OÖ. Heimatblätter 1993, 47. Jahrgang, Heft 4

quartierung ebendort und ihrer Vertreibung gegeben werden. Das letzte Blatt zeigt gemäß der Bildunterschrift die Versöhnung der Gruppen bei Tanz und Trunk. Ob jene Bedeutung noch dem Berliner Stück innewohnt, ist fraglich; bezüglich der Kremsmünsterer Variante darf es aber als wahrscheinlich angenommen werden, daß sich lediglich die Komposition, nicht aber der Bedeutungsgehalt von diesem Blatt herleitet, sohin kein Zusammenhang mit dem Thema der Stichserie besteht. Vielmehr ist die Abkunft gegenständlichen Themas von der mittelalterlichen Todsündenikonographie, speziell der gula, der Völlerei, anzunehmen, wenngleich ebenhier zu einer schon eher allgemeineren Moralisation abgewandelt, die am Exempel der Ausschweifungen von Trunksucht, Spiel und Völlerei Möglichkeiten der Verderbnis des Menschen vorstellt. Daß solcher Bedeutungsgehalt regelmäßig Kirmesszenen beigemessen wurde, legen Bildbeischriften zu solchen Brueghels und vieler anderer nahe, für welche die einem Stich Swanenburgs nach einer früheren Kirmesszene von Vinckboons unterlegte Sentenz als charakteristisch anzusehen ist: „Sieh dieses Bauernvolk, sieh diese Diener Bacchus'. / Der eine ißt, trinkt und füllt sich bis an den Rand, der andere / erbricht sich auf den Boden. / Einer singt und tanzt eifrig, ein anderer grölt und / will sich schlagen. / Und währenddessen schwinden Gesundheit und Geld dahin." In diesen Bedeutungszusammenhang ist damit auch die Interpretation ein zelner Motive einzuordnen. Das im Vordergrund betriebene Kartenspiel etwa wird von den zeitgenössischen Moralisten als Sinnbild der Sorglosigkeit, des Müßig gangs angesehen; in diesem Sinn hält es auf einem Holzschnitt des Gornelis Anthonisz die Allegorie der „Leecheyt", des Müßigganges, in Händen. Auch der Fiedler, der der Gesellschaft aufspielt, rechnet zum regelmäßigen Typenrepertoire liederlicher Szenen in der niederländischen Kunst. Der Spielmann ist traditionell übel beleumundet und wird bereits in der mittelalterlichen Ikonogra phie ganz allgemein mit Unkeuschheit, Betrug und sündhaftem Leben assoziiert. Im zeitgenössischen Drama tritt er häufig in zwielichtigen Situationen auf, in den Kluchten, den holländischen Komödien, wird ihm häufig der Part des Verführers übertragen. Eine nicht unähnlich verwerfliche Einschätzung wird auch der Soldateska zuteil, als deren Mitglieder einige der Tischgäste durch ihre Bewaffnung ausgewie sen sind. Freilich sind es diesfalls nicht jene honorigen Bürger, die sich gerne auf den Doelenstücken konterfeien ließen, sondern jene rohen Kriegsknechte, die in der frü heren Genremalerei regelmäßig als Besucher von Bordellen, als Streitende oder aber sinnlos Betrunkene charakterisiert werden. Deutlich ist ferner die Funktion der im Vordergrund positionierten Frau, die, am Kartenspiel teilnehmend, ihrem Nachbarn heimlich Geld entwendet. Der unter ihr liegende Hund - ein häufiges Symbol der Unzucht - weist sie als Dienerin der käuflichen Liebe aus, worauf auch ihre übertrieben modische Kleidung Bezug nimmt, von welcher Gats meint, daß sie charakteristisch für Huren und Narren sei. Vor dem Umgang mit derlei Frauenspersonen wird in der moralisierenden Literatur naturgemäß gewarnt; wie Coornhert etwa anmerkt, kommt, wer mit solchen Perso nen Kontakt pflegt, regelmäßig um sein Gut. In diesem Kontext ist sodann die

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