eher betrifft, ist enorm. Diese Augenblicksfixie rung der Mühlviertier Mundart entspricht der Vorliebe unserer Generation für dialektdegene rierte Wortmodulationen. Allerdings stören man cherlei Ungenauigkeiten. Zum Beispiel steht dem Milfaitschen „aban" (Weichen der Schneedecke) im „Wörterbuch zur oberösterreichischen Volks mundart" von Jungmair/Etz, dem derzeit gültigen Standardwerk auf diesem Gebiet, gegenüber: „abern, schneefrei werden". Ist der Sprechunter schied nun auf oberflächliche Aufzeichnung oder auf echten Sprachwandel zurückzuführen? Die Klärung dieses Phänomens wäre bedeutungsvoll. Milfait/Landgraf lassen aber den Leser im Stich. Dabei heißt es in ihrer Einleitung, Seite 7: „Jeder Markt, jedes Dorf und manchmal auch jedes Haus hat seine eigenen Bezeichnungen und unterschei det sich im Tonfall der Sprache von seinen Nach barn." Das stimmt. Doch bei der Auslegung sol cher Unterschiede beginnt das Aufregende leben diger Sprachdeutung, denn es läßt sich daraus mancherlei über Entwicklung und Einstellung des angesprochenen Lebensraumes schließen. Gerade die Sprache, die eben nicht bloß „ein Gemisch von Verballhornungen und unbekannten Sprachele menten" ist, könnte wie kaum etwas anderes die traditionsreiche Eigenentwicklung dieses Men schenschlages beweisen. Dafür liefern die Verfas ser des zu besprechenden Buches selbst einen Be weis, indem sie manchmal einer menschlichen Deutung ihrer geduldigen Aufzeichnungstätigkeit nicht abgeneigt sind. So wird zum Beispiel beim Schlagwort „reuten, reiten" über den Wortsinn hinaus zu einer umfangreichen Klarstellung über „Schaffung von Siedelraum" ausgeholt. Die sol chermaßen zusammengetragene Abhandlung über „Rodung" wird aber nicht beim Begriff „schlag" fortgesetzt, wo doch diese beiden Begriffe für den gleichen Vorgang die Möglichkeit eröff nen, sogar die Zeitfixierung der Entstehung einer Siedlung festzulegen. Damit ist die Besprechung zum zweiten Ab schnitt gekommen, zu jenen Wortinterpretatio nen, die sich mit Brauchtum und Allgemeinwis sen beschäftigen. Das vorliegende Buch bietet ne ben ausgezeichneten Artikeln, wie über Erdställe und Holzburgen, viel Oberflächliches. Beim Schlagwort „Siedler" zum Beispiel wird unerwar teterweise die Bevölkerungssituation des Mühl viertels in der Völkerwanderungszeit unter die Lupe genommen. Weil dafür die bisherigen Er kenntnisse spärlich fließen, steht der Leser den von den Verfassern gegebenen Informationen be sonders aufmerksam gegenüber. Doch hinter den knapp geformten Sätzen, die wie endgültige Aus sagen klingen, steht kein abgesicherter Beleg. Es scheinen eher Aussagen zu sein, die von an derswo aus dem Zusammenhang gerissen wur den. Natürlich tauchen auch die Heruler mit ih rem Überfall auf loviaco (nicht: Joviakum) auf, wie es Eugippius überliefert. Wenn sie aber er wähnt werden, dann müßte man darauf eingehen, daß die Gegenwart sie als das altertümlichste ger manische Volk der Völkerwanderungszeit ent deckt hat, wie es gerade jetzt Dr. Arnulf Krause im Magazin für Kultur und Geschichte „Geschichte" nachweist. Anschließend schreiben Milfait/Land graf: „Endlich kamen die Slawen. Diese hatten keine eigenen Kulturen. Die Slawen waren Slowe nen und wurden bald von den Bayern verdrängt." So einfach darf man sich die Völkerwanderungs zeit nicht machen! Bleiben wir beim Brauchtum, etwa beim Pillwiß, worüber das Schlagwort „Durischnitt" infor miert. Die Ungereimtheiten beginnen nicht damit, daß ohne Hinweis bald Pillwiß, bald Bilwis ge schrieben wird, sondern dadurch, daß man sich eines in den „Heimatgauen 1925", S. 63, abge druckten Artikels von Johann Sigl (Kleinzell) be dient. Was im Besprechungsbuch von 1993 steht, ist ein Flickwerk aus der Sigl-Arbeit und den An schauungen der Autoren Milfait und Landgraf, ohne daß klar ersichtlich ist, was von wem stammt. Die Übernahme eines vor Jahren entstan denen wissenschaftlichen Textes kann nicht so weit gehen, daß man Satzpartien von anno dazu mal über mehrere Zeilen hin einfach in die eigene Denkfolge ohne Anführungszeichen wörtlich übernimmt, wobei mittendrin Jahreszahlen be denkenlos umgeändert werden. Eine Parallele fin den wir beim Abschnitt „Schwärzbiachl", wo un ter anderem der antike Schriftsteller Aelian zu „Aelien" wird (Heimatgaue 1935, S. 64). Am bedenklichsten ist, daß unserem Buch beim Entstehen ein Korrektor gefehlt hat. Die Skala der einschlägigen Bemängelungen reicht von unverzeihlichen Rechtschreibfehlern (z. B. S. 215: „Bischen" für Kleinigkeit - S. 355 bei „schwärze Hea": „Das abwährende Tieropfer ...") bis zu unerklärlichen Ausrutschern (z. B. S. 161 bei „G'wismacha gehn": ... Elternn) und irrefüh renden Ungenauigkeiten, wie beim sonst brauch baren Artikel über die „Schwedenschänzn", wo peinlicherweise der einschlägige Schwedengene ral Torstensson „Tostenson" geschrieben wird.
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