Gleich dem vergnüglichen Theaterstück hat die Genremalerei den Beschauer durch humorvollen Vortrag, durch komische Wendungen, in gröl3tmöglicher Lebendigkeit vorgetragen, zu erheitern und zu erfreuen (delectare), was vorzugsweise durch exakte Beobachtung und Darstellung von Verhaltensweisen niederer Volks gruppen - etwa der Bauern - statthaben kann. In dieser zu fordernden möglichsten Naturnachahmung in Beobachtung und Verbildlichung ist der Künstler tatsächlich, wie Ph. Angel es ausdrückt, „na-boolser van t'leven" (Nachformer des Lebens). Es wäre indes verfehlt und unvollständig, wollte man jenes delectare als letzten Sinn, als Selbstzweck der Gattung ansehen, lediglich als gemüt- oder humorvolle, zuweilen auch lyrische Schilderung des alltäglichen Lebens begreifen, eine Auffas sung freilich, die noch der Lehre des 19. Jhs. keineswegs fremd war. Vielmehr ist das delectare einem docere komplimentär, ersteres Mittel zur Erreichung des letzteren. Kunst soll sohin nicht allein der Erfreuung, sondern auch der Belehrung (docere) und Erziehung des Betrachters dienlich sein. Spätestens seit den Forschungen de Jonghs scheint es klar, daß sich hinter der exakten, ästhetisch und malerisch oftmals vor trefflichen Wiedergabe des Realen verborgene Sinnschichten eröffnen können, der realen Szene also ein bildimmanenter Sinn in allegorischer oder symbolischer Aus formung eignen kann, dessen Klärung jedoch für das eigentliche Verständnis des jeweiligen Sujets von fundamentaler Bedeutung ist. Nach Meinung der niederländischen Kunsttheoretiker ist es aber vonnöten, jenen von den zeitgenössischen Moralisten von Theater wie Kunst gleichermaßen eingeforderten didaktischen Gehalt, die aus den Themata abzulesende allgemeine Wahrheit und Anwendung, nicht offen, sondern vielmehr verschleiert darzutun, haben doch, wie Jacob Cats es formuliert, „veel dingen beter aert... alse niet ten volle gezien, maer eeniger maten bewimpelt en overschaduwet ons voorkomen" (viele Dinge von besserer Art sind, wenn sie nicht vollkommen deutlich erkennbar sind). Diese Forderung mag als Ausfluß und vor dem Hintergrund des Renais sancepostulats empfunden werden, Darstellungen müßten einen Sinngehalt aufwei sen, der nicht sogleich einsichtig sei, denn mit der Schwierigkeit, selbigen zu erfas sen und aufzulösen, steige auch der Genuß des gelehrten Betrachters. Mithin scheint es einsichtig, daß noch im 17. Jahrhundert ältere, teilweise noch aus dem mittelalterlichen Themenkanon erfließende Sujets - etwa Monats bilder und Jahreszeiten, die fünf Sinne, vor allem aber die Tugend- und Laster traditionen - neben solchen des Volksmundes, der zeitgenössischen Literatur und Emblematik in mehr oder minder verschlüsselter Form in das Genrefach Eingang fanden. Solcherart kann auch der einfachste Bewohner des offenen Landes, der Bauer oder Bettler Träger eines tieferen Sinnes werden, der in Darstellungen Boschs und Brueghels ebenso wie in dem in Rede stehenden Stück Vinckboons' ver folgbar bleibt. Wie oben dargetan, gründet die Kremsmünsterer Szene kompositioneil wie ikonographisch auf einem früheren Bauernstück Vinckboons' in Berlin, welches aber selbst nur die Variante eines Blattes aus einer Stichfolge darstellt. Jene von Boethius Bolswert gefertigte Serie hat die Erfahrungen niederländischer Bauern mit spa nischen Soldaten zum Inhalt, die in ihrem Eindringen in ein Bauernhaus, ihrer Ein-
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