OBEROSTERREICHISCHE48. Jahrgang Herausgegeben vom Institut für Volkskultur Georg Wacha Stadtrichterschwerter und Richterstäbe in Oberösterreich Ottmar Premstaller Das Exlibris in Oberösterreich heute Willibald Katzinger Der Industrie- und Gewerbeverein für Enns und Umgebung 1842-1848 Hans Falkenberg Meisterbücher aus der Zunftlade der Schuhmacher. Ein Beitrag zur Handwerksgeschichte des 19. Jahrhunderts im Mühlviertel Karl Pilz t Goiserer Bader und Ärzte aus der Familie Perndanner von 1769 bis 1893 Fritz Fellner 1918 - ein Zeitzeugenbericht Fritz Winkler Die vergessenen Julitage des Jahres 1934 Johann Baumgartner Adolf Hitler - seine große Liebe und Peilstein Hugo Schanovsky „Keiner hörte auf Stifter" Die Thurnbauernkapelle - Fritz Weichselbaumer Eröffnung der „Hugo-Schanovsky-Sammlung" oberösterreichischer Literatur in Biedenkopf/Hessen Volkskultur aktuell Buchbesprechungen
Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber; Institut für Volkskultur Leiter: W. Hofrat Dr. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem plare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der OÖ. Heimatblätter: Dr. Alexander Jalkotzy, Institut für Volkskultur, Spittelwiese 4, 4010 Linz, Tel. 0 73 2/77 20-56 43 Jahresabonnement (4 Hefte) S 190,- (inkl. 10 o/o MwSt.) Hersteller: Druckerei Rudolf Trauner Ges.m.b.H., Köglstraße 14, 4020 Linz Grafische Gestaltung: Mag. art. Herwig Berger, Hafnerstraße 19, 4020 Linz Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85393-069-7 Mitarbeiter: Kons. OSR Hans Baumgartner, 4153 Peilstein 8 Hans Falkenberg, Wacholderweg 8, D-9I126 Schwabach Kons. Fritz Fellner, Heiligen-Geist-Gasse 16, 4240 Freistadt Dir. Dr. Willibald Katzinger, Stadtmuseum Nordico, Bethlehemstraße 7, 4020 Linz Kons. Karl Pilz t Bad Goisern Dr. Ottmar Premstaller, Parkweg 4, 4222 St. Georgen a. d. Gusen Prof. Hugo Schanovsky, Urbanskistraße 6, 4020 Linz Dr. Georg Wacha, Büchlholzweg 48, 4040 Linz Fritz Weichselbaumer, Auhof 2a, 4320 Perg Kons. Prof. Fritz Winkler, 4201 Eidenberg 149 00 KULTUR Titelblatt: Exlibris Oskar Frank
Stadtrichterschwerter und Richterstäbe in Oberösterreich Von Georg Wacha Im Rahmen einer Tagung über „Vi sualisierung städtischer Ordnung: Zei chen - Abzeichen - Hoheitsabzeichen" des Forschungsinshtuts für Realien kunde am Germanischen Nationalmu seum in Nürnberg wurde I99I eine neue Hypothese über die Entstehung der in Linz erhaltenen fünf Stadtrichterschwer ter vorgetragen. Es konnte in den Wirren der Zeit um 1600 bzw. am Anfang des Dreißigjährigen Krieges kein Stadtrich ter das Schwert des Vorgängers verwen den, da dieser anderer Religion war oder einen anderen Titel geführt hatte. Das Referat hatte zur Folge, daß im Germani schen Nahonalmuseum selbst ein weite res Schwert, bis dahin unter den Fäl schungen eingereiht, als Ergänzung auf gefunden werden konnte.^ Der Vortrag ist nun mit Abbildungen im Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1993 erschienen, er behandelt aus Ober österreich die Stadtrichterschwerter von Enns, Gmunden, Steyr und Wels sowie die genannte Serie aus Linz.^ Einige Stücke wären zu ergänzen: Der Stab mit den Wappen der Villacher Stadtrichter von 1588 bis 1624 und das aus derselben Zeit stammende Richterschwert, beide im Museum der Stadt Villach,' Schwert und Szepter, frühbarocke Silberarbeiten für den Stadtrichter im Rathaus in Tulln.^ Ein sogenanntes Stadtrichter schwert in Baden (Hermann-RollettMuseum) ist wegen der Aufschrift eher der Zeuge der Tapferkeit eines mutigen Offiziers als ein Rechtssymbol. Bei den Stadtrichterstäben ist der Hinweis auf Freistadt, daß dort bei der Amtsübergabe 1559 der Gerichtsstab des Stadtrichters erwähnt wird,' durch die diesbezüglichen Aufzeichnungen von Hans Lambel bei der Sammlung der Weistümer zu ergänzen. ■ Ein Bericht darüber in „linz aktiv", Heft 122, Frühjahr 1992, S. 69, mit Abb. unter dem Titel „Wiederentdecktes Stadtrichterschwert", eine kurze Meldung in Oberösterreichischer Kultur bericht, 46. Jg., Folge 2, Februar 1992, S. 10 („Stadtrichterschwert aus Linz in BRD ent deckt"). ' Georg Wacha, Stadtrichterschwerter in Oster reich mit besonderer Berücksichtigung der Lin zer Beispiele, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums und Berichte aus dem For schungsinstitut für Realienkunde 1993, S. 87-97, mit acht Abb. ' Wilhelm Neumann, Museum der Stadt Villach, Kleiner Wegweiser, 1972, S. 9, Dieter Neumann, Museum der Stadt Villach, Führer durch die Ausstellung, 1987, S. 21. ' 1200 Jahre Tulln. Eine Stadt in den besten Jah ren - 791-1991, Ausstellung Stadtsaal Tulln, 1991, Katalog S. 67, Nr. 9.1, ohne Abb. ' Wacha, Anzeiger 1993, S. 96. Bei der Neuwahl eines Bürgermeisters oder Richters blieben die alten Bürgermeister und Richter noch bis zum Weihnachtsabend im Amt, erst dann übertru gen diese den Nachfolgern ihre Amtsgewalt, in dem sie ihnen die Symbole der Macht, der Bür germeister den Samtbeutel mit den Schlüsseln und der Richter den Gerichtsstab, übersandten. Heidelinde Klug, Die Ratswahlen in Freistadt im Spiegel der Jahrhunderte, in: Freistädter Ge schichtsblätter 4,1970, S. 24 (Aufzeichnung von 1559).
»I ü Linzer Stadtrichkrschwerter 1598 bis 1659: vom protestantischen Stadtrichter Peter VMeiß, vom katholischen kaiserlichen und kurfürstlichen Stadtrichter Hans Georg Schreckinger, vom Stadtrichter Thomas Wappelshamer, vom Stadtrichter Johann Wiemer von Stainach und vom Stadtrichter und Stadthauptmann Michael Zorn, alle Oheröslerreichisches Landesmuseum, Linz. Foto: Michalek Hans Lambel (t 1921) war eigentlich Philologe und Bibliothekar/ er hat zwi schen 1868 und 1872 im Auftrag der Wiener Akademie der Wissenschaften die Stadt-, Markt- und Herrschafts archive in Oberösterreich besucht, um weitere Fassungen von Taidingen oder ' Lambel (* Linz, 26. 8. 1842) war Schüler von F. Pfeiffer in Germanistik, ab X884 Universitäts professor in Prag, er beschäftigte sich mit Mundartforschung (t Prag, 28. 12. 1921). Er hatte die philologische Bearbeitung der gesam melten Texte über. Siehe Valerie Hanus, Lambel, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 4, 1969, S. 410 f.
Weistümern zu finden. In drei Fortset zungen hat er über diese Reisen ausführ lich Bericht erstattet.^ Obzwar dies nicht der eigentliche Zweck seiner Fahrt war, hat er in Fußnoten darauf hingewiesen, wenn in einem Ort ein Richterstab vor handen war. 1871 sah er ein auffälliges Stück in Perg und sagte dazu: „Auch ein alter Richterstab, mit Silber beschlagen, wird dort (in Perg) noch aufbewahrt. Das Beschläge des einen Endes stellt ei nen Mann in seltsamer Tracht dar mit Schild und (nun abgebrochenem) Schwert. Sonst erinnere ich mich solcher Stäbe aber ohne derartigen Schmuck, nur noch aus Münzbach und Käfer markt."® 1872 konnte Lambel den Perger Stab im Museum in Linz sehen und er gänzte seine Beobachtungen folgender maßen : „Hier (St. Georgen an der Gusen) fand sich nur noch ein Richterstab, wie ich deren drei aus anderen Orten schon in meinem vorjährigen Berichte namhaft machte ... Den einen von diesen aus Perg konnte ich heuer im Linzer Mu seum nochmals genauer besichtigen. Die Tracht des an einem Ende angebrachten Mannes ist die eines alten ungarischen H aufgefundene Schwert des Stadtrichters Vogt (1652/53). Germanisches National- , Nürnberg. ' Hans Lambel, Bericht über die im August 1868 in Oberösterreich angestellten Weisthümer-Forschungen, Wien 1869 (Sonderdruck aus den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, LX. Bd., 1868, S. 553), ders., Bericht über die im August und September 1871 in Oberösterreich ange stellten Weisthümer-Forschungen, Wien 1871 (Sonderdruck usw., LXIX. Bd., 1871, S. 214), ders., Bericht über die im August und Septem ber 1872 angestellten Weisthümer-Forschun gen, Wien 1874 (Sonderdruck usw., LXXIII. Bd., 1873, S. 5). Im Oberösterreichischen Landesar chiv in Linz sind die Sonderdrucke in einer Bro schüre gesammelt vorhanden (Inv.-Nr. D 749). ® Lambel, Bericht 1871, S. 4.
Stadtrichterschwert Enns, Museum Lauriacum. Foto: Wodicka Magnaten, was für einen oö. Richterstab eine unerklärliche Verzierung wäre, wenn sie sich bei genauerer Untersu chung nicht als ursprünglich gar nicht zum Beschläge gehörig, sondern erst später darauf befestigt erwiese."' In einer eigenen Arbeit hat Florian Eibensteiner diesen Bericht über den Stab in Perg ergänzte" Länge 85 cm, Sil berstücke an jedem Ende, eine 4 cm hohe Standfigur Mann in Magnaten tracht mit Einhorn im Schild später hin zugefügt!?). Die Kriegswirren haben den Samm lungen des Perger Heimathauses arg zu gesetzt. Von dem sogenannten Palstab (vielleicht eine Bezeichnung, die von „Strafe" oder „strafen" abgeleitet ist) weiß man dort nur, daß er einmal zur Unter suchung im Linzer Museum war, dann wieder nach Perg zurückkam und seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ver schollen ist. Eine Abbildung als Foto oder als Zeichnung existiert nicht." Die Sammlung der Weistümer als wichtige Rechtsquellen ist inzwischen abgeschlossen. Nach jahrelangen Vorar beiten erschien 1939 ein erster Band der oberösterreichischen Weistümer, dem ' Lambel, Bericht 1872 (1873), S. 12, Anm. 1. Florian Eibensteiner, Der Palstab im Marktar chive von Perg, in: Heimatgaue 4, 1923, S. 188190. " Freundliche Auskunft im neueröffneten Perger Heimathaus.
w Ml m W'f mm l'-'P I <Ir„ ■^; 'W' f«-'. J •- Rf■l'-%ti, m Detail vom Stadtrichterschwert Ems. Detail vom Stadtrichterschwert Enns. Foto: hÄayrhuher Foto: Wodicka
1956 bis 1960 die Bände 2 bis 4 folgten, ein Registerband schloß das Werk abd^ Um die Sammlung von strafrechtsgeschichtlichen Denkmalen hat sich in Niederösterreich Hans Liebl verdient ge macht." Hermann Steininger bemüht sich von volkskundlicher Seite um Rechtsbrauch und Rechtsarchäologie," in Oberösterreich sind dafür die Auf sätze von Günter Brachmann anzufüh ren," auch andere haben sich damit be schäftigt." Die Arbeitskraft und Aus dauer von Hermann Baltl hat aber hier zulande gefehlt. Dieser Rechtshistoriker hat 1949 sein Programm für die Samm lung von Rechtsaltertümern vorge stellt," 1957 konnte nach umfangreichen Erhebungen sein vorbildliches Buch über „Rechtsarchäologie des Landes Steiermark" erscheinen." Kein anderes Bundesland ist ihm gefolgt. Wäre es nicht auch Aufgabe der Rechtshistoriker an der Linzer Universität, sich dieser Frage zuzuwenden, die eine Verbindung zwischen dem allgemeinen Wissens stand des Juristen und der landeskundli chen Forschung darstellt? • Oberösterreichische Weistümer, I. Teil, heraus gegeben von Ignaz Nösslböck (Osterreichische Weistümer, 12. Band), Wien 1939, Nachdruck Graz - Köln 1960 (enthält das Mühlviertel); OÖ. Weistümer, II. Teil, herausgegeben von Herta Eberstaller, Fritz Eheim, Helmuth Feigl und Othmar Hageneder (Österr. Weistü mer 13), Graz - Köln 1956 (enthält das Traunviertel); OÖ. Weistümer, III. Teil, dieselben Her ausgeber (Österr. Weistümer 14), Graz - Köln 1958 (enthält das vordere und das hintere Haus ruckviertel sowie das Mondseeland); OÖ. Weistümer, IV. Teil, dieselben Herausgeber (Österr. Weistümer 15), Graz - Köln 1960 (ent hält das Innviertel, Nachträge sowie Ergänzun gen zu den Bänden 12 und 14); OÖ. Weistümer, V. Teil, Registerband, bearbeitet von Herta Ha geneder, Irmgard Loidolt und Helmuth Feigl (Österr. Weistümer 16), Wien 1978, mit einer Geschichte des Editionsunternehmens als Ein leitung. ' Hermann Baltl, Hans Liebl zum Gedächtnis, in: Österreichische Zeitschrift für Denkmal pflege 5, 1951, S. 128. Diese Denkmäler der österreichischen Strafrechtspflege waren dann Ausgangspunkt für das diesbezügliche Spezialmuseum in Pöggstall. ' Über Arbeiten von Hermann Steininger infor miert die von Werner Berthold und Waltraud Winkelbauer erstellte Bibliographie der Publi kationen des Vereins für Landeskunde von Nie derösterreich 1975-1989 (Jahrbuch für Landes kunde von Niederösterreich, N. F. 56), 1990, S. 197, eine Arbeit auch bei Hertha Wohlrab, Generalindex zu den Veröffentlichungen für Geschichte der Stadt Wien (früher AlterthumsVerein zu Wien), Wien 1978, S. 91, n. 2125. ' Gustav Brachmann schrieb mit Verbreitungs karten über den Strohwisch als „Hege-Schaub" (OÖ. Heimatblätter 16, 1962, S. 122-128), be sonders ist aber hier seine Übersicht über die „Markt-Freyung" zu nennen (ebd. 20, 1966, S. 3-62). Im Nachruf auf Gustav Brachmann (Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealver eins 112/11, Linz 1967, S. 19 f.) sagt Josef Reitin ger, daß „eine umfassende Rechtsarchäologie des Landes Oberösterreich unter besonderer Berücksichtigung des Prangers und der Niede ren Gerichtsbarkeit" vor dem Tode Brachmanns „bereits knapp vor der Drucklegung" stand. ® Verschiedene Arbeiten sind in den Bibliogra phien zur oberösterreichischen Geschichte von Alfred Marks (1954-1965, 1972) und Johannes Wunschheim (1966-1975, 1980 und später) im Abschnitt „Recht und Gericht" zu finden. ' Hermann Baltl, Rechtsarchäologie in Öster reich, in: Die österreichische Furche, 5. Jg., 1949, Nr. 41 (Die Warte, S. if,). ® Hermann Baltl, Rechtsarchäologie des Landes Steiermark (Grazer Rechts- und Staatswissen schaftliche Studien, Bd. 1), Graz - Köln 1957.
Das Exlibris in Oberösterreich heute Von Ottmar Premstaller In Linz feierte die Österreichische Exlibris-Gesellschaft 1993 ihr 90jähriges Bestehen. Dies ist - nach dem Internatio nalen Exlibris-Kongreß im Jahre 1980 und dem 80-Jahr-Jubiläum eben auch in Linz - Anlaß, an den Aufsatz anzuknüp fen, den Dr. Hermann Ubell in den „Hei matgauen" im Jahre 1931 schrieb,* und über die Exlibrisszene Oberösterreichs von heute zu berichten. Markante Ver treter des österreichischen Exlibris ent wickelten sich in der Zwischenzeit zu Spitzenkünstlern dieses Genres und prägten das Exlibrisleben in ganz Oster reich mit. Namen wie etwa Toni Hofer und Max Kislinger wurden in aller Welt bekannt, und ihre Arbeiten werden auch heute noch von Sammlern aus aller Welt gesucht. Die Künstler, die im oben zitier ten Aufsatz erwähnt, krihsiert und be sprochen wurden, sind inzwischen leider verstorben, doch kann sich unser Bun desland auch heute noch einiger sehr ak tiver Exlibriskünstler erfreuen (nach Ab fassung dieses Beitrages verstarb am 31. Dezember 1993 auch Leopold Feichtinger). An Hand ihrer Arbeiten soll nun ein kleiner Kreis von ihnen vorgestellt werden. Da sich nicht nur über den Ge schmack, sondern auch über die Bewer tung von Kunstwerken und Künstlern streiten läßt, werden sie in alphabeti scher Reihenfolge angeführt. Leopold Feichtinger Exlibris paläontologicis Dr. Tillfried Cernajsek Der Besitzer dieses interessanten und aussagekräftigen Exlibris ist Leiter DR.- EXLIBRIS PALAEONTOLOCiCiS der Bibliothek der Geologischen Bun desanstalt in Wien, auch in seinem pri vaten Bereich ist er an Büchern seines Fa ches lebhaft interessiert. Das Besitzzei chen für seine Bücher über Paläontolo gie (der Wissenschaft von den Lebewe sen vergangener Erdepochen) zeigt uns den berühmten Archäopteryx, einen Flü gel schützend über sein Buch gebreitet, den Fuß Besitz erhaltend fest darauf ge stützt. Dieser Holzstich ist ein seltenes Blatt dieses Genres, nur der Pole Henryk Faijlhauer verwendete den Urvogel für ein Exlibris für den Deutschen Helmut Arndt in einem Kupferstich als Motiv. H. Ubell: Oberösterreichische Bucheignerzei chen der Gegenwart. In: Heimatgaue, 12. Jg. (1931), S. 129 ff.
Exlibris Dr. Ottmar Premstaller Bei diesem - in bester österreichi scher Schrifttradition (die Schrift als Or nament gestaltet) in Holz gestochenem Blatt - geht Leopold Feichtinger auf die Vorliebe des Eigners für Schrift ein. Aus der dunklen quadratischen Grundfläche hebt sich das schwungvolle Mono- ^0SK4RFIMNK MWmiumm gramm OP kräftig heraus, die in Kreis form angeordnete Schrift mit dem Na men umschließt es, eine ganz zarte weiße Linie mildert den Übergang vom kräfti gen Schwarz zum Weiß des bedruckten Papiers. Oskar Frank Exlibris Oskar Frank Im Exlibris, das der Künstler für sich selbst entwarf, schildert er uns sein Le ben, wie er es sich jetzt, nach seiner Pen sionierung, vorstellt oder führen will: Vergnügt in seinem Schaukelstuhl lesend, der Kater des Hauses sitzt zufrie den zu seinen Füßen. Deuten der Blu menstock mit einem zwitschernden Vo gel und die blumige Wiese auf die Freude des eigenen Gartens hin, symbo lisieren die davonfliegenden Schwalben wohl die Reiselust des Künstlers. Nicht zu übersehen die schußbereite Kamera, die Oskar Frank schon manchen Foto preis einbrachte und bringt. Die Sand uhr ruft uns in die Gegenwart, unauf haltsam rieselt der Sand, die Zeit, die noch genützt sein will! Exlibris Dr. med. Albine Faschang Oskar Frank weiß, daß das Exlibris seine ureigensten Wurzeln in der Heral dik hat, und er macht uns diese Tatsache mit diesem Exlibris auch bewußt - auch, daß die Einbeziehung heraldischer For men und Bezüge in unserer Zeit durch aus dem Wesen des Exlibris als besitzan zeigendes Zeichen entspricht. Namens initialen und Beischrift dieser Schöpfung sind auf die Fläche eines tartschenförmigen Schildes gut verteilt. Das F des Fami liennamens in kräftigem Weiß springt
ins Augen, das A des Taufnamens in zar ten weißen Linien ist Hintergrund, die Umschrift mit dem vollen Namen ist dem gotischen Stil des Schildes bestens angepaßt. Franz Johann Pilz Exlibris Karl Stegh Franz Johann Pilz wählte für manche seiner Exlibris Blumenmotive, auch eine Reihe größerer Stiche mit Gebirgsblumen entstand in den vergangenen Jah ren. So fiel es dem Blumenfreund Karl Stegh nicht schwer, sich bei diesem Künstler ein Blumenexlibris zu bestellen. Mit der dem Stecher angeborenen Ge nauigkeit entwuchsen Türkenbund, Sterndolde, Kleingeflecktes Knaben kraut und im Hintergrund ein Zittergras der Stecherhand, wir spüren geradezu das Zarte und Verletzliche dieser Blu men des Berglandes. Die Inschrift „Exli bris Karl Stegh" ist schwungvoll gehalImT^ ten. Ein sprechendes Wappen mit einem Steg in der Mitte ergänzt das Blatt, das von einem Eierstab - oder sind es Blu mensamen? - eingerahmt wird. Exlibris Walter Brencko Natürlich gibt es von oberösterrei chischen Künstlern auch Exlibris mit Motiven aus dem eigenen Bundesland; hat Toni Hofer einen Bleistich mit einer Ansicht des Dachsteins mit dem Vorde ren Gosausee für Walter M. Jackson ge wählt, ist es bei Franz Johann Pilz die aus dem Gletscher herausragende Felsfor mation der Gipfelgruppe, die in der Mitte eines Kupferstiches steht. Walter Brencko scheint ein begeisterter Berg steiger zu sein: Seil und Pickel liegen auf einer Anhöhe, man blickt auf die be kannte Simonyhütte mit ihrer Kapelle im Mittelgrund, dahinter dann das Dachsteinmassiv. Die Komposition wird vom Bergsteigerseil, das sich oben zu ei nem WB verschlingt, zusammengefaßt. Eine überaus feine Punktierung gibt dem Gletscher Körperlichkeit, die etwas kräf tigere der Wolken dem Himmel Tiefe und Phantasie. w/ul B p^j M
Ottmar Premstaller Exlibris .V Premstaller Volkmar Premstaller kam durch sein Theologiestudium in mehrere deutsche Universitätsstädte. Für die Bücher, die er in diesen einzelnen Stationen seines Stu diums erwarb (und zur Erinnerung daran), erhielt er dazu passende Exlibris: für Freiburg im Breisgau einen Holzstich von Herbert Ott mit dem Aufriß des Freiburger Münsters, für Tübingen eine Darstellung des Maßwerkes des St.- Georgs-Fensters der Stiftskirche, die Rä derung des heiligen Georg darstellend - auch ein Bezug zu seinem Heimatort St. Georgen. An seine Zeit in Regens burg von 1989 bis 1993, an seine Anstel lung als Assistent am Lehrstuhl für Altes Testament, erinnert ihn der Linolschnitt mit dem Aushängeschild des Regens burger Gasthauses „Zum Walfisch". In drastisch-phantastischer Weise wird ge zeigt, wie der so gut stilisierte Walfisch den Propheten Jonas ausspeit, Jonas selbst die Arme befreit dem Tageslicht entgegenstreckt. ^ EX ^ m LIBIUS a UND_, ^^EINERf ra&T/\LQZ „Zürcher" in Zürich, die drei markanten Türme der Stadt sollen das symbolisie ren. Seine Gattin Doryn ist Atemlehre rin, der Spruch „Atmen heißt Leben" ver weist darauf. Das kreisförmige Schrift band und die waagrechten Zeilen geben den Türmen nicht nur ein festes Funda ment, gewiß wäre das Schriftbild auch alleine ein passendes Exlibris, die feinlinigen Turmfassaden lockern dessen Schwere aber wesentlich auf. Exlibris Doryn und Heiner Pestalozzi Dieser Linolschnitt hat alle Bezüge zu diesem in Zürich lebenden und arbei tenden Ehepaar, das zu den direkten Nachfahren des berühmten Pädagogen Pestalozzi zählt. Heiner Pestalozzi ist der Alfred Pührer E(x)E(ibris) .W Poeffel Die ornamentale Lösung für den Sammler von Flaschen und anderen Glasgefäßen besticht durch ihren Rhyth mus und die Ausgewogenheit der Flä chen, durch das harmonisierende Spiel von Schwarz und Weiß. Die Buchstaben EL (für Exlibris) fügen sich gut in die Flä chigkeit ein, das Weiche der Flaschen rundungen wird durch die harten Kan ten des stehenden Rechteckes, in dem al les enthalten ist, unterstrichen. Dem Typ entsprechend ist auch der unter der Komposition stehende kräftige Namens zug des Besitzers.
Bl S WPOEFFEl E(x)L(ibris) Gerda Puehrer Die Eignerin dieses in zwei Farben gedruckten Holzschnittes unterrichtet Englisch, auf etliche Studienreisen nach England weist dieser im walisischen Brauchtum verankerte „love-spoon" hin: Burschen schnitzen und verehren ihn ih ren Angebeteten. Das wiedergegebene Beispiel ist mit Symbolen des Lebens, zwei Sonnenrädern und grünenden Zweigen, geschmückt, so wie das in ähn licher Form auch in unserer Volkskunst geschieht. Dieser schöne Liebeslöffel, dem unten die Buchstaben GB in walisi scher Schrift beigefügt sind, ist auch ein deutlicher Hinweis auf die Freude, die die Besitzerin am Kochen findet. Sabby Schmutzer Exlibris Sabby Schmutzer Man merkt dem Exlibris an, dal? es aus einem anderen Stilbereich kommt, daß mit ihm die Kunst der Wiener Werk stätte und der Sezession nach Ober österreich verpflanzt wird. Alle guten Ei genschaften des österreichischen Exlibris lassen sich an ihm ablesen: Vor allem die Eignung, in ein Buch geklebt zu werden, weiter auch die vollkommene Verbin dung von Bild und Schrift. Symbole des Wachsens und des Werdens sind über archaischen Untergrund gelegt, ein Exli bris, das alles vereint, das wir dem ober-
österreichischen, dem österreichischen Exlibris wünschen: Die Tradition zu wahren und aus ihr sich in die Zukunft entwickeln! Kurzbiographien oberösterreichischer Exlibriskünstler Franz (Freiherr von) Bliilersdorff, geb. 1907 in Schwertberg, gest. 1983 in Bad Ischl. 1926/27 Linzer Aktschule bei Paul Ikrath, dann Wiener Graphische Lehrund Versuchsanstalt bei den Professoren Leo Frank, Vinzenz Gorgon und Rudolf Larisch. Schwerpunkte: religiöse Ge brauchsgraphik und Heraldik. Klemens Brosch, 1894-1926, Linz. Stu dium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, Kriegsdienst bis 1915, 1915 bis 1919 wieder an der Akademie bei Prof. F. Schmutzer. Phantastischer Symbolismus in den frühen Arbeiten, erschütternde Kriegsdarstellungen. Leopold Feichtinger, geb. 1919 in Pettenbach, gest. 1993. Maurerlehre, Zeichner bei Baumeister, 1947 Graphische Lehrund Versuchsanstalt bei Ranzoni und Hertha Larisch. 1948 Privatschüler bei Prof. F. Neugebauer. 1949-1952 Bau handwerkerschule in Linz, schafft Grundlagen für Sgraffitogestaltungen. Nach schwerem Unfall wendet er sich mehr der Schriftkunst zu. Gründet in seinem Haus das erste österreichische Schriftmuseum. Oskar Frank, geb. 1923 in Innsbruck, dort Handelsschule und Buchhandels lehre. Im Krieg auch bei Kriegsberichter einheit. 1946 bis 1950 Graphische Lehrund Versuchsanstalt in Wien, dann am Wiener Naturhistorischen Museum als Gestalter von Ausstellungen, Plakaten und Katalogen. Seit 1984 in Schwertberg lebend. Entwirft vor allem Schriftexli bris. Toni Hofer, 1903-1979, Linz. Schrift setzerlehre, steigt vom Akzidenzsetzer zum Faktor einer Großdruckerei auf, Lehrer an der Linzer Kunsthochschule, schreibt zahlreiche Urkunden, belebt den Bleistich neu. Max Kislinger, 1895-1983, Linz. Be amter der oö. Landesregierung, Akt schule bei Prof. Paul Ikrath, 1938 in Pen sion. Bedeutender Volkskundler; seine Kleingraphiken sind unverwechselbare handkolorierte Holzstiche. Alfred Kuhin, geb. 1877 in Leitmeritz, gest. 1959 in Zwickledt. 1891/92 Kunst gewerbeschule Salzburg, 1898-1901 Kunstschule München. Seit 1906 in Zwickledt; Reisen durch Frankreich, Ita lien, den Balkan, Tschechien und die Schweiz. 1930-1940 zahlreiche Aufent halte im Böhmerwald. Franz Lehrer, 1895-1962, Linz. Vor al lem Schriftexlibris, daneben auch Aqua relle und Heraldik. Im Landesdienst tä tig, veranstaltet Schriftkurse, entdeckt Toni Hofer. Friedrich Neugehauer, geb. 1911 in Kojetein, Mähren, lebt in Bad Goisern. Ur sprünglich Lithograph, kommt über Kunstgewerbeschule Breslau nach Wien zu Prof. Larisch, wird 1936 Assistent von Prof. Hertha Larisch-Ramsauer, 19511981 Leiter der Meisterklasse für Schriftund Buchgestaltung an der Kunsthoch schule Linz. Alma Petz, geb. 1922 in Linz, dort auch Berufsschule. Künstlerische Weiter bildung durch Fernlehrgänge für Zeich nen und Schriftkunst. Franz Johann Pilz, geb. 1921 in Gösau. Liebe zur Natur mit Hang zur Romantik. Graphische Lehr- und Versuchsanstalt Wien bei Prof. Hans Ranzoni. Seit 1953 endgültig im Salzkammergut, Reisen in Mittelmeerländer, zahlreiche Aquarelle.
Hans Plank, geb. 1925 in Weng, gest. 1992 in Braunau. Lehrerbildungsanstalt Linz, Volksschullehrer, Akademie Wien bei Boeckl und Gütersloh, 1954 Diplom. Zahlreiche Preise, seit 1974 überwiegend Ölbilder. Ottmar Premstaller, geb. 1927 in Unter weißenbach, Realgymnasium in Linz, 1947 bis 1953 Tierärztliche Hochschule in Wien, 1953 bis 1988 praktischer Tier arzt in St. Georgen a. d. Gusen. Als Gra phiker Autodidakt mit eigener Schnei detechnik, die Werkliste umfaßt derzeit fast 800 Nummern. Inhaber der St.-Georgs-Presse. Alfred Führer, geb. 1927 in Linz. War Zeichen- und Werklehrer, bildete sich in Schriftkursen bei Otto Binder und Hans Wallner weiter, schneidet in Holz, bevor zugt zweifarbigen Holzschnitt. Georg Reitter, geb. 1922 in Steyr als Sohn von Jörg Reitter. Studium an Uni versität und Akademie der Bildenden Künste Wien, Kunsterzieher, 1964-1982 Abteilungsvorstand an der HTL Linz. Beherrscht viele Techniken, Kunst am Bau, Collagen usw. Jörg Reitter, geb. 1898 in Waidhofen a. d. Ybbs, gef. 1944 in Italien. Besuch der Wiener Akademie der Bildenden Künste (Prof. Carl Fehrer), Zeichner und Beamter der Steyr-Werke, Mittelschul lehrer. Sahby R. Schmutzer, geb. 1941 in Wien. Studium an der Meisterklasse für Male rei bei A. P. Gütersloh an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. 1961 Fü germedaille, 1963 Diplom. Macht auch Buchillustrationen; zahlreiche Ausstel lungen. Lebt in Seewalchen. Aloys Wach, geb. 1892 in Lambach, gest. 1940 in Braunau. Kaufmannslehre, von Akademie abgelehnt, 1911 Münch ner Malschule, 1913/14 Stuttgart, Paris, Schweizer Akademie Colarossi, Rück kehr nach Deutschland; Holzschnitte und Radierungen, Auseinandersetzung mit Kubismus, expressionistische Holz schnitte für Münchener Zeitung. Exli brismappen. 1923 Ubersiedlung nach Braunau, dort vor allem religiöse Bilder, Wandgemälde, Fresken, Glasfenster. Bildnachweis: Alle Exlibris stammen aus der Sammlung Ottmar Premstaller. Literaturnachweis: Jahrbücher der Osterreichi schen Exlibris-Gesellschaft, Faltblätter, die anläß lich von Ausstellungen erschienen sind.
Der Industrie- und Gewerbeverein für Erms und Umgebxmg 1842-1848 Von Willibald Katzinger Im Zuge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik hatte der Landesfürst durch das Reichshandwerkspatent bereits 1732 die Zunfthoheit über sämtliche Gewerbe an sich gezogen. Erstes Ziel war die Vereinheitlichung der Zunftstatuten und damit das Ausschalten der zahlreichen Sonderinteressen einzelner fiandwerkszweige. Erst auf dieser Basis ging der Staat zu einer aktiven und reglementierenden Wirtschaftspolihk über. 1753/54 wurden die Handwerksberufe in Kommerzial- und sogenannte Polizeigewerbe unterteilt. Letztere produzierten nur für den Lokalbe darf; erstere jedoch waren exportorienüert. Ihre Betriebsstätten wurden nicht mehr von den Magistraten genehmigt, sondern von der Landesbehörde zugelassen. Der städhsche Rat konnte sie auch nicht mehr verhindern. 1793 schließlich unterteilte man in persönliche, erbliche, verkäufliche und radizierte Gewerbe. Letztere waren an das Haus gebunden und konnten nur in Verbindung mit diesem erworben oder ver geben werden.^ Gravierender für die Bürgerschaften jedoch wirkte sich noch die 1748 erfolgte Einführung der Kreisämter aus. Ihnen wurde unter anderem die Aufsicht über die Magistrate der landesfürstlichen Städte und Märkte übertragen. In jedem Landesviertel war ein Kreisamt eingerichtet worden; jenes für den Traunkreis in Steyr.^ Alle Eingaben an den Landesfürsten als Stadtherren hatten zunächst über das Kreisamt und dann erst über die königliche „Repräsentation und Kammer" in Linz zu laufen, bevor sie an den Hof nach Wien gelangen konnten - und umgekehrt. Damit war eine neue Zwischeninstanz eingeschaltet, die für den Zentralstaat Ersprießliches leisten konnte, für die Selbstverwaltung der einzelnen Städte aber zum Hemmschuh werden mußte. Für Enns war die Einrichtung schon vom Postweg her hinterfragungswürdig, weil jedes Schriftstück zuerst nach Steyr und von dort an Enns wieder vorbei nach Linz gebracht werden mußte. Schlimmer war es noch, wenn man auf eine Entscheidung aus Wien wartete. Sie wurde zweimal durch Enns befördert, bevor sie hier landen durfte. Aber es sollte noch schlimmer kommen: Unter Kaiser Joseph II. erfolgten 1784 bis 1788 die sogenannten Magistratsregulierungen. Es handelte sich dabei um eine Verfassungsänderung, die auf der Rechtsprechung aufgebaut war und davon ausging, daß ein Handels- oder Gewerbetreibender nicht mehr in der Lage sei, sich ausreichend über die neuen Gesetze zu informieren und diese im Sinne des Gesetz gebers zu exekutieren. Deshalb wurde den Magistraten befohlen, statt der im Rat vertretenen Bürger rechtskundige Experten aufzunehmen und zu besolden. Ihre Siegfried Haider, Gescliictite Oberösterreichs. Wien 1987, S. 260 f. Ebenda, S. 218 f.
Berufsbezeichnung lautete Syndikus. Diesen konnten je nach Größe der Stadt wei tere rechtskundige Beamte (= Magistratsräte) zur Seite gestellt werden.^ Der vormalige Stadtrichter wurde nunmehr (in Enns ab 1785)^ Bürgermei ster genannt. Seine Aufgabe bestand beinahe ausschließlich in der Repräsentation. Der Posten war deshalb bei unternehmerischen Bürgern äußerst unbeliebt, sollte aber, wenn er einmal angetreten war, bis an das Lebensende ausgeübt werden. Unkündbar waren ferner der Syndikus, der geprüfte Magistratsrat und zwei aus der Bürgerschaft gewählte Räte. Offiziell bestand dazu noch ein sechsköpfiger Wirtschaftsausschuß, dessen Mitglieder alle drei Jahre neu gewählt werden sollten, was aber oft vergessen wurde, sodaß die „Dienstzeit" auf zehn und mehr Jahre anwachsen konnte. Der Wirtschafts ausschuß hatte lediglich eine beratende Funktion. Das Kreisamt in Steyr hatte 1783 - bevor in Enns noch der neue Magistrat gebildet worden war (1785) - angeordnet, daß in Zukunft die frei werdenden Stellen des Bürgermeisters, des Stadtrichters und der Stadträte mit lang gedienten Militär personen zu besetzen seien. Gleichzeitig fragte man an, wie hoch denn das Einkom men für diese Stellen sei.' Dieses Ansinnen allein demonstriert zur Genüge, welch geringe Bedeutung diesen Amtern von Seiten des Staates beigemessen worden ist. Deshalb überrascht es nicht, daß von den 20 Wahlmännern, die ausschließlich aus dem handeltreiben den Bürgern genommen wurden, immer wieder fJandwerker in den Wirtschaftsaus schuß entsendet wurden, die in der Zeit vor den staatlichen Eingriffen keine Chance gehabt hätten, in ein städtisches Gremium gewählt zu werden. Zur politischen Entmachtung kam im Enns der zwanziger Jahre des 19. Jahr hunderts der wirtschaftliche Abstieg noch erschwerend hinzu, hauptsächlich hervor gerufen durch die Einstellung der staatlichen Salzschiffahrt, von der die Stadt jahr hundertelang gelebt hatte. Der bis in die Antike zurückreichende Handelshafen im Enghagen hat damals seine Bedeutung weitgehend eingebüßt. Schon 40 Jahre zuvor war der 1763 begonnene Betrieb einer Gotton-Fabrik in der Kristeiner Mühle, der glänzende wirtschaftliche Zukunftsperspektiven eröff net hatte, um 1787/88 nach Himberg in Niederösterreich verlegt worden.' Den Ennsern war die Fabrik aber ohnedies nur ein Dorn im Auge gewesen, obwohl sie gar nicht auf Stadtgebiet gelegen war. Da mögen die schlechten Erfahrungen, die man mit der Ansiedlung der Barchentweber aus Augsburg im 16. Jahrhundert^ und mit ' Wilhelm Rausch, Richard Bart und Emil Puffer, Die Gemeindevertretung der Stadt Linz vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1968, S. 12f. * Josef Amstler, Geschichte der Stadt Enns. Enns 1969, S. 73. ' Archiv der Stadt Enns (= AStE), Ratsprotokolle 1777 bis 1783, Sitzungen vom 16. April und 31. Juli 1783. ^ Haider, Geschichte (wie Anm. 1), S. 266. ' Josef Kaltenbrunner, Zur Geschichte der Barchentweberei in Österreich im 15. und 16. Jahrhundert. In: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 23 (1930), S. 76-93.
dem Zusammenbruch der mit so viel Elan begonnenen Tabakfabrik in der Stadt gemacht hatte/ noch nachgewirkt haben. Schließlich war noch in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts eine im Schloß Lerchenthal eingerichtete Strumpfmanufaktur nach wenigen Jahren wieder eingegangen. Sie wurde nach Poneggen bei Schwertberg verlegt und entwickelte sich dort zufriedenstellend.' Die Stadt und ihre Bewohner befanden sich also in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in keiner beneidenswerten Lage. Wie alle übrigen bürgerlichen Siedlungen hatte Enns unter der dreimaligen Eroberung durch Napo leon schwer zu leiden gehabt und sich nur ebenso schwer davon wieder erholt.^" Das Stadtregiment führten zu Beginn der vierziger Jahre die zwei geprüften Magistratsräte, der seit 1818 anwesende Franz Seraph Schmelzing, der 1835 zum Syndikus aufgestiegen war, und der aus Linz gekommene Andreas Wirk Bürger meister war seit 1831 der aus Neuhaus in Böhmen stammende Caspar Falk. Er war als Silberarbeiter im Jahre 1804 nach Enns gekommen und paßte als Beamtennatur durchaus in seine Zeit und auf seinen Posten." Innovationen waren von ihm nicht zu erwarten, ebensowenig wie vom Kreishauptmann Johann Ritter von Dornfeld in Steyr, und schon gar nicht vom in Linz residierenden Regierungspräsidenten Phi lipp Freiherrn von Skrbensky. Alle Macht ging von der Reichshauptstadt Wien aus, und das bis zur Perfek tion ausgebaute Spitzelwesen des Systems Metternich erstickte alle revolutionären Regungen bereits im Keim. In der Hofburg saß mit Kaiser Franz I. bis 1835 eine über aus willensschwache Persönlichkeit, und über die Regierungsfähigkeiten seines Nachfolgers Ferdinand schweigt sich die Geschichtsschreibung gewöhnlich mit besonderer Höflichkeit aus. So war die Thronfolge im Hause Habsburg ein Jahr zehnt vor der Revolution an einem Tiefpunkt angelangt. In einem seltsamen Kontrast dazu stand die Pflege eines geradezu enthusia stischen Herrscherkultes, der propagandistisch aufgebaut war wie nie zuvor in der Geschichte Österreichs. Die Idee vom gottgeschenkten Kaiserhaus wurde zu einem übersteigerten Patriotismus ausgebaut und die Liebe zur Herrscherfamilie trieb die seltsamsten Blüten. Auch für die Bewohner von Enns gab es kein schöneres Ereignis, als die Durchfahrt einer kaiserlichen Hoheit, die jedesmal Anlaß zu einem kleinen Volksfest gab. Und da Enns an der West-Ost-Tangente lag, kamen die Bürger stets auf ihre Kosten, wenn bei der Post am Hauptplatz die Pferde gewechseltwurden und man einen Blick auf die hohen Herrschaften werfen konnte, die übrigens gern die Gele genheit nützten, um ein paar Schritte zu machen und dem Volk gnädig zuzuwinken. Dn paar „herablassende" Worte vielleicht, mehr wagte man nicht zu erwarten. ' Edmund Friess und Oskar Schmid, Die Anfänge der ältesten Tabakfabrik in Österreich. In; Fachliche Mitteilungen der Österreichischen Tabakregie 1930, fi. 4, S. 3-7. ' Georg Grüll, Die Strumpffabrik Poneggen 1763-1818. In: Mitteilungen des OÖ. Landesarchivs, Bd. 6 (1959), 5. 5 ff. ' Josef Schicker, Geschichte der Stadt Enns. In: Festschrift zur siebenhundertjährigen Gedenkfeier der Stadtrechtsverleihung an Enns 1212. Enns 1912, S. 53 ff. Amstler, Geschichte, S. 73.
So konservativ diese Zeit des Biedermeier auf der einen Seite auch gewesen sein mag, fehlte es auf der anderen Seite doch nicht an ungeheuren Neuerungen, die für Enns jedoch nicht immer nur Gutes brachten: Als z.B. die Pferdeeisenbahn von Linz nach Gmunden fertiggestellt worden war (1838), kam der staatliche Salztrans port auf Traun und Donau endgültig zum Erliegen.Dies betraf nicht nur die Leute in Stadl-Paura, sondern auch die Schiffsknechte in Enns, die ihre Arbeitsplätze nun gänzlich verloren. Und schließlich sah man ein Jahr später auf der Donau etwas, was schier unmöglich war: ein Schiff, das sich von alleine stromaufwärts bewegte: Am 27. Sep tember stampfte das Dampfboot „Maria Anna" erstmals nach Linz. Für Enns jedoch war keine Schiffsstation vorgesehen. Das übrige Europa war der Habsburgermonarchie in technischen Belangen weit voraus. Aber das wußten hierzulandenur wenige, wie z. B. die GebrüderRädler aus Linz, Johann Grillmayr und Joseph Dierzer, die in Kleinmünchen die ersten Fabriken nach englischem Muster erbauten - mit Spinnmaschinen, die auf dem Kontinent zuvor nie gesehen worden waren. Zu ihrem Betrieb nutzten sie die Was serkraft der Traun und ihrer Nebengerinne." Auch in Enns gab es im vorigen Jahrhundert zu Beginn der vierziger Jahre einige wenige Männer, die nicht bereit waren, ihr ganzes Leben in biedermeierlicher Beschaulichkeit zu verbringen: allen voran der 1801 geborene Braumeister Ignaz Gruber, ferner Dr. Cölestin Gugger, Edler von Staudach, Arzt und an allem Neuen brennend interessiert, zwei Jahre jünger als Gruber, Ignaz Schuhbauer, Hufschmied und Tierarzt, 1804 geboren, Franz Mooshammer, Glasermeister, noch fünf Jahre jün ger, und der ganz junge Magistratsrat Andreas Wirl, der allmählich in die Fußstap fen des Syndikus Franz Schmelzing zu treten begann, der bereits alles in seinem Leben erreicht hatte. Die Gründung In dieses einerseits beschauliche Alltagsleben und in die andererseits sehr unbefriedigende wirfschaftliche Situation geriet zu Beginn des Jahres 1842 plötzlich ungeahntes Leben, ohne daß die Hintergründe für diesen geistigen Aufbruch zunächst ganz klar würden. Der Brauereibesitzer Ignaz Gruber lud Ende April die in Enns und Mauthausen wohnhaften Mitglieder des Innerösterreichischen Industrie- und Gewerhevereines für den 5. Mai in den Saal des Gasthauses „Zur Goldenen Krone" ein, um - wie im Schreiben steht - auf Wunsch der Mitglieder und nach dem Beispiel anderer Orter Maßnahmen zu treffen, um in Enns einen Zweigverein einzurichten." Franz Aschauer, Oberösterreichs Eisenbahnen. Wels 1964, S. 26 f. " Max Neweklowsky, Die Schiffahrt und Flößerei im Räume der oberen Donau. Bd. 2, Linz 1954, S. 19f. Helmut Lackner und Gerhard A. Stadler, Fabriken in der Stadt. Eine Industriegeschichte der Stadt Linz (= Linzer Forschungen 2). Linz 1990, S. 109ff. " AStE, Akten, Industrie- und Gewerbeverein, Einladung zur Sitzung vom 27. April 1842.
Unter den anätren Örtern waren vermutlich Linz und Steyr zu verstehen, vielleicht auch Waidhofen a. d. Ybbs, wo mit Regierungsdekret vom 6. April erst kürzlich ein Mandatariat (= Zweigverein) eingerichtet worden ward^ Beim Verein zur Beförderung der Gewerbs-Industrie in Steiermark und Illyrien han delte es sich nämlich um ein Unternehmen, das 1837 in Graz gegründet worden war und nach Wunsch seines Protektors, Erzherzog Johann, über die gesamte Monarchie Verbreitung finden sollted^ Unter Gewerbs-Industrie darf man für diese Zeit zunächst jedoch noch keine Fabriken im heutigen Sinn verstehen. Das Wort bedeu tete einfach „Gewerbefleiß". Nur sechs Jahre später, als sich der Verein von Graz aus mehr nach Norden und Westen orientiert hatte, wurde er 1843 in Verein zur Beförde rung und Unterstützung der Industrie und der Gewerbe in Innerösterreich und dem Land ob der Enns mit Salzburg umbenannt. Die Trennung zwischen Industrie und Gewerbe war darin bereits ausgedrückt. Sie hat sich aber nicht überall und nicht sofort durchge setzt. In Enns werden mitunter noch 1845 die Handwerker als Industrielle bezeichnet. Allerdings kann man darin auch eine reine Höflichkeitsgeste sehen, wenn man will. Die Zentrale in Graz verstand sich als Direktoriat, wobei den einzelnen Mandatariaten relativ freier Spielraum gelassen wurde, so lange sie finanziell kräftig genug waren. Doch war die Hälfte des jährlichen Mitgliedsbeitrages in der Höhe von fünf Gulden nach Graz abzuliefern, um damit die Agenden des Gesamtvereines finanzieren zu können. Erster Direktor war übrigens der Protektor Erzherzog Johann, der den Verein also nicht nur förderte, sondern ihm auch ein tätiger Vor stand war. Im Lande ob der Enns zählte der Verein Ende 1839 bereits 245 Mitglieder. Deshalb war in diesem Jahr für ganz Oberösterreich ein Mandatariat zu Steyr gegründet worden, dem die Mitglieder des gesamten Landes zugezählt wurden. Hauptinitiator für die Gründung dieser Zweigstelle dürfte der k. k. Katastralvermessungsinspektor Karl Schmutz gewesen sein.^® Er ist anschließend nach Linz berufen worden und hat sich in der Folge dort um die Förderung des Vereines gekümmert, zumal 40 der genannten Mitglieder im Jahre 1839 bereits in der Landeshauptstadt beheimatet gewesen waren." Als Vorstand in Steyr fungierte in Hinkunft der Eisen händler Josef von Koller.^® Am 12. Februar 1842 wurden nun die Steyrer Vorstandsmitglieder nach Linz eingeladen, wo Karl Schmutz vor dem Landespräsidenten Freiherrn von Skrbensky einen Vortrag hielt, der vermutlich darauf hinauslief, daß in Linz ebenfalls eine Zweigstelle errichtet werden sollte. Der Wortlaut ist uns nicht überliefert. Es ist auch unbekannt, ob die Vereinsleitungen in Steyr und Graz zuvor etwas von diesen Bestrebungen gewußt hatten. Vielleicht sind sie überrumpelt worden. Ein Ausschuß wurde gewählt, dem die Industriellen Joseph Dierzer und Franz Planck angehörten. " Ebenda, Verschiedenes. " William Gotting, Der oberösterreichische Gewerbeverein von 1842-1892. Linz 1893, S. Ulf. " Manfred Brandl, Neue Geschichte von Steyr. Vom Biedermeier bis heute. Steyr 1979, S. 117. " Götting, Gewerbeverein, S. IV. Brandl, Steyr, S. 117.
und Karl Schmutz ist zum Sekretär ernannt worden. Bischof Gregorius Thomas Ziegler, ebenfalls Mitglied des Vereines, stellte in seiner Residenz Lokalitäten zur Verfügung, denn die Zweigstelle verfügte bereits über eine eigene Bibliothek und auch eine Zeichenlehranstalt! Daraus wird beinahe zweifelsfrei ersichtlich, daß die Neugründung von langer Hand vorbereitet und gründlich geplant worden ist. Mit dem Prakhkanten der k. k. Baudirektion, Anton von Ursprung, stand auch ein Kustos für Bibliothek und Schule ante portas.^^ Bereits ein Jahr später war es den Linzern mit einer Subvention der Stände gelungen, von Baumeister Johann Metz ein Haus zu erwerben, das erst wenige Jahre vorher errichtet worden war.^^ Die Lehr anstalt wurde übrigens 1844 bereits von 272 Zeichenschülern besucht." Am I. April 1842 ist dann das Linzer Mandatariat behördlich genehmigt worden. Unter diesen Voraussetzungen kamen also am 5. Mai die Vereinsmitglieder von Enns und Mauthausen im Gasthof „Zur Goldenen Krone" zusammen, um nun ihrerseits ihrer Arbeit für die nächste Zeit eine organisatorische Grundlage zu ver schaffen." Zunächst einigte man sich darauf, zumindest einmal pro Monat eine Sit zung abzuhalten. Die Ennser Mitglieder allein sollten sich sogar jeden Mittwoch in der „Goldenen Krone" treffen, um den Gedankenaustausch zu pflegen. Die Gast stube wurde taxfrei zum „Casino" ernannt. Dr. Gugger hatte schon lange zuvor die Industriezeitung abonniert und bot sie nun den übrigen Mitgliedern zum Lesen an. In diesem Zusammenhang wurde der Wunsch geäußert, überhaupt ein Lese kabinett einzurichten, da die Mitglieder ohnedies Bücher vom Gesamtverein geborgt erhalten würden. Diese könnten hier aufgestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Vorgesehen dafür war ein Zimmer im Kaffeehaus des Vereinsmitgliedes Joseph Sterzel, das mit einer entsprechenden Tafel „Lesekabinett" zu kennzeichnen war. Auf Veranlassung von Ignaz Gruber und in Nacheiferung des Linzer Vorbil des hatte die Bürgerschaft schon einige Monate lang ein helles Zimmer im Minoritenkloster zur Errichtung einer Zeichenschule zur Verfügung gestellt. Dort wurden von Zimmermeister Azenhofer bereits 17 Schüler im Zirkelzeichnen unterrichtet." Der Zentralverein hatte dies angeblich bereits gewürdigt, Vorlageblätter und drei ganz neue Reißzeuge gespendet und überdies versprochen, die Schule weiter zu för dern. In Wahrheit waren es aber die Linzer gewesen, die den Fremden in Enns wie auch später stets unter die Arme gegriffen haben. Der eben im Entstehen begriffene Ennser Zweigverein übernahm nun diese Unterrichtsanstalt. Jedes Mitglied konnte einen Schüler nominieren, für den pro Gotting, Gewerbeverein, S. 1 ff. Es handelt sich um das Haus Steingasse Nr. 6, das seit 1851 die Realschule beherbergt. In: Hanns Kreczi, Linzer Häuserchronik. Linz 1941, Nr. 676. Gotting, Gewerbeverein, S. 7, AStE, Akten, Industrie- und Gewerbeverein, Protokoll vom 5. Mai 1842. " Herbert Kneifel, Die Gewerbevereins-Bildungsanstalt in Enns 1842-1848. Ein Beitrag zur Schulge schichte Oberösterreichs. In: Mitteilungen des Museumsvereines „Lauriacum" Enns, N. F. 9 (1971), S. 17-22, und derselbe in: Mein Enns. Beiträge zur Geschichte der ältesten Stadt Österreichs. Linz 1988, S. 278-283. Hier auch Angaben über die Lehrmittel und Lehrbücher.
Monat nur 10 Kreuzer an den Lehrer zu entrichten waren. Freie Schüler bezahlten 20 Kreuzer pro Monat. Eine neue Schulordnung wurde vom Stadtkämmerer Andreas Wieser entworfen, der auch zum Inspektor der Anstalt ernannt worden ist. Später sollte sie den anspruchsvollen Titel „Bildungslehranstalt" erhalten. Schließlich wurde Ignaz Gruber zum Lokalvorstand in Enns ernannt, für die Mauthausner übernahm diese Funktion der Marktsyndikus Josef Prachleithner. Lei ter des Lesekabinetts wurde das Vereinsmitglied Preinfalk, Veranstaltungsreferent Johann Lang und Protokollführer Magistratsrat Andreas Wirk Unterzeichnet wurde das erste Protokoll von 27 Mitgliedern. Damit war nun eine Zweigstelle gegründet, ohne daß irgend jemand von der Direktion oder der Behörde gefragt worden wäre, ein für die Verhältnisse des Vor märz eigentlich unerhörter Vorgang! Die Linzer wußten auch nicht recht, was sie mit dieser Zweigstelle anfangen sollten, da für ein Mandatariat und die Einrichtung einer Zeichenschule eine Mindestanzahl von 120 Mitgliedern Voraussetzung war, wie sich später herausstellte. Karl Schmutz empfahl deshalb den Ennsern, sich bei Briefen an die Grazer Direktion vorderhand der Vormulierung Mitglieder des Inneröskrreichischen Industrie-Ver eins oh der ennsische Ahtheilung zu Enns und Mauthausen zu bedienen.Die Linzer waren offensichtlich über die Abspaltung nicht böse und sorgten weiterhin für die Unter stützung des Ennser Zweigvereines. Der dortige Vereinskustos Anton von Ursprung schickte Zeichenutensilien für die Schule, darunter mehrere Pakete verschiedenes Zeichenpapier, bündelweise Bleistifte, Reißzeuge, Dreiecke, Tuschgläser, Radier gummi und verschiedene Farben zum Lavieren. Er wunderte sich bloß, daß die Enn ser Vereinsmitglieder so gar keine Bücher anforderten, obwohl sie doch zur Verfü gung stünden.^' Was „man" alles tun sollte Bereits bei der zweiten Monatssitzung sorgte eine Nachricht von Karl Schmutz für helle Aufregung; Mit großer Wahrscheinlichkeit würde der Direktor des Vereines, Erzherzog Johann, seine kaiserliche Hoheit, bei seiner Reise nach Deutschland in Enns Station machen und vielleicht den Verein und die Zeichen schule visitieren. Karl Schmutz meinte, man könnte bei dieser Gelegenheit ein Promemoria überreichen. Aber das war dem jungen Protokollführer Wirl viel zu wenig. Er schlug alles mögliche vor und dachte bereits darüber nach, was man dem hohen Gast alles vortragen sollte, über die bedrängte wirtschaftliche Lage der Stadt etwa und warum es dazu gekommen sei, welche Wünsche man habe, wie es um das Gewerbe in Enns überhaupt bestellt sei usw. Brief an Ignaz Gruber vom 12. August 1842; AStE, Akten, Industrie- und Gewerbeverein, Korrespon denz. Briefe vom 3. Mai und 7. Juli 1842: Ebenda.
Die Rede wollte er selbst halten. Außerdem sollte im kleinen Ratssaal eine GeWerbeausstellung organisiert werden. Im übrigen kam man überein, jeglichen Prunk zu vermeiden, weil man wußte, daß der Erzherzog davon nichts halte. Wirl brachte nun alles zur Sprache, was ihn offenbar schon länger geärgert hatte: z.B. der Mangel an Spinnmaschinen und an Wasserwerken, die verfehlte Ent wicklung des Webergewerbes, das meist ausländische und nicht inländische Pro dukte verarbeitete, noch dazu mit alten Webstühlen, bei denen keine Fußarbeit ein gesetzt werden konnte; er beklagte die schlechte Qualität des Innerberger Eisens, ferner die durch die Aufhebung des Salzamtes herbeigeführten Bevölkerungsverlu ste, die Abberufung der Garnison, das jegliche Fehlen kaiserlicher (= öffentlicher) Amter in der Stadt, er bedauerte die Einführung der Dampfschiffahrt und die zu große Geschwindigkeit der reitenden Posten, weiters die Unsicherheit in Bezug auf die Trassierung der künftigen Staatsbahn und - damit zusammenhängend - die Furcht, daß Enns zu weit von der Bahn abgelegen sein wird, und schließlich noch die fortschreitende Versandung des Römer- und Salzhafens im Enghagen. En passant wollte er anschließend die Lokalverhältnisse des Vereines ein streuen, um dann gleich wieder mit den Wünschen fortzufahren, die den Ennsern am Herzen lagen: die Wiedergewinnung einer Garnison, die Berücksichtigung des Salzhafens bei den staatlicherseits durchgeführten Wasserbauten an der Donau, die vor allem für die Dampfschiffahrt notwendig geworden waren, das Freimachen des alten Ennsarmes von der Liechtensteinmühle bis zum Kalkofen, der aus Nachlässig keit bereits seit 100 Jahren verschüttet war,^® die Errichtung einer Bahnstation nahe bei der Stadt und letztendlich noch die Anstellung eines Lehrers bei der Zeichen schule. Und weil der Protokollführer bei dieser Sitzung bereits in Fahrt gewesen war, schlug er auch gleich vor, was die Stadt machen sollte: Erhebungen pflegen, mit wel chem Aufwand der vorhin genannte Kanal wieder flottgemacht werden könnte und den Maurern und Brunnenmeistern das Studium der neuen Brunnenbaumethode in Langenstein zu ermöglichen, bei der nicht mehr gepölzt werden müsse.^' Er hat damit grosso modo auch bereits die kommenden Vereinsziele vor weggenommen. Vor allem das Kanalprojekt sollte in nächster Zeit stets auf der Tagesordnung stehen. Mit dem hohen Besuch sollte es jedoch zunächst nichts werden. Erzherzog Johann kam zwar am 28. August auf der Durchreise in die Stadt und nützte den halbstündigen Pferdewechsel zu einem Gespräch mit den Vereinsmitgliedern und den Honoratioren der Stadt, aber er war auf dem Weg zu großen militärischen Manövern im Rheinland und deshalb in Eile. So wurde denn doch das empfohlene Promemoria verfaßt und überreicht, in dem nichts von den Sorgen und Nöten zu Ursprünglich standen hier die Lichtenscheinmühle (Steyrerstraße II), die Jägl-Mühl (Steyrerstraße 3), die Stadtmühle (Lerchental 7) und die Mühl an der alten Bruck. Vgl. Herbert Kneifel, Müh len in der Stadt Enns. In: Mein Enns (wie Anm. 25), S. 313-319. AStE, Akten, Industrie- und Gewerbeverein, Protokoll vom 12. Juni 1842.
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