„Folklorismus": Kommerzialisierung und Etikettenschwindel? Der Begriff „Folklore" reicht in angelsächsischen Ländern bereits in die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurück und ist durchaus mit Volkskunde zu übersetzen. Neu hingegen ist die Bezeichnung Folklorismus/' womit volkskulturelle Erschei nungen gemeint sind, die aus ihrem gewachsenen Umfeld und ihrer ursprünglichen Funktion herausgelöst werden. Nicht selten werden sie dabei auch verändert und kommerziell verwertet. Das trifft insbesondere auch auf viele der fälschlich so bezeichneten „Heimatabende" zu. Schier unzählige Tagungen und Symposien sind in den letzten Jahren zu die ser Thematik veranstaltet worden, die „Prostituhon der Volkskultur" anprangernd, sicher meistens zu Recht, aber dabei doch häufig vergessend, daß auch dieses Phä nomen nichts Neues ist. Hätten z.B. nicht schon bald nach seinem Entstehen mehr oder minder zufällig Zillertaler Nationalsänger das mittlerweile weltbekannte Lied „Shlle Nacht" kennengelernt, in ihr Programm aufgenommen und im In- und Aus land - 1839 erstmals in den USA - vorgetragen, es wäre wohl ein schlichtes weih nachtliches Volkslied für das obere Innviertel und den angrenzenden Flachgau geblieben. Ein gegenwärhger „Hit" ist das „Hiatamadl", ein altes Volkslied, das durch die Interpretahon des Hubert von Goisern aus der weitgehenden Unbekanntheit zu einem Schlager wurde, der die Kassen klingeln läßt. Hubert von Goisern „hat einen frischen Wind in die Volkskulturlandschaft gebracht, es wird etwas bewegt, und so mancher überholter, antiquierter Putz beginnt langsam abzubröckeln'V schreibt A. Jalkotzy, der sich jüngst mit derarüger Kommerzfolklore auseinandersetzte, die in der Tourismusbranche gang und gäbe ist. Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen und betreffen vor allem auch das sogenannte „Schaubrauchtum" (z.B. Micheldorfer Georgiritt, verschiedene Faschingsumzüge, die Seeprozessionen zu Fronleichnam usw.), das auch nicht erst in jüngster Zeit tourishsch vermarktet wird. In seiner „Kritik an der Folklorismuskriük" schreibt H. Bausinger u.a.: „Die allgemeine Verflechtung in die wirtschaftliche Situation - und sie ist beileibe kein Novum! -, der Gewinn Einzelner und auch das Geschäft der Massenmedien mit dem Thema Brauch dürfen nicht dazu führen, daß alle folkloristischen Tendenzen unter dem alleinigen Gesichtspunkt der Kommerzia lisierung gesehen werden."^' K. Köstlin bringt in diese Auseinandersetzungen um „Volkskultur aus zwei ter Hand" einen weiteren beachtenswerten Aspekt ein: „Der Tourismus, der gemein hin als Zerstörer der alten Kultur bezeichnet wurde, trat auch als Retter der Bräuche auf, die nun freilich eine neue Bedeutung bekommen hatten und ohne diesen Vgl. Hans Moser: Vom Folklorismus in unserer Zeit. In: Zeitschr. f. Volkskunde, 58. Jg. (1962), S. 177 ff. Alexander Jalkotzy: Volkskultur im Wandel - Tradition und Innovation. In: blickpunkte. Kulturzeit schrift OÖ., 43. Jg. (1993), H. 4, S. 23. In: Populus revisus (= Volksleben, Bd. 14), Tübingen 1966, S. 61 ff.
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