in welcher ihm die Fensterreihe eher der heiteren Pracht eines mittelalterlichen Rathsaales, als der Strenge einer Kirche zu entsprechen scheinen'^ Die Begeiste rung des Bauherrn Rudigier für die Pläne ließ keine Änderung zu. Um 1900 wendet sich die Kritik am Historismus ins Bösartige. Cornelius Gurlitt schreibt: „Ferstels erster großer Erfolg war, daß er 1854 für die Wiener Votivkirche den Preisgekrönten Entwurf schuf; es war eine Nachbildung französischer Ka thedralen, eine große Leistung, wenn die Nachbildung wirklich eine solche sein kann. Als solche darf man sie nicht für ganz voll nehmen, da sie ja nur ein sehr großes und sehr schönes Spielzeug ist. Man darf dabei aber nicht vergessen, wann sie entworfen wurde, nämlich zu einer Zeit, da es noch ein Verdienst war, die Gotik nicht ganz in den trockenen Formen zu handhaben, die Vincenz Statz am Dom zu Linz vom Rhein nach Osterreich versetzte, oder mit der Mokker den Prager Dom vollendete."^'' Erika Doberer hat in ihrem Aufsatz „Ein Dom des 19. Jahrhunderts" die Bau ten herauszufinden versucht, bei denen Statz möglicherweise Anleihen gemacht hat, und weist die Einzelformen des Lin zer Domes auf ihre mittelalterlichen Ur sprünge zurück. Sie übersieht dabei je doch, daß Statz es trotz mancherlei nachweisbarer Detailübereinstimmun gen zu einem einzigartigen Gesamt kunstwerk gebracht hat. Es liegt denn auch ganz im Sinne der Kölner Schule, traditionelle Einzelformen in ein neues, organisches Ganzes einzubringen. Im Linzer Dom scheint das, verbunden mit der erhaltenen Ausstattung, in einzigar tiger Weise gelungen. Glücklicherweise ist es den Kunst werken des 19. Jahrhunderts inzwischen selbst gelungen, durch ihre Qualität, ihre Schönheit, ihre kostbare Ausstattung und anderes mehr auch von Fachleuten als solche überhaupt anerkannt zu wer den. Vor genau vierzig Jahren, am 7. Juli 1954, ließ Albert Verbeek in einer glän zenden Festrede"^ die Fachwelt aufhor chen, in der er auf das politische, geistige und künstlerische Umfeld des Histo rismus hinwies und die Qualitäten sei ner Kunst, insbesondere der Architektur, herausstellte. Auch der Linzer Dom erfreute sich inzwischen einer zusehends wachsenden Gunst der Bevölkerung, auch Kunsthi storiker entdeckten seine Qualitäten: Willi Weyres schließt in seiner 1975 er schienenen Biographie über Vincenz Statz seine Betrachtungen mit den Wor ten: „Man wird dem Linzer Dom mit der Zeit immer mehr gerecht. Er gehört, vor allem im Langhaus, zu den besten Lei stungen des 19. Jahrhunderts."^® Jungmair über Stifter, abgedruckt in: Jungmair, Adalbert Stifter als Denkmalpfleger, S. 141. Cornelius Gurlitt, Kunst des 19. Jahrhunderts, Berlin 1899, S. 327. Albert Verbeek, Rheinischer Kirchenbau im 19. Jahrhundert, Festvortrag bei der Feier des hundertjährigen Bestehens des Vereins für christliche Kunst im Erzbistum Köln und Bi stum Aachen. Weyres, Vincenz Statz, S. 115.
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