OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 2

Die oben angeführten Publikationen, fast gleichzeitig bei Duncker & Humblot erschienen, nähern sich dem Subsidiaritätsprinzip auf unter schiedliche Weise. Die von Merten herausgege bene gibt die Referate wieder, die bei den 4, Dei desheimer Gesprächen im Dezember 1992 gehal ten wurden. Osterreich war durch FöderalismusMinister Jürgen Weiss vertreten; er stellte „die Subsidiarität zwischen Bund und Ländern nach österreichischem Verfassungsrecht" vor (S. 53 ff.). Der Band wird eingeleitet durch Manfred Brun ner, der nach knapp vierjähriger Tätigkeit aus der EG-Kommission „zwar mit Eklat ausgeschieden (ist), aber nicht im Zorn", wie er eingangs sagt. Lechelers Buch ist eine systematische staatswissen schaftliche Darstellung. Es empfiehlt sich, zuerst sie zu studieren, und dann in dem Sammelband Mertens die unterschiedliche Beurteilung der „Subsidiarität Europas". Bleibt sie bloß ein „Zau berwort für Europa-Müde" („Die Zeit", 23. 10. 1992, S. 23), ist sie „nur ein Wort" (so der deutsche Verfassungsrichter Dieter Grimm in der „FAZ", 17. 9.1992) oder wird sie als Leitlinie für die Regionalisierung die EU zur Bürgernähe zurückführen? Nur wenn letzteres gelingt, wird die Zustimmung zu Europa von Dauer sein. Josef Demmelbauer Reinhold Zippelius: Recht und Gerechtigkeit in der offenen Gesellschaft. Berlin: Duncker & Humblot, 1993. 418 Seiten, S 1.155,-. Über das Wesen der Gerechtigkeit haben sich die größten Geister durch Jahrtausende den Kopf zermartert. Worin sie besteht, läßt sich eindeutig nicht festlegen. Was sie aber nicht ist, kann an vie len Beispielen gezeigt werden, etwa an der Gleich setzung des eigenen Rechtsanspruches, des Rechthabenwollens mit ihr. Insofern ist die Gerechtig keit ein viel mißbrauchterer Begriff als - heute - die Demokratie. „Es ist das Los des Juristen, Antworten auf Fragen des Rechts und der Gerechtigkeit in einem experimentierenden Denken zu suchen, ohne je an ein Ende zu gelangen." Mit diesem Einleitungs satz aus dem Vorwort gibt der Staatsrechtler und Rechtsphilosoph Zippelius - wie bereits im Titel - seine Nähe zum Denken Sir Karl Poppers zu er kennen. Auch in der Entwicklung von Staat und Gesellschaft sind Züge experimentierender Lern prozesse auffindbar, etwa die Stein-Hardenbergschen Reformen als geistige Quelle der Gemein deordnungen (S. 58). In 35 Kapiteln sind Arbeiten des Verfassers zu Themen zusammengefaßt, die hier nicht im einzelnen aufgezählt werden kön nen, die aber weit über das hinausgehen, was ge meinhin unter juristischen Themen verstanden wird: Die „Rückseite des Spiegels" (Konrad Lo renz) spürt Erträge der Soziobiologie für die Rechtswissenschaft auf (S. 96), vom Ideal freier Meinungsbildung führt der Weg zu den Monopo len mächtiger Zeitungskonzerne. „Recht und Mo ral" spricht den Theologen an (S. 133), „Anfang und Ende des Lebens als juristisches Problem" (S. 298) geht Fragen der künstlichen Befruchtung und der Sterbehilfe nach, geht also jedermann ebenso an wie zum Beispiel die „Garantie der Menschenwürde", wobei nach christlicher Vorstel lung dem Menschen durch seine Gottebenbild lichkeit ein Eigenwert zukommt, durch den er sich von allen anderen Geschöpfen abhebt. Im „Jahr der Familie" (1994) gebührt der „Auflösung inte grierender Lebensgemeinschaften" (S. 165) eine ebenso geschärfte Aufmerksamkeit wie der „welt anschaulichen Verunsicherung" (S. 168). Den Päd agogen bringt die „Erziehung zum Bürger" (S. 126) vielfältige Anregungen und vermittelt ih nen „Gedanken zur staatsbürgerlichen Erziehung" (Eduard Spranger). Der Beamte ist durch den Bei trag über das Berufsbeamtentum als „neutrale Ge walt" angesprochen (S. 212), das in Maastricht be schworene „Europa der Regionen" ist der Beweis für „die Modernität des Föderalismus" (S. 202). Diese wenigen Hinweise zeigen den in diesem Buch gesammelten Gedankenreichtum seines uni versell gebildeten Verfassers nur stückhaft auf. Dieses Buch kann man immer wieder zur Hand nehmen, um sich daraus Anregungen und Ant worten zu holen. Josef Demmelbauer Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungs rechts. (Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1.) Baden-Baden: Nomos-Verlag, 1993. 349 Seiten, DM 98,-. Versuche, den Begriff „Allgemeines Verwal tungsrecht" zu definieren, gibt es die Fülle. Merkl (Allgemeines Verwaltungsrecht, 1927, S. 91) hat darauf hingewiesen, daß damit - korrekt ausge drückt - die Allgemeinen Lehren des Verwal tungsrechts gemeint sind. Diese können auf der

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