OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 1

Peter Rosegger: Lebens-Beschreibung und Die Schriften des Waldschulmeisters. Herausgege ben und mit einem Nachwort von Karl Wagner. ("= Eine österreichische Bibliothek) Salzburg: ResidenzVerlag, 1993. 381 Seiten, S 398,-, ISBN 3-7017-0805-3 Der Salzburger Residenz-Verlag bietet nach Abraham a Sancta Clara einen Roseggerband, in dem Karl Wagner mit einem umfangreichen Nachwort tiefschürfend auf 39 Seiten vom „Auf bau des Waldschulmeisters" über „geknickte Le bensläufe oder ländliche Therapie" bis zur „päd agogischen Insel" vorzustoßen sucht. Der Heraus geber stellt als Gegengewicht zu dieser abgründi gen Interpretation an den Anfang des Buches Roseggers eigene früheste (kindliche) „LebnsBeschreibung eines Baern Sohnes auf der Alben Kriglach" aus 1858/59. Das Wagnersche Nachwort „Roseggers Robinsonade: Die Schriften des Wald schulmeisters" beruht auf des Verfassers Buch: „Die literarische Öffentlichkeit der Provinzlitera tur. Der Volksschriftsteller Peter Rosegger. Tübin gen 1991". Eigenartigerweise bedient sich der vor liegende Text unter vielen Möglichkeiten entspre chender Rosegger-Ausgaben jener von Hartleben 1881 und nicht der von Rosegger selbst beaufsich tigten vierzigbändigen Endausgabe bei Staackmann in Leipzig aus den Jahren 1913 bis 1916. Wenn man schon eine spezielle Waldschulmeister ausgabe als Fundament für eine „österreichische Bibliothek" zu nehmen gedenkt, warum dann nicht die „Waldschulmeister-Sonderausgabe" von 1908, die nach 80 vorhergehenden Auflagen gele gentlich der Einweihung des Roseggerschen Waldschulmeister-Denkmals in Kapfenberg zur weiteren Popularisierung dieses Werkes beitragen sollte? Es klafft das Einst und Heute auseinander, denn es ist völlig unterschiedlich, was Rosegger einst mit seinen Schriften bewirken wollte (und bewirkte) und was die heutige Literaturwissen schaft daraus machen möchte. Die vorliegende In terpretation verbarrikadiert sich hinter dem Schlagwort „Robinsonade" und ist nicht bereit, die landläufige Rosegger-Legende zu verstehen. Einen Mustersatz verzweifelter Gelehrtendiktion liefert Wagner bereits am Anfang seiner Fremd wort- und fachausdrucksgespickten NachwortAbhandlung: „ Die zumindest partielle Fiktionalisierung des wirklichen Autors und der quasi wirkliche Status seiner Figuren, die sich in den Po sen der Rosegger-Denkmäler materialisiert haben, sind Ausdruck eines Rezeptionsprozesses, der sich gerade durch die Entkopplung vom Text in Gang hält..." Dieses pittoreske Fachkauderwelsch schreckt ab und läßt den erwartungsvollen Leser reumütig und unbelehrt (ohne Nachteil) zum Roseggertext zurückkehren. Die steirische Landesausstellung 1993 zum 150. Geburtstag und 75. Todestag von Peter Ro segger hat ein gutes Gespür bewiesen, weil der zeitweilig verdrängte Volksschriftsteller und un bequeme „Heimgarten"-Herausgeber gegenüber einer aus den Fugen geratenen literarischen und li teraturwissenschaftlichen Entwicklung jüngst für sich, aus sich und mit seinen offenherzigen An sichten an Boden zurückgewinnt. Natürlich sehen sich Hochschulgermanisten für die letzten zwei Jahrhunderte einer ungeheuren Flut von Schrift stellerpublikationen gegenüber, die sich strecken weise nicht in ein Beckmesser-Paradigma ein fügen lassen. Man kann nicht oberflächlich das Unliebsame unter dem degradierenden Begriff „Trivialliteratur" sammeln, Robinsonaden, Hei matroman und mancherlei anderes. Derlei Holz hammermethoden rächen sich über kurz oder lang. Rosegger läßt sich nicht auf diese Weise um seine Beliebtheit bringen, weil bei ihm etwas mit schwingt, was nicht theoretisch, sondern aus dem Leben selbst erwachsen ist. Diese persönlichen Schwingungen lassen sich besonders genau an seinen „Heimgarten-Notizen" ablesen, weil er in ihnen für die Sorgen der Menschen faßbare An sichten bietet. Anläßlich der Enthüllung des Wald schulmeisterbrunnens zu Kapfenberg 1908 notiert er im „Heimgarten" (32. Jahrgang, 11. Heft, S. 866): „... Das Denkmal ehrt nicht bloß den Ort, den Dichter und die Dichtung, es ehrt die altruisti schen Ideale, die in den Schriften des Waldschul meisters zu gestalten versucht wurden, es ehrt den Volkslehrer und den Lehrstand überhaupt... Der Waldschulmeister versinnbildlicht den Lehrer des Volkes; das Reh gemahnt an das halbwilde, flüch tige, allmählich traulich werdende Waldvolk, das durch Lehre und Erziehung zur Kultur herangezo gen wird ..." Die Fortsetzung dieses Gedankens steht im Waldschule-Abschnitt seines Bandes „Mein Weltleben, neue Folge", S. 337: „... Der Leh rer muß ... nicht bloß Schulmeister, sondern auch Führer und Freund der Kinder und treuer Anwalt der ganzen Bevölkerung sein. Er muß die Leute nehmen, wie sie sind, er muß sie achten und lie ben lernen und er muß ihre Achtung und Liebe gewinnen ..." Roseggers eigene Waldschulmei ster-Interpretationen sind für den Hausgebrauch erdacht und keine hochwissenschaftlichen Wort-

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