OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 2

einen engen geographischen Raum eingrenzen, und sie haben deshalb immer wie der Elemente zur Grenzüberschreitung vermittelt. Dies gilt in gewisser Weise auch für jene Menschen, die wenigstens für eine beshmmte Zeit auf ihren beständigen Wohnsitz verzichteten, um irgendwo außer halb Beschäftigung und Lebensunterhalt zu finden, die Wanderarbeiter. Sie gibt es in Niederbayern beispielsweise nicht erst seit dem 19. Jahrhundert, seitdem man Hop fen und Zuckerrüben anbaut. Früher kamen sie aus dem Bayerischen Wald, um bei der Ernte von Heu und Getreide zu helfen. Im Allgäu hat man auf diese Weise den zeitweiligen Bedarf an Hütpersonal gestillt durch die sogenannten Schwabenkinder, die alljährlich in großen Scharen aus Vorarlberg und Nordtirol ins Vorland gezogen sind. In Norddeutschland übte man über Jahrhunderte hinweg die Hollandgängerei, d. h. die saisonale Arbeitswanderung in die Niederlande, im wesentlichen, um Torf zu stechen und Ziegel zu brennen. Vom Austausch der Arbeitskräfte zu bestimmten Jahreszeiten ist fast jede deutsche Landschaft betroffen, entweder positiv durch einen Bedarf in einigen Monaten, oder negativ durch Abwanderung. Nicht zu gering sollte man ferner den üblichen Kontakt zwischen verschie denen Gebieten veranschlagen, der aufgrund des Handels, des Austausches von Gütern, zuwegekam. Eine Autonomie der landwirtschaftlichen Betriebe gibt es in Deutschland spätestens seit dem 13./14. Jahrhundert nicht mehr. In diesen beiden Jahrzehnten sind nämlich mehr als viertausend Städte gegründet worden, die alle für sich selber nicht existieren konnten, angewiesen waren auf Handelsbeziehungen untereinander und mit dem agrarischen Umland. Man braucht nicht nur an die weitreichenden Beziehungen der Regensburger und Nürnberger Kaufleute zu den ken; in jeder Stadt und jedem Markt tauchten Fremde mit ihren Wagen auf, passier ten Fuhrleute, die Güter aus entfernten Regionen transportierten, die Kunde von anderen Menschen, Sitten und Lebensweisen mitbrachten und mitnahmen. Seit man in der Geographie das Modell der zentralörtlichen Beziehungen aufgestellt hat, sind auch die Volkskundler etwas stärker auf die große Bedeutung aufmerksam geworden, welche gerade der Stadt als Ursprung und Vermittlungsort für kulturelle Entwicklungen auf dem flachen Land zukommt. Manche liebgeworde nen älteren Hypothesen mußten mittlerweile kassiert werden. So nimmt unsere Fast nacht sicherlich nicht ihren Ausgangspunkt von irgendwelchen kultischen Feiern, welche die noch nicht christianisierten Bauern einstens begingen, um den Segen der Feldfrüchte sicherzustellen, sondern alles verweist auf die Stadt als Ausgangspunkt: auf die Kostümfeste der Patrizier, die festlichen Gelage der Bürgermeister und Rats herren und die Umzüge von Metzgern und anderen Handwerkszünften, bevor die strenge Fastenzeit hereinbrach. Nicht recht viel anders ist es mit den Maibäumen, die heute nahezu jedes oberösterreichische und bayerische Dorf zieren. Hier wird man zur Erklärung nicht ansetzen dürfen bei dem Baumkult unserer germanischen Vorfahren, sondern bei den Soldaten des 17. Jahrhunderts, die in irgendwelchen städtischen Kasernen lagen und ihren Vorgesetzten oder den lokalen Honoratioren durch das Aufstellen eines geschmückten Baumes eine Freude machten und dafür ein Trinkgeld einstrichen, was der ganzen Unternehmung zunächst den entscheiden den Sinn verlieh.

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