OÖ. Heimatblätter 1993, 47. Jahrgang, Heft 4

modernen Tourismus sinnlos gewesen wären. So haben diese Bräuche heute mehr und deutlicher als früher eine doppelte Funktion: Nach innen und nach außen gerichtet."^^ Als Beispiel dafür nennt er das Nikolausspiel in Mitterndorf. Ganz in diesem Sinne hat schon F. C. Lipp vorgeschlagen, „unter ,Folkloris mus' nur jene Fälle bzw. Fakten zu begreifen, die von dritten Personen (d. h. nicht von den Ausübenden selbst) bewußt als Schau aufgezogen werden ... Das ganze Phänomen des Folklorismus fällt ja, wie inzwischen längst klar geworden ist, unter den Oberbegriff der ,Veranstaltung' oder des ,Theaters'. So wie es gutes oder schlechtes Theater gibt, gibt es guten oder schlechten Folklorismus."^' Diese vielleicht doch etwas zu weite Begriffsauslegung enthebt keineswegs der Aufgabe, sich vehement gegen einen Etikettenschwindel zu wehren. Der Auftritt z. B. einer Fasnachts-Maskengruppe aus einem Tiroler Dorf in der Linzer Landstraße im Sommer, eingeladen zur Innenstadtbelebung und Geschäftspropaganda, ist - auch wenn die Masken noch so gut und traditionell ihre Sprünge vollführen - keine Darstellung des betreffenden Brauchtums, sondern negativer Folklorismus. Als Brauchtum deklariert, diente diese „Aufführung" nur kommerziellen Interessen. Genauso ein Etikettenschwindel ist es, wenn Innovationen als „uralt", als „ursprüng lich", als „typisch" usw. verkauft werden, ohne es zu sein. Enorm ist der Etikettenschwindel vor allem auch häufig bei der Bezeichnung „volkstümlich", und hier wieder insbesondere im Bereich der Volksmusik. So gut und notwendig es ist, die überlieferte Volksmusik (die allerdings auch nur selten so alt, so ursprünglich, so ortsgebunden ist wie gelegentlich behauptet) von der Schnulzenmusik, etwa der „volkstümlichen Hitparade" zu unterscheiden, volkstüm lich ist diese auch nur im Hinblick auf ihre Beliebtheit. „Die Publikumswirksamkeit und Breitenwirkung des Genres liegt meiner Ansicht nach nicht primär darin, daß es von der Promotion her als ,Volksmusik' verkauft wird, sondern wie es präsentiert wird und welche inhaltlichen Signale gesendet werden."^® Besonders arg wird es, wenn mit dem Etikettenschwindel auch noch ein Absturz in den Klamauk stattfindet, und das alles unter dem Deckmantel Volkskul tur. Verlogenheit und Klamauk sind auch Attribute, die nicht selten den sogenann ten „Volksstücken" anhaften, die mitunter auch von Amateurtheatergruppen gespielt werden, wobei beides zumeist zu Lasten des Bauerntums geht. Vieles konnte gerade im Amateurtheaterbereich zum Besseren gewendet werden, der sich schon seit län gerem darum bemüht, „denn das lebende Theater ist ein Garant für die Erhaltung und Weiterentwicklung unserer Volkskultur", wobei eine der Voraussetzungen ist, „einen Weg zu finden, der eine Förderung junger Autoren zeitgenössischer Volks und Laienspiele ermöglicht".®' " Konrad Köstlin: Zur Volkskultur. In: Dokumentation der Sommerakademie Volkskultur 1992 in Altmünster/Gmunden, hrsg. v. Österr. Volksliedwerk, Wien 1992, S. 19. " Franz C. Lipp: Folklorismus-Aspekte. Zur Bedeutung des Folklorismus in der gegenwärtigen Volks kultur. In: Folklorismus (= Neusiedler Konfrontationen I), Neusiedl am See 1982, S. 155. Christian Glanz: Volksmusik, volkstümliche Musik und Schlager. In: wie Anm. 36, S. 155. Helmut Ortner: Amateurtheater heute. In: OÖ. Heimatbk, 31. Jg. (1977), S. 153.

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