OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 2

ebenfalls das Ihre zu einer kulturellen Durchmischung beitrugen. Zu nennen ist vor allem das Heer der Fahrenden, eine Sammelbezeichnung, unter der man alle jene Berufe und Sondergruppen zusammenfaßt, die gar nicht die Absicht hatten, sich für dauernd an einem bestimmten Ort niederzulassen. Dazu gehörten Spielleute und Musikanten, Gaukler und Jongleure, Schauspieler und Warenkrämer, Zigeuner und Juden, Bettler und arbeitslose Landsknechte. Hierunter fällt auch die nicht unerhebli che Zahl jener, die durch einen Gerichtsbeschluß aus ihrer Wohngemeinde vertrie ben worden waren, verwiesen aus der Gemarkung einer Stadt oder aus einem Terri torium oder gar „über die vier Wälder des Hl. Römischen Reiches". Das deutsche Rechtssystem vor dem 19. Jahrhundert hat durch dieses hilflos anmutende Mittel versucht, sich der Elemente zu entledigen, denen mit den üblichen Strafverfahren nicht beizukommen war. In Wirklichkeit hat man so ein Heer von entwurzelten Menschen geschaffen, die zwischen den einzelnen Territorien hin- und hergescho ben wurden. Gewiß, all diese Leute gehören nicht zu den Tonangebenden. Sie sind die Außenseiter der Gesellschaft, sie setzen nicht die Leitnormen fest. Doch völlig ver nachlässigt darf ihr Anteil an der Volkskultur auch wieder nicht werden. Zum einen haben sie untereinander durch bestimmte Formen der Kommunikation und Sprache (etwa das System der Gaunerzeichen und das Rotwelsch), durch ein eigenes Werte system und durch Sonderkenntnisse eine Art von Kultur aufgebaut, eine Subkultur vielleicht, aber immerhin eine in sich geschlossene Welt; und zum anderen hat die etablierte Welt der Bauern und Handwerker doch zur rechten Zeit Kontakte zu die sen outcasts gesucht. So hat man keine Feuersegen, d.h. magische Praktiken zur Bannung eines ausgebrochenen Feuers, so sehr geschätzt wie diejenigen der ZigeuEine besonders nachgesuchte Spezialität der Zigeuner war das Wahrsagen. Ein Beleg aus dem Jahr 17J9 zeigt, mit welcher Verbissenheit und unter welchem persönlichen Risiko man mitunter in den Genuß des zigeunerischen Wahrsagens kommen wollte. „Nachdeme die zu Stadtamhoff öffentlich ausgehauth und gebrandtmarchte Zigeiners Pursch zu Nittenau durch- und außer Landts geführt worden, so haben sich nachgesezte Persohnen straffbahrer Weis undernommen, sich des zur grösten Belaidigung Gottes geraichent, an sich selbsten aber höchst verbottenen Wahrsagens zu bedienen. Derowegen hat man ihnen ein solches ernstlich ver wiesen und nachligentermassen abgestrafft [Es folgen die Namen von 10 Frauen oder ledigen Mädchen aus Nittenau, welche eine Geldbuße bezahlen mußten. Unter den Leibstrafen finden sich dann nochmals 4 Frauen, darunter:] ... des Schottenhämbls Töchterl Margaretha, welche sich wahrsagen lassen, daß sie einen Geiger bekhombt, hat man durch der Schuellmaister abmessen lassen einen Ruettenschilling." Das höchste Interesse der Mädchen bestand also darin, zu wissen, ob und wann sie würden heiraten können. Und auf Gaukler und Spielleute wollte man bei keiner Kirchweih oder an einem Markttag verzichten, von den Diensten der Warenkrämer und Handelsjuden ganz zu schweigen. All diese Leute ließen sich durch ihre Lebensführung nicht auf

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