführung des Obstmostes zu gestatten, vermuten, daß dem Arzt der Vitaminmangel als Ursa che des Skorbuts bekannt war. Der Kartoffelanbau ging allerdings nicht so rasch vonstatten, wie es die Ärzte gewünscht hätten. In einer Chro nik der evangelischen Schule in St. Aga tha (Goisern) ist zu lesen, daß erst im Jahre 1783 vom Lehrer Leopold Schenner die ersten Kartoffel angebaut wur den und von hier aus die ersten Erdäp felsorten über den Pötschenpaß ins Ausseer Land gelangten. Im Jahre 1807 konnte der Distriktskommissar des Pfle geamtes Wildenstein in Goisern an seine Oberbehörde melden, daß in seinem Be zirk, der von Ischl über Goisern bis nach fJallstatt und Gösau reichte, bereits 239 Inwohner Kartoffel anbauten und deren Ernte 480 Metzen betrug. Im Jahre 1797 breitete sich eine über aus gefährliche epidemische Ruhr aus, die in fünf Arten („gallichte, schleimichte, entzündungsartige, rheumati sche und faulichte Ruhr") im Juni be gann und im August ihren höchsten Grad erreichte. In den kirchlichen Ster beregistern sind in dieser kurzen Zeit 119 Todesfälle wegen Ruhr verzeichnet. „Im Ganzen sind 715 Personen unter der Kur des hiesigen kaiserlichen Chirurgus Perndanners Sohn, wovon 39 starben... Gewiß war es, daß derjenige, der gleich von Anfang an einen Chirurgen consultierte, ihm gründlich folgte und sich nachher noch hielt, meistens bald und glücklich gerettet wurde. Es war ein jam mervoller Anblick, täglich in den Mona ten Juli bis August zwei bis vier Särge tragen, schwarz gekleidete Leute sehen, täglich fast zwei bis fünf Personen aus je dem Alter beerdigen müssen! ...ob gleich ich täglich in engen Kammern voll Unreinlichkeit zwischen drei und fünf Kranken stund, so blieb doch durch das Allmächhgen Gnade mein ganzes Haus frei. Wir tranken fleißig Wasser mit Himbeeressing vermischt, aßen viel Obst, befließen uns vernünftiger Diät.. Die Ärzte und Bader der damaligen Zeit bereiteten viele Arzneien selbst zu, denn die Apotheken waren noch weit entfernt. Zunächst war die nächstgele gene in Gmunden, schließlich kam eine Äpotheke in Ischl dazu, während Goi sern eine solche erst im Jahre 1908 er hielt. Im Nachlaß des Marfln Perndanner d.J. scheinen als Grundmittel für Medi kamente auf: Chinarinde und Extrakte, Harze, Mercurialpräparate, Pflaster und Salben, Pulver zum äußerlichen und in nerlichen Gebrauch, Wurzeln, Blätter, Blüten, Kräuter und Samen. Neben der Salinenarbeit suchten die Ortsbewohner ihren Unterhalt durch Graben verschie dener Wurzeln, z. B. der Enzian-, Bärwur zeln und Calmus und der Roten Gems wurzel usw., durch Sammeln des Lun genmooses, des Schachtelhalmes und anderer Gebirgskräuter, des Peches usw. Chronik des Pastors Christoph Friedrich Salomon Kästner (Auszug aus dem Jahr 1797).

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