OÖ. Heimatblätter 1993, 47. Jahrgang, Heft 4

wie dies W. Hartinger ausführlich behandelt, da „schon lange vor dem Eisenbahn zeitalter die Grenzen von Landschaften und politischen Territorien durchlässig gewesen sind und ... es vielerlei Kanäle gegeben hat, auf denen Kenntnisse von anderen Menschen und deren Lebensformen zu den Bauern, Landhandwerkern, Taglöhnern und Kleinhäuslern gekommen sind, von den Leuten in der Stadt ganz zu schweigen"." Neben politischen Obrigkeiten, der Kirche, der Druckpresse nennt Hartinger desgleichen z. B. Pilger, Handwerker, das Heer der Fahrenden, Wander arbeiter, aber auch „Kriege und Epidemien", die „für eine kräftige Durchmischung unserer Gesellschaft sorgten'"^ und schon seit vielen Jahrhunderten das Volksleben überregional beeinflul3ten. Rundfunk und Fernsehen tun heute ein übriges dazu. Wenngleich wissenschaftlich sicher nicht ganz befriedigend, für die Arbeit in den volkskulturellen Verbänden aber durchaus brauchbar, ist die Begriffsbestim mung, wie sie Mitarbeiter einer Studientagung des (österreichweiten) „Forum Volks kultur" im Herbst 1990 erarbeitet haben: „Volkskultur ist die Gesamtheit der überlie ferten, aus der Tradition sich entwickelnden, aber auch neuen gegenwärtigen kultu rellen Aui?erungen einer bestimmten Region. Sie ist an Gemeinschaft und Tradition gebunden und von Lebensraum und Zeitverhältnissen beeinflußt." Erst im nachhinein stellte der Autor, der damals mit dabei war, fest, daß sich diese Formulierung teilweise an den Schweizer Volkskundler R. Weiß anlehnt, der das Volksleben „aus den zwischen Volk und Volkskultur wirkenden Wechselbezie hungen, soweit sie durch Gemeinschaft und Tradition bestimmt sind"," erläuterte, wobei „Gemeinsamkeit nur durch die Macht der Traditionen entsteht". Die Macht der Tradition Immer wieder stößt man also im Zusammenhang mit Volkskultur auf den Begriff der Tradition, die nun einmal in allen Bereichen der Volkskultur eine beson dere Rolle spielt, auch wenn man sich keineswegs dabei auf einen Traditionalismus beschränkt. Eigenartigerweise findet man auch dieses Stichwort nicht im zitierten Wörterbuch der deutschen Volkskunde; der eben erwähnte R. Weiß lieferte uns hin gegen diesbezüglich hervorragende Aussagen, denen man sich durchaus auch noch nach fast einem halben Jahrhundert anschließen kann, da sie eine gegenwartsbezo gene Einstellung bekunden. Er formulierte: „Die Tradition hängt nicht an den Din gen, sondern an der Tradihonsgläubigkeit, welche eine unausrottbare seelische Eigentümlichkeit des Menschen ist. Als Traditionsgläubigkeit oder Traditionsgebun denheit bezeichnen wir ... jene geistig-seelische Haltung des Menschen, welche eine Sache, eine Handlung oder irgend eine Äußerung (,Traditionsgut') einfach deshalb " Walter Hartinger: Volkskultur = Provinzkultur in engen Grenzen? In: Schönere Heimat, 80. Jg. (1991), H. 1, S. 4. Ebenda, S. 10. " Richard Weiß: Volkskunde der Schweiz, Erlenbach - Zürich 1946, S. 11.

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