OÖ. Heimatblätter 1993, 47. Jahrgang, Heft 4

Bedeutung jenes die vordergründige Gesellschaft hinterfangenden Gebäudes zu stellen. Die demonstrativ am Fensterrahmen angebrachte geöffnete Kanne - ein, wie de Jongh dargetan hat, gängiges erotisches Motiv - läßt zwingend an die Darstel lung eines Freudenhauses denken, wie auch die in der Türfüllung erscheinende Alte gänzlich nach dem Typus der Kupplerin ausgestaltet ist. Es liegt nahe, daß auch die Trunksucht (als ebrietas ein Teil der gula) und die Wollust - im Liebespaar der Tischgesellschaft vorgeführt - im gegenständlichen Zusammenhang angesprochen werden, denn auch diese führen wie die oben erwähnten Laster zu Krankheit und Not. Die kleine, mittelgründige, vom rechten Bildrand überschnittene Gruppe eleganter Personen beim Picknick ist unverzichtbarer Bestandteil der in den Nieder landen überaus beliebten „Verlorenen-Sohn"-Ikonographie und des aus diesem Thema abzuleitenden, von Vinckboons mehrfach ausgeführten Sujets der „Vorneh men Gesellschaft im Freien". In beiden Themata sind deutliche und unübersehbare Bezüge zum weltlich-genußvollen Leben - oft auch zum Laster der superhia - herge stellt, dem sich der Törichte hingibt, ohne der jammervollen Folgen gewärtig zu sein. Als Topos in Kirmesszenen kann seit Brueghel die Keilerei unter dem Bau ernvolk gelten, die auf Vinckboons' Tafel im rechten Mittelgrund sichtbar wird. Offenkundig ist auch diese Fazit übermäßigen Alkoholgenusses und mag überdies eine Anspielung auf die Todsünde der ira beinhalten. So jedenfalls hat M. Matham es in einer Stichserie, die die Folgen der Trunksucht verbildlicht, drastisch festgehal ten. Als Resümee darf festgehalten werden, daß Vinckboons in der Kremsmünsterer Tafel eine vordergründig lebhafte und vergnügliche Bauernszene gegeben hat, als deren tieferer Sinn indes eine Warnung vor Übermaß und Laster anzusehen ist. Im Modus des Komischen und Grotesken gelangt die Kunst sohin über die Beleh rung zu ihrem höchsten Ziel, dem persmdere, der Überzeugung des Beschauers. Literaturverzeichnis G. Schwarz, Het kunstbedrijf van de familie Vingboons, Amsterdam 1989. Katalog Von Frans Hals bis Vermeer, Berlin 1984. H. P. Raupp, Ansätze zu einer Theorie der Genremalerei in den Niederlanden im 17. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 46, 1983, S. 401 ff. W. Wegner - H. Free, Die Zeichnungen David Vinckboons', in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 31, 1980, S. 35 ff. Osterreichische Kunsltopographie, Bd. 43, Die Kunstdenkmäler des Benediktinerstiftes Kremsmünster, Teil II, Wien 1977. Katalog Tot lering en vermaak, Amsterdam 1976. F. C. Legrand, Les peintres flamands de genre au XVIIe siede, Paris 1963. A. Czobor, Zu Vinckboons' Darstellungen von Soldatenszenen, in: Oud Holland 78,1963, S. 151 ff. K. Goossens, David Vinckboons, Antwerpen 1954.

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