OÖ. Heimatblätter 1993, 47. Jahrgang, Heft 4

Neben der unklaren Stelle in der Notitia Arnonis sei auf die auffällige Anlage der hiesigen Pfarrkirche und ihre eigenartige Patroziniengeschichte hinge wiesen. Ardelt schreibtp° „Patroziniengeschichtlich ist die Kirche von St. Wolfgang deswegen bemerkenswert, weil sie im Laufe der Jahrhunderte vier Patrozinien ver zeichnet. Die alte Kapelle war Johann dem Täufer geweiht, der als Wald-, Eremitenund Benedikhnerheiliger galt. Mit dem Aufblühen der Ehrung des Apostels Johan nes, des Lieblingsheiligen Christi, ist für das Jahr 1413 auch dieses Patrozinium als zweites Patrozinium nachweisbar, ging aber wieder verloren. Mit dem Pacheraltar erhielt die Kirche 1477 ein Marienpatrozinium. Als Kultstätte des heiligen Wolfgang und als Wallfahrtskirche gilt sie seit 1306 als Wolfgangskirche." Ein derartiger Wech sel der Titelheiligen ist ungewöhnlich. LJngewöhnlich ist aber auch der Grundriß der Kirche, über den schon viele Vermutungen angestellt wurden, zuletzt von Benno Ulm,'' dessen profunde und sachkundige Überlegungen zwar die Baugeschichte weitgehend klären, aber nicht alle Fragen lösen können: Etwa, warum zwischen Langhaus und Chor das recht unorganische Turmjoch eingefügt wurde, oder ob man wirklich den ehrwürdigen, vom heiligen Gründer eigenhändig erbauten Altar einfach zur Seite rückte, obwohl dieser nicht nur die Stelle bezeichnet, wo das wun dersame Beil vergraben liegt, sondern darüber hinaus jene Örtlichkeit anzeigt, an der die erste Kirche stand, eine Örtlichkeit, die heute noch durch ein Gitter als heili ger Bezirk gekennzeichnet ist und „Gnadenaltar" genannt wird. Es wäre doch naheliegend, als Ursprung dieses komplizierten Baues eine Kirchenfamilie anzunehmen, wie sie für frühmittelalterliche Klöster typisch ist. Kol ler bezeichnet es als charakteristisch, daß neben den Klosterkirchen des 8. Jahrhun derts in unmittelbarer Nachbarschaft weitere Gotteshäuser errichtet wurden, was er für alle Salzburger Klöster dieser Zeit nachweisen kann, von Michaelbeuern und dem ominösen Elsenwang abgesehen." Neben der Klosterkirche gibt es nämlich stets auch ein für die Pfarrseelsorge dienendes Gotteshaus, wie dies besonders deut lich in Bischofshofen zu sehen ist. In St. Wolfgang existierte, wie Ulm nachgewiesen hat, eine romanische Kleinkirche in rechteckiger Form. Sie hatte einen westlichen Anbau etwa in der Breite des heutigen Seitenschiffes. Dieser Anbau könnte eine eigene Kirche oder, besser gesagt, Kapelle gewesen sein, so wie man dies etwa von St. Emmeram zu Regensburg kennt, wo seitlich an das Langhaus die als Pfarrkirche dienende St.-Rupert-Kirche angefügt ist. Es wäre aber auch denkbar, daß sich anstelle des heutigen Chores mit seinem Marienpatrozinium eine eigene Kirche befunden hat, wor auf die merkwürdige „Baunaht' des Turmjoches und überhaupt die exzentrische Lage des Chores hinweisen könnte. Diese Kirchen, die man sich an diesem entlege nen unwirtlichen Ort mit seinem beschränkten Platzangebot - Zillner spricht vom Rudolf Ardelt, Die St.-Wolfgang-Patrozinien in Oberösterreich, in: Der heilige Wolfgang und Ober österreich, Linz 1972. Ulm (die Arbeit ist auch veröffentlicht in: Der heilige Wolfgang - Ausstellungskatalog 1976). " Koller, Zur Frühgeschichte der ältesten Klöster in der Umgebung von Salzburg, in: Mitt. d. Gesell schaft für Salzburger Landeskunde, 1977, S. 5 ff.

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