OÖ. Heimatblätter 1994, 48. Jahrgang, Heft 1

Christian Treffer: Staatshaftung im Polizeirecht. Bd. 641 der Reihe „Schriften zum öffentlichen Recht". Berlin: Duncker £r Humblot, 1993. 140 Seilen, DM 68,-. S 531,-. Die Welt wird brutaler, auch bei uns, auch in der Heimat ist die persönliche Sicherheit keine Selbstverständlichkeit mehr. Es sind nicht Über griffe der Polizei, die diese Feststellung herausfor dern, sondern es ist Gewalt gegen Menschen, teils im Naheverhältnis, teils gegen Unbeteiligte, man könnte sagen: im Gelegenheitsverhältnis, wie der jüngste Mord im Donaukurier bei St. Florian am Inn an zwei bayrischen Grenzpolizisten zeigte. Die Rechtsordnung war die längste Zeit, der rechtsstaatlichen Tradition folgend, nur auf die Staats- oder Amtshaftung zum Schutz des ge schädigten Bürgers ausgerichtet, in Deutschland, wie die vorliegende Untersuchung über das Poli zeirecht - mit vielen anschaulichen Beispielen, z.B. S. 74/75 und S. 101/102 - ausweist, ebenso wie in Osterreich, wo dem „alten" Amtshaftungs gesetz ein Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetz im Jahr 1988 an die Seite gestellt wurde. Kaltblü tige Morde an Polizisten und Gendarmen führten erst 1992 zu einem Bundesgesetz, dessen Ziel be sondere Hilfeleistungen an Wachebedienstete des Bundes und deren Hinterbliebene ist. Für die Hin terbliebenen der beiden bayrischen Grenzpolizi sten wird es wohl eine vergleichbare Hilfe geben (müssen). Die Lektüre der „Staatshaftung im Polizei recht" schärft den Blick des Bürgers auf seine Rechte, z.B. bei Eingriffen in seine Vermögens sphäre, im polizeilichen Notstand oder gar bei Rechtswidrigkeit, sie öffnet ihm aber auch den Blick dafür, wie gefährdet die Exekutivbeamten heute selbst sind. Josef Demmelbauer Mathilde Köhlen Amalie von Gallitzin. Ein Le ben zwischen Skandal und Legende. Paderborn: Ferdinand Schöningh, 1993. 270 Seiten und 16 Seiten Abbildungen. DM 48,- / S 375,-. Vor einigen Monaten lief im Fernsehen ein zweiteiliger Film über die religiöse Raserei der Wiedertäufer und ihr Ende in Münster. Ein Jahr hundert später wurde dort der Dreißigjährige Krieg beendet (1648 Friede von Münster und Os nabrück). Anfang Dezember 1792 war Goethe nach dem gescheiterten Frankreich-Feldzug der alliierten Preußen, Österreicher, Sachsen und französischen Emigranten gegen die Revolutio näre von 1789 nach Münster gekommen, in den „Kreis von Münster", dessen Mittelpunkt die Für stin Amalie von Gallitzin, geb. Gräfin von Schmettau (1748-1806), war. Der Magus des Nor dens, Hamann, der Freund Kants, wenn auch sein geistiger Widerpart, der Lehrer Herders, bewun dert von Goethe, war dort vier Jahre vorher ge storben. In Goethes „Campagne in Frankreich", 1822 erschienen, ist dem Freundeskreis um die Fürstin Gallitzin ein episodenhafter Abschnitt ge widmet: „Nach den Feldzugserlebnissen ist Mün ster der erste Ort, wo den Wandernden ungetrüb ter Friede empfängt. Die Frömmigkeit ist welt offen, sie hat nichts SenHmental-Schwärmerisches an sich, sie verbindet sich mit Natürlichkeit und Tätigkeit, mit dem Interesse für Philosophie und Kunst und mit Takt gegenüber dem Andersden kenden." (Nachwort in Bd. 10 der Hamburger Ausgabe von Goethes Werken, dtv, S. 663.) Ein prägendes Mitglied des „Kreises von Münster" war der Domherr und Staatsmann Franz Freiherr von Fürstenberg (1729-1810), der als der künftige Fürstbischof von Münster galt, aber dem jüngsten Sohn Maria Theresias, dem Erzherzog Max Franz, weichen mußte. Das Leben der Fürstin Gallitzin spannt sich vom Ancien regime, der unbeschwertesten Zeit der Neuzeit - freilich nur für die Besitzenden -, hinein in die Wirren der Französischen Revolution, in der Goe the anläßlich der Kanonade von Valmy den ebenso bekannten wie treffenden Satz prägte: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus..." Es endete 1804, in den An fängen der großen Napoleonischen Kriege. Die Fürstin war hochgebildet, natürlich, indem sie die Lehren Rousseaus wörtlich nahm, und fromm. Der Kreis ihrer Freunde reichte vom Aufklärer Di derot bis zum schlichten Matthias Claudius, Ha mann und Goethe wurden ja schon erwähnt. Die Lektüre dieser Biographie bringt dem Le ser eine hohe Stufe verinnerlichter Kultur nahe, die es heute nur in ganz vereinzelter Form noch gibt. Dieser Vergleich zeigt, daß wir es, von den rühmenswerten Fortschritten in Medizin und Technik abgesehen, in Staat und Gesellschaft zu letzt doch nicht so herrlich weit gebracht haben, wohl nur in der Weltraumfahrt „bis zu den Ster nen weit". Josef Demmelbauer

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