OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 2

Volkskultur = Regionalkultur in engen Grenzen?* Von Walter Hartinger Volkskultur ist ein Begriff, der innerhalb der Disziplin Volkskunde zentral ist, ja dessen eigentlichen Gegenstandsbereich er ausmacht. Wer in die Verlegenheit kommt, diesen Begriff definieren zu müssen, tut dies meist dadurch, daß er Volks kultur abgrenzt gegenüber anderen Erscheinungsformen von Kultur: gegen die Kul tur der Eliten, also gegenüber den selbstgeschaffenen Lebensformen von Adel, Geistlichkeit und Bürgertum, die sich auszeichneten durch ihre internationale Gel tung oder gegenüber dem Kulturverständnis der Völkerkundler, deren Forschungs interesse gerichtet ist auf die Kultur als solche, wie sie sich niederschlägt in grund sätzlichen Äußerungen des Rechts, der ästhetischen Gestaltung, der religiösen Gesinnung oder der Ordnung des sozialen Zusammenlebens. Demnach kommen für die Volkskultur enge Grenzen und kleine Räume in Sicht. Volkskultur = Regionalkultur - das ist eine der üblichen Umschreibungen, wenn man auf die räumliche Erstreckung sieht. Eine der Besonderheiten der Volks kultur besteht darin - so lautet eine immer wiederkehrende Vorstellung in der ein schlägigen Literatur -, daß sie nur gilt für ein einzelnes Dorf, ein Kirchspiel, eine Tal schaft, allenfalls für eine Provinz oder Region. 1978 war in München eine wissen schaftliche Arbeitstagung, welche auf das Grundsätzliche volkskundlicher For schung abzielte; sie gab sich das Thema „Regionale Kulturanalyse" (Protokollband München 1979, hg. von Helge Gerndt und Georg Schroubek). Oder das Symposion zu Ehren des 70. Geburtstages von Karl-Sigismund Kramer, einem der wichtigsten Repräsentanten der gegenwärtigen Volkskunde in Deutschland, im Jahr 1986 stand unter dem Motto „Historische Methode und regionale Kultur" (Tagungsband hg. von Konrad Köstlin, Berlin 1987). Wolfgang Brückner überschreibt seinen Beitrag zur Fachdiskussion der letzten Jahre mit „Volkskunde als Sozialgeschichte regionaler Kultur" (in: Industriegesellschaft und Regionalkultur, hg. von Wolfgang Lipp, Köln 1984, S. 71-88). Volkskultur wäre demnach die Kultur der kleinen Räume, Kultur in engen Grenzen. Dieser Aspekt findet eine zusätzliche Betonung, wenn man auf die soziale Streubreite der Volkskultur sieht. Auch hier werden oder wurden gern die Grenzen betont. Man sprach von den unteren und mittleren Sozialschichten, schloß aber häufig gleich die zahlenmäßig größten Gruppen aus, etwa die Städter - also Bürger, Handwerker und Industriearbeiter. Was noch verblieb, waren kleine Gruppen: die Bauern - eine seit 150 Jahren rapide zusammenschrumpfende Bevölkerungsgruppe Vortrag gehalten bei der 2. Jahrestagung des OÖ. Forum Volkskultur, 19. März 1994, Bildungshaus Schloß Puchberg bei Wels.

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