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OBEROSTERREICHISCHE 47. Jahrgang Heft 4 Herausgegeben vom Institut für Volkskultur Peter Pfarl Überlegungen zur Frühgeschichte von St. Wolfgang am Abersee Hans Loinig David Vinckboons' „Kirmesszene" in den Kunstsammlungen des Stiftes Kremsmünster - Zu Fragen der Ikonologie des Bauernstückes und seiner Einordnung in die niederländische Kunsttheorie des 17. Jahrhunderts Maria Holzinger, eine begnadete Malerin Wilhelm Sighart Gattersteine in Puchenau - Grenzmale aus frühen Zeiten Herbert Wolkerstorfer Die landständische Schule und die Medizin Josef Kagerer Franz Joseph Freindallers Handbuch für den „sechswöchentlichen Religionsunterricht" Franz Sonntag Leder-Vogl, Mattighofen - eine bedeutende Unternehmerfamilie Dietmar Assmann Volkskultur - Schlagwort oder „Lebens-Mittel"? Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck - neuer Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Donauländer Gerhard Gaigg Line Gelehrtenreise ins Salzkammergut vor 230 Jahren Silvia Wendner-Prohinig Faszination Lebensgeschichte Volkskultur aktuell Buchbesprechungen
Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Institut für Volkskultur Leiter: W. Hofrat Dr. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem plare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der OÖ. Heimatblätter: Dr. Alexander Jalkotzy, Institut für Volkskultur, Spittelwiese 4, 4010 Linz, Tel. 0 73 2/27 20-56 43 Jahresabonnement (4 Hefte) S 190,- (inkl. 10% MwSt.) Hersteller: Druckerei Rudolf Trauner Ges.m.b.H., Köglstraße 14, 4020 Linz Grafische Gestaltung: Mag. art. Herwig Berger, Rosenstraße 14, 4040 Linz Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85393-066-2 Mitarbeiter: W. Hofrat Dr. Dietmar Assmann, Institut für Volkskultur Dr. Gerhard Gaigg, Institut für Volkskultur OStR Mag. Dr. Josef Kagerer, Rüstorf 69, 4690 Schwanenstadt Dr. Hans Loinig, Sobieskigasse 20/23, 1090 Wien Dr. Peter Pfarl, Schröpferplatz 5, 4820 Bad Ischl Wilhelm Sighart, Gartenstadtstraße 13, 4040 Buchenau Kons. OSR Franz Sonntag, Mittelstraße 15, 5230 Mattighofen Dr. Silvia Wendner-Prohinig, Volkshochschule Hietzing, Hofwiesengasse 48, 1130 Wien Dr. Herbert Wolkerstorfer, Klammstraße 2, 4020 Linz 00 KULTUR UNDESKUUURREFERAT Titelblatt: Andachtsbild (vergr.) hl. Wolfgang; Lithogr. An stalt Oberer, Salzburg (Sammlung D. Assmann)
Überlegungen zur Frühgeschichte von St. Wolfgang am Abersee Von Peter Pfarl Im Jahre 1994 jährt sich der Todestag des hl. Wolfgang zum tausendsten Mal, der Bischof ist am 31. Oktober 994 in Pupping an der Donau verstorben. Nicht nur durch diese Stätte ist sein Andenken mit Oberösterreich verbunden, sondern viel nachhaltiger noch durch die Legende von seinem Aufenthalt am Abersee, die den Ort St. Wolfgang zu einem Pilgerzentrum sondergleichen machte. Die reichen künstlerischen, religionsgeschichtlichen und volkskundlichen Auswirkungen der hochberühmten Wallfahrt führten dazu, daß ihr Ursprung viel gründlicher unter sucht wurde, als jener der meisten anderen Pilgerstätten. Bereits im 18. Jahrhundert machte man sich Gedanken über den Wahrheits gehalt der Wolfgang-Legende, so, wenn etwa Abt Lidl von Mondsee in seinem Wall fahrtsbüchlein andeutete, die Sage vom geprellten Teufel brauche man schließlich nicht unbedingt zu glauben. Die erste große Untersuchung lieferte Ignaz Zibermayr, der allerdings, wie es seinem Stand als Archivdirektor entsprach, seine Schlüsse fast nur auf den Urkunden aufbaute und die mündlichen Uberlieferungen ziemlich außer Betracht ließ. Andree-Eysn interessierte sich hingegen nur für die volkskundli chen Aspekte, Rudolf Zinnhobler widmete der Geschichte des Ortes mannigfache wertvolle Untersuchungen, etwa im Hinblick auf die Patroziniengeschichte oder auf das Alter der einzelnen Elemente der Legende. Benno Ulm schließlich stellte pro funde Untersuchungen über die Baugeschichte der Kirche an. In der folgenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, in erster Linie aus dem Inhalt der Legende selbst Aufschlüsse über die Entstehung des Ortes zu gewinnen und diese Erkenntnisse in Verbindung zu bringen mit den aus der Frühzeit des Gebietes erhaltenen Urkunden sowie mit den natürlichen Gegebenhei ten, welche die Pilger mit dem Heiligen in Zusammenhang brachten. Die Legende vom hl. Wolfgang Daß sich der hl. Wolfgang an der später nach ihm benannten Örtlichkeit auf gehalten haben soll, erfahren wir erstmals aus einer Urkunde des Jahres 1369.^ Sie berichtet, er habe die gegenwärtige Kapelle mit eigenen Händen erbaut. Ob diese Überlieferung vom Kirchenbau das älteste Element der aberseeischen Wolfgang legende darstellt, wissen wir nicht,^ bestimmt aber war sie nicht die einzige Merk würdigkeit, welche die hiesige Stätte zu bieten hatte, denn schon 1306 und 1314/18 ' OÖ, Urkundenbuch, VIII. Bd., Wien 1883, S. 424, Nr. 430. ^ Vgl. Rudolf Zinnhobler, Die Aberseelegende und ihre Entstehung, in: Der hl. Wolfgang - Ausstel lungskatalog 1976, S. 57 ff.
ai BiiürlS Der Grundriß der Kirche von St. Wolfgang: Der älteste Bau reichte nach Benno Ulm bis zum vierten Pfeiler der heutigen zweischiffigen Anlage. Es folgen das unorganisch angefügte Turmjoch und der Chor mit dem Pacheraltar. Die Westmauer (am Grundriß unten) hat über ihre ganze Breite altes Mauerwerk, so daß neben dem breiten Südschiff ein Annex anzunehmen ist, der später zum nördlichen (schmalen) Schiff umgebaut wurde. Aus: Benno Ulm, Baugeschichte der Wallfahrtskirche von St. Wolfgang im Salzkammergut, in: Der hl. Wolfgang und Oberösterreich, Schriftenreihe des OÖ. Musealvereines, Bd. 5, Linz 1972, S. 75.
ist von großen Pilgerscharen die Rede, die hier den Heiligen verehrten,^ und allein die Tatsache eines Kirchenbaues, selbst wenn ihn der verehrte Bischof höchstpersön lich durchführte, reichte gewiß nicht aus, um einen frequentierten Wallfahrtsort her vorzurufen. Die erste ausführliche Fassung der Legende ist im sogenannten Augsburger Passional enthalten und datiert aus dem Jahre 1471.'' Zibermayr hält sie für älter und meint, sie dürfte um 1400 in Nürnberg verfaßt worden sein; er bringt sie in Verbin dung mit einer in einem Druck des Jahres 1516 niedergelegten lateinischen Fassung, die er für noch älter ansieht.' Die Erzählung zerfällt dort bereits in zwei Teile, die durch den Beilwurf miteinander verbunden werden. Zuerst hält sich der Bischof in einer rauhen Wildnis auf und ist den Anfeindungen des Teufels ausgesetzt. Er bittet Gott um ein Zeichen, wo er seine Wohnung aufschlagen soll, schleudert seine Axt ins Tal und baut dann dort, wo er sie wiederfindet, eine Kirche und ein „Häuslein . Während der erste Teil des Geschehens in den späteren Fassungen der Legende all gemein auf dem Falkenstein lokalisiert wird, heißt es in den erwähnten beiden frühesten Versionen, er sei in der Wildnis ein ganzes Jahr herumgewandert, habe viel Hunger und Durst, dazu Frost und Hitze gelitten und Gott schließlich gebeten, daß er ihm „eine Stätte zeige, wo er sich eine Wohnung mache und bleiben möchte". Das klingt so, als habe sich der Einsiedler zunächst nicht an einem bestimmten Ort auf gehalten und sich erst dann durch den Wurf des Handbeils einen festen Wohnort gesucht, nämlich den Platz der späteren Wallfahrtsstätte am Abersee. Der Falkenstein wird im Augsburger Passional nur einmal erwähnt, nämlich in der Szene der sogenannten „Anlainung": Es heißt, Wolfgang sei eines Tages in das Gebirge gegangen und wollte zwischen dem Falkenstein und einem anderen Berg durchgehen; er scheint also zufällig in die Gegend gekommen zu sein. Dort habe der Böse die Berge zusammenfallen lassen, Wolfgang habe sich kreuzweise nieder gelegt und gebetet, worauf das Gespenst des Bösen vergangen sei. Mit keinem Wort werden die Eindrücke des Eremiten im Felsen erwähnt, ja die Erzählung steht in Widerspruch mit diesen Relikten im Stein und auch mit den bildlichen Darstellun gen, denn sie alle, einschließlich der Bezeichnung der Szene als „Anlainung , setzen voraus, daß sich Wolfgang stehend dem fallenden Felsen entgegengestemmt habe. Der Beilwurf schließlich erfolgt in diesen ältesten Fassungen überraschen derweise nicht vom Falkenstein herab, sondern vom Saurießl, einem etwas weiter westlich gelegenen Berg,' von dem es nicht einmal eine Sichtverbindung zur Wall fahrtskirche gibt. Sozusagen die Standardfassung der Legende findet sich im Holzschnittbuch des Johann Weyssenburger aus dem Jahre 1515.^ Auch aus ihr ist aber nicht mit ^ OÖ. Urkundenbuch, IV. Band, Wien 1883, S. 502, Nr. 583. " „Leben der Heiligen", Winterteil, fol. XXXVll. f., Nationalbibliothek Wien. ' Zibermayr, S. 37 ff. ' Leopold Ziller, Aberseer Namensbuch, St. Gilgen 1977, S. 92. ' Hans Bleibrunner, Das Leben des hl. Wolfgang nach dem Holzschnittbuch des Johann Weyssenbur ger aus dem Jahr 1515, Regensburg 1967.
Der hl. Wolfgang beim Bau der Kirche am Ahersee, Tafelbild, Michael und Friedrich Packer, 1471-81, Werklagsseite des Flügelaltars in St. Wolfgang im Salzkammergut. Foto: Diözesanbildstelle
Auf Flügelaltären aus der Hochblüte der Wolfgangvereh rung ist das Bestreben erkenn bar, die Topographie der Aberseelandschaft wiederzugeben, wie z. B. auf dieser Tafel - die sog. „Anlainung" - in der Wolfgangskirche von Pipping bei München (um 1500). Foto: Pfarl Bestimmtheit zu entnehmen, daß der Heilige am Falkenstein als Einsiedler gelebt habe. Es wird berichtet, er habe sich in das Gebirge bei Salzburg „in der wuesten begeben und sich hier ein Jahr aufgehalten. „Als der Bischof zum Falkenstein kam , heißt es weiter, habe er eine Quelle entspringen lassen, und die „Anlainung" wird so eingeleitet: „Eines Tages ging der Heilige bergauf zwischen dem Falkenstein und dem gegenüberliegenden Berg." Wo er vor dem Beilwurf wohnte, ist also unbe stimmt, er scheint, als sei er gleichsam nur im Vorübergehen auf den Falkenstein geraten. Man könnte daraus folgern, daß sich der am Falkenstein spielende Teil der Legende erst später entwickelt habe. Dem steht entgegen, daß das im Augsburger Passional gar nicht erwähnte Quellwunder auf fast allen spätmittelalterlichen Bild zyklen der Wolfganglegende vorkommt; zumindest der Brunnen am Falkenstein hat also für die Andächtigen bereits eine Rolle gespielt, als die frühen Legendenfassun gen erschienen. Auch die „Anlainung" und der Beilwurf kommen auf vielen Tafelbil dern des 15. Jahrhunderts vor. Daß man Begebenheiten, die so berühmt waren, daß
sie an weit entlegenen Orten wie Schwäbisch Hall, Rothenburg ob der Tauber oder Millstatt in Kärnten bildlich vorgeführt wurden, nicht lokalisiert hätte, scheint ganz unglaublich, zumal die Tafelbilder von Pipping bei München oder von Rothenburg ob der Tauber unverkennbar das Bestreben zeigen, die Topographie des Falkenstei nes wiederzugeben. Weit eher ist anzunehmen, daß der hl. Wolfgang vom Abersee nicht als ein heitliche Legendenfigur aufzufassen ist, sondern daß man unterscheiden muß zwi schen dem volkstümlichen Einsiedler, der die Steine erweichte und mit dem Teufel kämpfte, und dem von der offiziellen Kirche bevorzugten Bischof, der das hiesige Gotteshaus begründete. Ihren Ausdruck findet diese Zwiespältigkeit in der Wall fahrtskirche von St. Wolfgang: Am Hauptaltar Michael Fächers wird in einem aus vier Bildern bestehenden Zyklus nicht etwa, wie es auf sonstigen Flügelaltären dieser Zeit zumeist geschah, das Einsiedlerleben mit den bekannten Wundergeschichten gezeigt, sondern der Heilige tritt als Prediger, Krankenheiler und Almosenspender auf, es wird also sein Wirken in Regensburg geschildert. Nur auf einem dieser vier Gemälde ist sein Aufenthalt am See zu sehen: Er baut hier die Kirche, aber nicht ein mal allein, wie es sich für einen Einsiedler geziemen würde, sondern mit Hilfe eines zweiten Mannes. Dies widerspricht der üblichen Legende, denn ihr zufolge hat der Gefährte, den Wolfgang in die Einsamkeit mitgenommen hatte, bereits weit früher seinen Abschied genommen, „denn er konnte das strenge Leben nicht ertragen". Der Legende zufolge müßte dieser Helfer der Teufel sein, der sich wiederum in die Geschichte einschaltete und gegen die Zusage des ersten lebenden Wesens beim Kir chenbau mitarbeitete, ein Sagenmotiv, das sich gerade zur Zeit der Entstehung des Flügelaltares, als der Wolfgangkult seinen volkstümlichen Höhepunkt erreichte, ent wickelte.® Es erscheint aber, als wende sich das Bild in seiner Konzeption geradezu gegen die Teufelserzählung, denn Fächer, der sonst die Dämonenfiguren mit höchst skurrilen Zügen ausstattete, zeichnet hier einen ganz biederen Gehilfen, der alles andere als teuflisch wirkt. Das Gemälde von Wolfgang als Kirchenbauer sucht also geradezu die Legende zu korrigieren. Auch der Figur im Schrein des Pacheraltares fehlt das „Hackl", obwohl das Beilattribut für den Heiligen so charakteristisch war, daß im J5. Jahrhundert ein Humanist behauptete: „Stets, wenn St. Wolfgang gemalt die ehrwürdige Vorzeit, stellte sie so ihn dar, daß ein Beil er trug in der Rechten",' und obwohl Michael Fächer noch im Vertrag den Auftrag erhalten hatte, ihn mit „inffel, stab, kirichen und hacken zu bilden.^" Diese Änderung eines wichtigen Teiles des Hochaltares scheint doch weder auf einen Zufall noch auf eine Eigenmächtigkeit des Künstlers, sondern auf eine Willensänderung und auf Diskussionen beim Auftraggeber zurückgegan- ® Zinnhobler, Die Aberseelegende und ihre Entstehung (wie Anm. 2). ' Zinnhobler, Der heilige Wolfgang in Lied und Dichtung, in: OÖ. Heimatblätter, 30. Jg. (1976), Heft 1/2, S. 9. Wiedergegeben bei Barth.
*1 ms iS .4 ^ ' ■ -■■:*■. ■ Relief des hl. Wolfgang über dem Südportal der Wallfahrtskirche (1430-1450), ohne Beilattrihut. Foto: Pfarl gen zu sein. Übrigens ist an einer anderen prominenten Stelle der Wallfahrtskirche, nämlich am Bogenfeld über dem Südportal, das nach Forschungen Benno Ulms aus dem frühen 15. Jahrhundert datiert," Wolfgang ebenfalls ohne das Beil zu sehen, obwohl sich in dieser Zeit das Attribut längst eingebürgert hatte. Aus diesen Darstellungen kann man den eindeutigen Schluß ziehen, daß der Konvent von Mondsee in der Wallfahrtsseelsorgeden Typ des Kirchengründers gegenüber dem des Beilschwingers bevorzugte. Dasselbe gilt aber auch vom Stein erweicher. Es gibt nämlich nicht nur am Falkenstein, sondern auch im Bereich der St. Wolfganger Kirche einen Stein oder sogar zwei Steine, die mit dem Heiligen in Verbindung gebracht werden, der Bußstein und die Liegestatt, flach aus dem Boden heraustretende Felsen mit tiefen Eindrücken, die vom hl. Wolfgang herstammen sol len. Es wird berichtet, er habe sich aus Buße auf den Stein geworfen, und dieser habe seine Abdrücke aufgenommen. Diese Steine waren bevorzugte Objekte der Wall fahrtsverehrung, aber erst im 18. Jahrhundert wurden sie mit einer Kapelle überbaut und in das Gotteshaus einbezogen, zuvor lagen sie bei der Nordwand derselben neben der sogenannten Zelle, dem Häuschen, das der Einsiedler bewohnt hatte und " Ulm, S. 63 ff.
das auch bis zur selben Zeit im Freien stand. Die spätgotische Statue dieser außer halb der Kirche befindlichen Stätte volkstümlicher Wolfgangverehrung darf das „Hackl" in den Fiänden tragen. Es ist bekannt, daß die kirchliche Obrigkeit in unseren Gegenden solchen Kultsteinen distanziert gegenüberstand, so sehr das Volk diese Naturmonumente verehrte, und so sehr man bestrebt war, sie zu christianisieren. Man bezog sie irgendwie in den Wallfahrtsort ein, ließ sie aber „draußen" liegen und stellte im offi ziellen Kult den Gläubigen andere Glaubensinhalte vor Augen, etwa biblische Ereig nisse oder die weitgehend von Wundern und Teufelsgeschichten gereinigte Figur eines tugendhaften historischen Bischofs oder sonstigen Heiligen. Dafür gibt es Bei spiele an mehreren Orten: Die hl. Hemma von Gurk, eine von wilden Sagen umwobene Gestalt, mußte sich in ihrem Dom mit einem ganz entlegenen Plätzchen begnügen, einem Winkel der Krypta, in dem sich ihr Grab und der Wunderstein befindet, auf dem sie geses sen war und der besonders von Frauen für abergläubische Praktiken benutzt wur de.'^ In Klobenstein, einem Wallfahrtsort bei Kossen in Tirol, wurde neben dem namengebenden „geklobenen" Stein, einem Durchkriechfelsen, erstmals im Jahre 1701 eine Marienkapelle erbaut. Seither schweigen die Quellen eisern über den Stein, der nicht einmal auf den großen Votivbildern zu sehen ist, welche die örtliche Situation ansonsten ziemlich genau wiedergeben." In St. Wolfgang am Stein, 1430 als Kapelle zum Heiligen Stein genannt, ist der verehrte Stein überhaupt entfernt worden, nur noch der Name erinnert daran, daß sich die Kapelle ursprünglich bei diesem Stein befand." Läßt sich also erschließen, daß an diesen Orten alte Kultsteine christianisiert wurden, so kann man aus anderen Indizien annehmen, daß dieser Prozeß nicht rei bungslos vor sich ging. Selbstverständlich berichten die offiziellen Quellen darüber kein Wort, aus diversen Sagen geht aber hervor, daß die Kirchenbauten an solchen traditionellen heiligen Plätzen behindert und gestört wurden, wie dies vom Eiben stein im Mühlviertel erzählt wird," und man anderswo göttliche Weisung erfand, wonach Baumaterialien von Vögeln und Engeln auf einen anderen Platz übertragen wurden. Solche Übertragungswunder erzählt man sich nicht nur dort, wo, wie am Eibenstein, christliche Kultbauten an Stätten naturhafter Devotion verhindert wur den, sondern auch dort, wo man es rechtfertigen wollte, daß die Bauten der neuen Religionsform neben den alten Kultdenkmälern angelegt wurden. Es heißt etwa, die Kirche von St. Thomas im unteren Mühlviertel hätte anderswo gebaut werden sol len, doch hätten Vögel die blutigen Späne des Bauholzes, bei dessen Zurichtung sich die Leute immer wieder verletzten, an die heutige Stelle vertragen." So wurde die " Siegfried Hartwagner, Der Dom zu Gurk, Klagenfurt 1963. " Wallfahrt Maria Klobenstein, Kossen 1984. " Benno Ulm, Das Mühlviertel, Salzburg 1976, S. 197. '• Ernst Burgstaller, Der Heidenstein beim Eibenstein und seine volks- und siedlungskundlichen Pro bleme, in: OÖ. Heimatblätter, 23. Jg. (1969), Heft 1/2, S. 2ff. Gugitz, S. 113 f.
Kirche neben dem Blasenstein mit seiner Durchkriechspalte erbaut. Auf diese Weise konnte es den Anhängern naturhafter Steinkulte am Blasenstein plausibel gemacht werden, daß eben dort die Kirche postiert werden müsse. Man könnte also die Legende vom hl. Wolfgang folgendermaßen deuten: Am Abersee bestand ein naturhafter Kult um auffällige Steine. Um es zu rechtferti gen, daß gerade neben einem dieser Steingebilde eine Kirche erbaut wurde, berief man sich auf den großen Bischof von Regensburg, der dieses Gotteshaus mit seinen eigenen Händen erbaut habe. Am nahe gelegenen Falkenstein gelang die Integration dieser Kultstätten in das christliche Brauchtum zunächst weit weniger. Sie blieben urtümliche Stätten; die Wundergeschichten und Gebräuche, die sich um diese Ortlichkeiten rankten, konnten von der kirchlichen Obrigkeit weit weniger gut adap tiert werden, wenngleich man allmählich auch diese Stätten mit Wolfgang in Verbin dung brachte. Erst viel später, nämlich am Ende des Mittelalters und mehr noch nach dem allmählichen Wiederaufblühen der Wallfahrt nach der Reformation, bezog man auch den Falkenstein in den offiziellen Wallfahrtskult ein. 1627 wurde über den dortigen Höhlen eine Kirche erbaut,^^ und erst die damals entstandenen Mirakelbücher beziehen alle Details der Legende auf konkrete Örtlichkeiten. Die fiistorischen Beziehungen zwischen dem hl. Wolfgang xmd dem Abersee Die ältesten Regensburger Lebensbeschreibungen Wolfgangs wissen nichts davon, daß sich der Bischof am Abersee aufgehalten und hier eine Kirche erbaut habe. Es handelt sich um Schriften zweier Mönche, Arnold und Ortloh, die um die Mitte des II. Jahrhunderts entstanden, also in einer Zeit, in der man sich noch an die Einzelheiten der Biographie des Bischofs erinnerte, wobei auch noch eine frühere Schrift, verfaßt von einem unbekannten Franken, zur Verfügung stand.Diese Lebensbeschreibungen enthalten durchaus auch Wundergeschichten," keine Rede ist aber von Steinerweichungen, Kämpfen mit dem Teufel in der Wildnis und Erschließen von Quellen mit dem Bischofsstab. Auch den ältesten Regensburger Hymnen ist keinerlei Bezug auf ein Einsied lerleben zu entnehmen, obwohl auch sie Wolfgang als Wundertäter preisen.^" Die einzige seriöse historische Quelle, die von einem Aufenthalt des Bischofs in unserer Gegend berichten, ist der bayerische Geschichtsschreiber Johan nes Aventinus, der im frühen 16. Jahrhundert berichtete, Wolfgang sei während des Dehio, Salzburg-Stadt und Land, Wien 1986, S. 349. ' MG SS IV. 556-568; MG SS IV. 521-542; Zinnhobler - Pfarl; Zinnhobler, Leben des hl. Wolfgang, in: Der hl. Wolfgang, Ausstellungskatalog 1976; ]. B. Mehler, Der hl. Wolfgang, Bischof von Regensburg, Festschrift Regensburg 1894. ' Barbara Möckershoff-Goy, St. Wolfgang, ein allgemeiner Nothelfer in St. Wolfgang, 1.000 Jahre Bi schof von Regensburg, Ausstellungskatalog Regensburg 1972; Chrobek, Der heilige Bischof Wolf gang - Geschichte - Legende - Verehrung, Kehl 1993. ' W. Schenz, Der hl. Wolfgang in der Poesie, in: Mehler, Festschrift (wie Anm. 18); Zinnhobler, Der hl. Wolfgang in Lied und Dichtung (wie Anm. 9).
Aufstandes, den Herzog Heinrich II. von Bayern im Jahre 976 gegen den Kaiser unternahm, in das Gebirge geflohen und habe im Kloster Mondsee gewohnt, das damals zu Regensburg gehörte.^^ Letztere Beifügung ist richtig, das Ordenshaus Mondsee war 833 an Regensburg übereignet worden und hatte sich erst im 12. Jahr hundert davon gelöst. Die Meldung Aventins über die Flucht Wolfgangs nach Mondsee wird von Zibermayr als verläßlich betrachtet, weil ihm noch Quellen, nämlich Mondseer Annalen zur Verfügung standen, die uns heute verloren sind. Sie ist aber trotzdem nicht über jeden Zweifel erhaben, denn zur Zeit, als der bayerische Historiker seine Werke schrieb, gehörten die Berichte über das Einsiedlerleben Wolf gangs zum Allgemeinwissen des gläubigen Volkes, und die Andenken daran, näm lich nicht nur die Eindrücke in den Felsen, sondern auch die in der Kirche aufbe wahrten Reliquien, wie Stab, Kelch und Altarstein, galten als hochberühmte Attrak tionen eines der bekanntesten Wallfahrtsorte. Vielleicht hatte eben auch Aventin keine anderen Quellen für seine Mitteilungen als festgefahrene Traditionen und die am Wallfahrtsort gezeigten angeblichen Hinterlassenschaften. Es gibt aber einen fast sicheren Beweis dafür, daß sich Wolfgang tatsächlich in Mondsee aufgehalten hat, nämlich die Tatsache, daß er an einem 21. August in Teichstätt im Mattigtal eine Urkunde ausfertigte; die Jahreszahl ist uns leider nicht überliefert, so daß wir nicht wissen, ob es sich tatsächlich um das magische Jahr 976 handelte. Teichstätt liegt nur ungefähr 20 Kilometer von Mondsee entfernt und gehörte zu einer dorthin inkorporierten Pfarre, so daß wir praktisch mit Gewißheit annehmen können, daß der Regensburger Bischof damals auch in sein Kloster kam.^^ Weder Otloh noch Arnold berichten von dieser Reise ins heutige Oberöster reich. Bei alledem wissen wir immer noch nicht, ob sich Wolfgang auch zum Aber see begeben und hier eine Kirche begründet hat. Zibermayr streitet dies rundweg ab und meint, daß Gotteshaus am Abersee habe im Jahre 1142 noch nicht bestanden, es könne daher nicht auf den Heiligen zurückgehen, und die Legende habe sich erst im 13. Jahrhundert als Ausfluß der komplizierten Grenz- und Hoheitsstreitigkeiten, die in diesem Gebiet zwischen Salzburg, Regensburg und Mondsee ausgetragen wur den, entwickelt.^^ Zinnhobler widerlegt diese in St. Wolfgang nie recht akzeptierte Meinung und beweist, daß die von Zibermayr herangezogenen Urkunden nicht gegen ein höheres Alter der Kirche am Abersee sprechen.^" Dafür, daß sie von Bischof Wolfgang begründet und erbaut wurde, kann er freilich auch nur Wahr scheinlichkeitsbeweise bringen, nämlich Hinweise auf Grund von Patrozinien und die unregelmäßige Form des Gotteshauses, er meint vorsichtig, man könne der Aberseelegende wohl doch einen historischen Kern zubilligen. " Zibermayr, S. 11 ff. " Zinnhobler, Die Beziehungen des hl. Wolfgang zu Oberösterreich, in: Der hl. Wolfgang und Ober österreich, Linz 1972; OÖ. Urkundenbuch, Bd. I, Wien 1883, S. 89, Nr. 156. Zibermayr, S. 44 ff, Zinnhobler, Wie alt ist die Kirche von St. Wolfgang am Abersee? Mitteilungen d. OÖ. Landesarchivs, Linz 1968, S. 163 ff.; derselbe. Die Beziehungen des hl. Wolfgang zu Oberösterreich (wie Anm. 22).
Es gibt aber noch einen weiteren Hinweis darauf, daß Wolfgang im Aberseegebiet irgendwelche Taten gesetzt habe, die im Gedächtnis der Menschen verhaftet blieben; Wir haben gesehen, daß in Regensburg keinerlei Tradition von Wolfgangs Aufenthalt im Gebirge kündete, und dies bis ins 15. Jahrhundert hinein. Obwohl der Bischofschon 57 Jahre nach seinemTod von PapstLeo IX. heiliggesprochenworden war, hielt sich seine Verehrung in jenem Rahmen, in dem sich der Kult der meisten zeitgenössischen Oberhirten bewegte, die als Heilige verehrt wurden, Ulrich von Augsburg vielleicht ausgenommen. Es gab zu dieser Zeit auch die Heiligen Konrad und Gerhard von Konstanz, Albuin von Brixen, Gotthard von Hildesheim, deren Kult im wesentlichen auf das Gebiet ihres Wirkens beschränkt blieb. Von einer Volkstümlichkeit, wie sie später Wolfgang zuteil wurde, kann bei ihnen allen keine Rede sein. Bei ihm war es zunächst ähnlich, Otloh bedauert, nicht von einer regeren Frequenz am Grab seines Heiligen berichten zu können, ein spontaner Kult entwikkelte sich nicht, und nur wenige Kirchen wurden ihm im Regensburger Sprengel Das volkstümliche Bild des hl. Wolfgang mit dem Teufel (Hinterglasbild um 1800, Pri vatbesitz). Foto: Pfarl
geweiht.^' Unter den Legenden stand die sogenannte „Post-Sex-Geschichte" im Vor dergrund, die sich mit einem Traum des späteren Kaisers Heinrich II. befaßt. Das Beil als Attribut kommt auf den älteren Darstellungen nicht vor, ja nicht einmal die Kirche, obwohl etwa die Steinfigur des Hochgrabes in St. Emmeram um 1350 ent stand, also zu einem Zeitpunkt, als im Salzkammergut schon von Pilgerscharen berichtet wird, die bei der vom Heiligen eigenhändig gebauten Kirche zusammen strömen. Man hat daher die Vermutung geäußert, daß die Verehrung des hl. Wolfgang vom Abersee sich vollkommen unabhängig von der des historischen Bischofs in sei ner Stadt entwickelt habe, daß überhaupt der im 14. und 15. Jahrhundert mächtig aufstrebende Wolfgangkult seinen Ausgang im Kloster Mondsee nahm, und daß Regensburg, seine effektive Wirkungsstätte, erst damals von der Welle volksfrom mer Verehrung mitgerissen und inspiriert wurde die vielen Wolfgangheiligtümer, die sich in Süddeutschland befinden, sind, mit Ausnahme der vorhin erwähnten Kir chen im Bistum Regensburg, alle erst nach dem Aufblühen des aberseeischen Wolf gangkultes entstanden, zum Teil sogar in bewußter Nachahmung desselben, indem Eindrücke im Stein auf den Heiligen zurückgeführt und mitunter sogar Beilwurf legenden erzählt wurden. Was ist also der Grund dafür, daß der Wolfgangkult am Abersee in derartig auffälliger Weise nicht nur aufblühte, sondern überhaupt erst ins Leben trat? Zunächst ist festzuhalten, daß ohne Zweifel die Förderungen durch das Benediktinerkloster Mondsee dafür einen wesentlichen Anstoß bedeuteten, wie ja auch schon früher die eher bescheidene Wolfgangverehrung in Regensburg durch das Kloster St. Emmeram des gleichen Ordens ihre maßgeWichen Impulse erhielt. Zibermayr^^ und neuerdings auch Paul Map vertraten die Auffassung, daß diese benediktinische Propaganda die einzige Ursache für die Entstehung der Wallfahrt bildete, und meinen, das Kloster sei um das Jahr 1278 auf die Idee dieser Propaganda des Heiligen gekommen, als Gefahr bestand, es werde die wirtschaftlich wichtigen Forste um den Abersee an Salzburg verlieren. Damals habe man sich „in höchster Not" an Wolfgang erinnert, als den einzigen Regensburger Bischof, der zum Wohl des Klosters Mondsee gewirkt habe, dem die Blüte und die Reform des Klosters ein Anliegen gewesen sei und der selber in dieser Gegend geweilt habe, und man habe ihn als Fürbitter erwählt. In diese Theorie hatte Zibermayr schon früher den Beilwurf eingebaut, ein altes Symbol für die friedliche Beilegung von Grenzstreitigkeiten.^^ ' Paul Mai, Wolfgangheiliglümer im Bistum Regensburg, in: Auf den Spuren des hl. Wolfgang, Kall münz 1973; Friedrich Holzer, St. Wolfgang, ein Heiliger der Spätgotik, in: 10. Jahresbericht zur Erfor schung der Regensburger Diözesangeschichte, Regensburg 1935, S. 1 ff. Andere Beispiele für Heilige, deren Kult zunächst nur lokal und unbedeutend war und sich erst nach geraumer Zeit über die regio nalen Grenzen hinaus entwickelte, bringt Prinz (Martin, Kilian u.a.). ' Mai, Wolfgangheiligtümer im Bistum Regensburg (wie Anm. 25); Georg Schwaiger, Der hl. Wolf gang, Bischof von Regensburg, in: Bavaria Sancta, Bd. I, Regensburg 1970. ' Zibermayr, S. 47 ff. ' Mai, St. Wolfgang, du steter Wunderwirker. Die Verehrung des Heiligen im Bistum Regensburg, Re gensburger Bistumsblatt 21. 3. 1993. ' Wl- Franz Carl Lipp, Das Beil des heiligen Wolfgang, in: Der heilige Wolfgang, Ausstellungskatalog 1976.
1? Mm Ausschnitt aus einem Votivhild des 19. ]h.s: Auf ® - ^' '^ volkstümlichen Darstellungen trägt der hl. Wolfgang ; immer das „Hackl" und die Kirche. Manchmal - so wie hier - wird die Kirche durch die Zelle ersetzt, die das besondere Objekt volkstümlicher Verehrung bilKann man aber annehmen, daß dieses „Mönchs- und Pfaffengezänk", eine Auseinandersetzung zwischen geistlichen Grundeigentümern über ein Waldgebiet, einen Kult hervorrief, der so einschlug, daß schon 1306 von einem starken Andrang aus verschiedenen Gegenden berichtet wird und einige Jahre später der Bau eines großen Pilgerhauses notwendig wurde? Es müssen außer der Propaganda noch wei tere Faktoren vorhanden gewesen sein, nämlich auch Kultgegenstände, die Ass mann mit Recht als Voraussetzungen für das Entstehen eines Wallfahrtsortes postuliertd" Reliquien Wolfgangs waren damals noch nicht vorhanden, solche kamen erst wesentlich später hierher,^^ auch das sogenannte Gnadenbild stammt aus späte rer Zeit, es kann sich also nur um die auffälligen Naturdenkmale der Gegend han deln. Ist aber den Benediktinermöchen des Klosters Mondsee zuzutrauen, daß sie ihren verehrungswürdigen Bischof mit Löchern in Steinen und Höhlen in Verbin dung brachten? Ist nicht eher anzunehmen, daß schon zuvor ein Substrat von MeiDietmar Assmann, Die Wallfahrt nach St. Wolfgang, in: Der heilige Wolfgang, Ausstellungskatalog 1976. " Georg Lampl, Zwei Hochaltäre im Wolfgangsland, Kritisches und Problematisches, 46. Petrinum-Jahresbericht, Linz 1949/50.
nungen über Wolfgang vorhanden war, das auf seine Anwesenheit zurückging, viel leicht sogar darauf, daß er diese Stätten segnete oder weihte oder tatsächlich hier eine Kirche bauen ließ? Daß er den Ort selber begründete, ist freilich nicht anzunehmen, denn dieser dürfte schon vor seiner Lebenszeit bestanden haben. Nachrichten über St. Wolfgang vor der Lebenszeit des hl. Wolfgang Im Jahre 829 schenkte König Ludwig der Deutsche dem Kloster Mondsee das umfangreiche und wertvolle Gebiet, das sich, grob gesprochen, von der Mitte des Abersees bis zur Traun bei Ischl erstreckte.^^ Es handelte sich um Gebiete, die auch von Salzburg beansprucht wurden, und so löste diese Urkunde jahrhunderte lange Grenzstreitigkeiten aus, die von Zibermayr letztlich für die Entwicklung der Wolfganglegende und das Entstehen des Wallfahrtsortes St. Wolfgang verantwort lich gemacht wurden.^^ In unserem Zusammenhang ist die Urkunde aus einem anderen Grunde interessant: Sie spricht davon, daß der König an Mondsee „einen Ort in Abersee samt dem gesamten ringsum befindlichen Wald" (locum in Abernsee cum toto nemore circumiacente) gab. Die Bezeichnung „locus" kann sich aber weder auf ein ganzes Gebiet beziehen, noch meint sie einen bloßen geographischen Punkt. Der Begriff kommt in den großen Salzburger Güterverzeichnissen Breves Notitiae und Nohtia Arnonis knapp hundertmal vor^^ und bezeichnet, soferne es sich nicht um bloße Phrasen (in loco dicto - am erwähnten Ort) handelt, einen bewohnbaren Ort.^5 Welcher Ort kann an der Osthälfte des Abersees gemeint sein, auf welche sich die Urkunde bezieht? Es gibt dort nur zwei größere Siedlungen, davon kommt Strobl nicht in Frage, denn es entwickelte sich erst ab dem Beginn der Neuzeit aus einer Taverne „am Schober", dem heutigen Bürglstein, die einer Familie Strobl gehörte.^^ Solche Umstände machen es nicht gerade wahrscheinlich, daß dieser Ort den Mittelpunkt des 829 geschenkten Gebietes bildete. Es bleibt nur das heutige St. Wolfgang übrig, und es scheint aus dieser Urkunde hervorzugehen, daß der Ort schon vor der Lebenszeit des hl. Wolfgang als Siedlung bestand. Irgendwie meint man dies auch aus der Legende entnehmen zu können, denn die ersten Fassungen derselben erwecken durchaus den Eindruck, als sei der Einsiedler nach einer Zeit, die er in der Wildnis verbrachte, durch den Beilwurf sozusagen in eine zivilisierte Lebensweise mit Kirche und Wohnhaus zurückgekehrt, wenngleich noch weitab von der „Welt", so daß er vom Jäger entdeckt werden muß. Salzburger Urkundenbuch, I, Bd., S. 905 f. (wiedergegeben bei Ziller, Bd. 1, Beilagen la und b). " Zibermayr, S. 44 ff. Fritz Losek, Notitia Arnonis und Breves Notitia, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg 1990, S, 69 ff. Vgl. Herwig Wolfram, Die Gründungsurkunde Kremsmünsters, in: Mitt. d. OÖ. Landesmuseums, Erg.-Bd. 2, Linz 1978, S. 51-82. Ziller, Bd. I, S. 112; derselbe, Aberseer Namensbuch (wie Anm. 6), S. 108.
Auch die Forscher, die sich mit den Anfängen des Ortes befaßt haben, gehen davon aus, daß Wolfgang nicht der erste Siedler war, der hier wohnte. So meint Friedrich Barth, Mondsee habe schon bald nach der Schenkung eine Mönchszelle errichtet, aus der sich eine größere Siedlung entwickelte und die schon bald als der Sitz einer Forstverwaltung aufscheint.^^ Ähnliches kann man bei Zibermayr vermu ten, der erwägt, Wolfgang sei vermutlich in wirtschaftlichen Angelegenheiten hie hergekommen, da die Örtlichkeit schon bald als Sitz einer Forstverwaltung auf scheint und „nur dieser Flecken an jener Stelle zu einem größeren Siedelplatz erwuchs".^® Daß der Wolfgangsee im 9. Jahrhundert keine unzugängliche Wildnis mehr war, sondern ein für die Wirtschaft der Grundherren bedeutsames Gebiet, geht auch aus den Grenzregulierungen jener Zeit hervor. Im Jahr 843 trafen hier der Erzbischof von Salzburg und ein Abgesandter des Bischofs von Regensburg ein, an den, wie wir gehört haben, das Kloster Mondsee inzwischen gefallen war, um die Streitigkei ten über die Grenzen endgültig zu bereinigen. An dem Ortsaugenschein nahmen viele andere vornehme Männer teil, vor allem solche, auf deren Ortskundigkeit mehrmals hingewiesen wird.®' Dabei ging es weniger um Grundbesitz als um die Fischerei- und Jagdrechte,und die Urkunde von 843 ist keineswegs das einzige Schriftstück aus dieser frühen Zeit, das sich damit auseinandersetzt, wer diese Befugnisse am Abersee ausüben darf, bereits in den Breves Notitiae und der Notitia Arnonis ist davon die Rede. Auffallend oft werden Jagd und Fischerei am Abersee zwischen geistlichen Institutionen aufgeteilt, zumeist stehen der See und die damit verbundenen Rechte nicht einem einzigen Besitzer, sondern mehreren zu. Von kei nem anderen stehenden Gewässer unseres Gebietes sind aus der frühen Zeit derar tig komplizierte Rechtsverhältnisse überliefert, die von derartig rege geführten Grenzdiskussionen begleitet waren, und dies mag es wohl ausschließen, daß es sich damals um ein menschenleeres Gebiet von undurchdringlicher Wildheit handelte. Im übrigen scheint es bemerkenswert, daß etwa Heinz Dopsch davon spricht, daß Elsenwang bei Hof im 8. Jahrhundert „am wichtigen Verkehrsweg ins Salzkammer gut und nach Hallstatt lag"."® Diese wichtige Straße muß naturgemäß unseren See berührt haben, was ebenfalls der Annahme einer unberührten Gegend widerspricht. Es kann aber noch eine andere, sehr erwägenswerte Überlegung angestellt werden, die mangels ausreichender archäologischer Absicherung hier als Theorie vorgeführt sei, daß nämlich in St. Wolfgang schon lange vor dem heiligen Wolfgang eine Mönchsniederlassung bestand: In der Notitia Arnonis, dem berühmten Güterverzeichnis der Salzburger " Barth, S. 39. Zibermayr, S. 14. Salzburger Urkundenbuch, I. Bd., S. 907 (wiedergegeben bei Ziller, Beilage 1 c). Heinz Dopsch, Streitbare Nachbarn, zur Entwicklung der Landesgrenze zwischen Oberösterreich und Salzburg, in; Oberösterreich, Kulturzeitschrift, Heft 4, 1982, S. 15. Dopsch, S. 1022.
Kirche aus der Zeit um 800, findet sich eine Stelle,"^ die berichtet, der Agilolfinger herzog Odilo (t 748) habe der Salzburger Kirche im Salzburggau einen Ort überge ben, „der Elsenwang genannt wird, wo Wiesen und Wald sich befinden, und den See, der den Namen Fuschlsee hat, und ebenso auch den Abersee, wo es Weiden und Wiesen und Wald gibt, Fischerei und Jagd; und dort leben auch einige Mönche von ihrer eigenen Arbeit" („... in pago Salzburggaoe locellum, qui dicitur Ellesnawanc, in quo prata et silva consistitur, vel stagnum, qui nominatur Lacusculus simulque et Abriani lacum in quo constat pascua et prata vel silva, piscatio atque venatio, et inibi aliqanti fratres propriis laboribus vivunt"). Wenn man die Stelle unbefangen liest, wird man nicht daran zweifeln, daß sich der letzte Satzteil von den Brüdern, die sich von ihrer eigenen Arbeit ernähren, auf die unmittelbarvogenannte Örtlichkeit, nämlich den Abersee, bezieht, und den noch wird als der Ort, wo die Mönche lebten, in der maßgeblichen Literatur immer das am Anfang erwähnte Elsenwang vermutet. Lediglich Marchettd^ nimmt eine Lage am Abersee an, ebenso Zillner in einer früheren Arbeit.In seinen späteren Römische Ausgrabungen hei Elsenwang, Gemeinde Hof hei Salzburg. Foto: Pfarl " Notitia Arnonis 4.2 (wiedergegeben bei Losek, Notitia Arnonis und Breves NoHHa, wie Anm. 34; diese hervorragende Arbeit diente bei den folgenden Ausführungen als hauptsächliche Quelle). Heinrich Marchetti, St. Wolfgang, in: Der Bezirk Gmunden und seine Gemeinden, Gmunden 1992, S. 1155. " Ziller, St, Gilgen am Abersee, Pfarrgeschichte einer salzburgischen Dorfgemeinde, St. Gilgen 1969.
Veröffentlichungen trat gerade dieser Autor aber massiv für den Standort Elsen wang eind^ auch die übrige Literatur spricht immer wieder von der untergegange nen Mönchszelle in Elsenwangd'^ Der Grund für diese Annahme dürfte, wie der Autor einer freundlichen Mit teilung Fritz Loseks entnimmt, in der Wendung inibi (verstärkt für ibi - dort) zu suchen sein, die sich in den Güterlisten immer auf bewohnte Orte bezieht, anderer seits wohl auch in der auffälligen Hervorhebung von Elsenwang, das in den beiden genannten Besitzverzeichnissen dreimal erwähnt wird, obwohl es sich um eine bis in die letzte Gegenwart herauf ganz unbedeutende Ortschaft der Gemeinde Hof bei Salzburg handelt. Zillner hat denn auch in seiner Arbeit „Der Hof zu Elsenwang nach Resten der Mönchszelle gesucht und glaubte, sie in dem Bauernhof Kirchbichl gefunden zu haben, wobei die Indizien allerdings dürftig sind. Es war damals eben nicht mehr bekannt, was man im 9. Jahrhundert noch wußte und was erst in allerjüngster Zeit durch Ausgrabungen hervorkam, daß näm lich in Elsenwang ein römischer Gutshof stand, der vermutlich zur Zeit der Abfas sung der Nohha Arnonis noch eine auffällige Landmarke bildete und daher die Her vorhebung der Ortschaft rechtferhgte. Die Anlage ist noch nicht vollständig ausge graben, aber bis jetzt hat sich keinerlei mittelalterliche Störung der antiken Mauern gezeigt, es wurde also zumindest nach heuhgem Wissensstand kein frühmittelalter liches Kloster hineingebaut.Dies mag in Verbindung damit, daß sich dort auch sonst keinerlei Überreste eines Klosters oder Kirchengebäudes finden, befremdlich wirken, zumal dann, wenn man bedenkt, daß zu jener Zeit häufig Klöster in römi schen Bauten situiert wurden, etwa in Mondsee, Salzburg, vermutlich auch in Bischofshofen und St. Florian. Im übrigen wäre Elsenwang das einzige Salzburger Kloster, das spurlos einging, ohne daß sich die geringsten Reste oder Erinnerungen bewahrt hätten, es wäre sohin eine absolute Ausnahme. Einen sicheren Beweis gegen Elsenwang bietet das alles freilich nicht, so hat auch die folgende Überlegung hinsichtlich einer Klostervergangenheit St. Wolf gangs den Charakter eines Indizienbeweises, vor allem deshalb, weil die Archäolo gie mangels Grabungsmöglichkeiten nichts zur Klärung der Frage beitragen konnte und in absehbarer Zeit leider auch nichts beitragen wird können. Immerhin bestand aber hier ein Benediktinerkonvent.Barth^® und Zibermayr"'meinen zwar, diese von Mondsee abhängige klösterliche Gemeinschaft sei auf das Jahr 1451 zurückzufüh ren, als eine Visitationskommission die Einführung regulären Lebens verlangte, doch erwähnt Zibermayr selbst eine frühere Urkunde, nämlich ein Vistitationsprotokoll des Jahres 1435, in dem ebenfalls schon von einem Konvent die Rede ist. Auf welche Zeit diese Mönchsgemeinschaft zurückgeht, wissen wir also nicht. Zilier, S. 45-47; vom selben Autor: Der Hof zu Elsenwang, in: Mitt. d. Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. Salzburg 1979, S. 45. Wolfram, Dopsch, in: Dopsch - Spatzenegger, Bd. I, 1; Prinz, S. 416, 423. " Besichtigungen und Recherchen des Verfassers: über die Ausgrabungen gibt es noch keine Veröffent lichung. Barth, S. 63. Zibermayr, S. 66/67.
Neben der unklaren Stelle in der Notitia Arnonis sei auf die auffällige Anlage der hiesigen Pfarrkirche und ihre eigenartige Patroziniengeschichte hinge wiesen. Ardelt schreibtp° „Patroziniengeschichtlich ist die Kirche von St. Wolfgang deswegen bemerkenswert, weil sie im Laufe der Jahrhunderte vier Patrozinien ver zeichnet. Die alte Kapelle war Johann dem Täufer geweiht, der als Wald-, Eremitenund Benedikhnerheiliger galt. Mit dem Aufblühen der Ehrung des Apostels Johan nes, des Lieblingsheiligen Christi, ist für das Jahr 1413 auch dieses Patrozinium als zweites Patrozinium nachweisbar, ging aber wieder verloren. Mit dem Pacheraltar erhielt die Kirche 1477 ein Marienpatrozinium. Als Kultstätte des heiligen Wolfgang und als Wallfahrtskirche gilt sie seit 1306 als Wolfgangskirche." Ein derartiger Wech sel der Titelheiligen ist ungewöhnlich. LJngewöhnlich ist aber auch der Grundriß der Kirche, über den schon viele Vermutungen angestellt wurden, zuletzt von Benno Ulm,'' dessen profunde und sachkundige Überlegungen zwar die Baugeschichte weitgehend klären, aber nicht alle Fragen lösen können: Etwa, warum zwischen Langhaus und Chor das recht unorganische Turmjoch eingefügt wurde, oder ob man wirklich den ehrwürdigen, vom heiligen Gründer eigenhändig erbauten Altar einfach zur Seite rückte, obwohl dieser nicht nur die Stelle bezeichnet, wo das wun dersame Beil vergraben liegt, sondern darüber hinaus jene Örtlichkeit anzeigt, an der die erste Kirche stand, eine Örtlichkeit, die heute noch durch ein Gitter als heili ger Bezirk gekennzeichnet ist und „Gnadenaltar" genannt wird. Es wäre doch naheliegend, als Ursprung dieses komplizierten Baues eine Kirchenfamilie anzunehmen, wie sie für frühmittelalterliche Klöster typisch ist. Kol ler bezeichnet es als charakteristisch, daß neben den Klosterkirchen des 8. Jahrhun derts in unmittelbarer Nachbarschaft weitere Gotteshäuser errichtet wurden, was er für alle Salzburger Klöster dieser Zeit nachweisen kann, von Michaelbeuern und dem ominösen Elsenwang abgesehen." Neben der Klosterkirche gibt es nämlich stets auch ein für die Pfarrseelsorge dienendes Gotteshaus, wie dies besonders deut lich in Bischofshofen zu sehen ist. In St. Wolfgang existierte, wie Ulm nachgewiesen hat, eine romanische Kleinkirche in rechteckiger Form. Sie hatte einen westlichen Anbau etwa in der Breite des heutigen Seitenschiffes. Dieser Anbau könnte eine eigene Kirche oder, besser gesagt, Kapelle gewesen sein, so wie man dies etwa von St. Emmeram zu Regensburg kennt, wo seitlich an das Langhaus die als Pfarrkirche dienende St.-Rupert-Kirche angefügt ist. Es wäre aber auch denkbar, daß sich anstelle des heutigen Chores mit seinem Marienpatrozinium eine eigene Kirche befunden hat, wor auf die merkwürdige „Baunaht' des Turmjoches und überhaupt die exzentrische Lage des Chores hinweisen könnte. Diese Kirchen, die man sich an diesem entlege nen unwirtlichen Ort mit seinem beschränkten Platzangebot - Zillner spricht vom Rudolf Ardelt, Die St.-Wolfgang-Patrozinien in Oberösterreich, in: Der heilige Wolfgang und Ober österreich, Linz 1972. Ulm (die Arbeit ist auch veröffentlicht in: Der heilige Wolfgang - Ausstellungskatalog 1976). " Koller, Zur Frühgeschichte der ältesten Klöster in der Umgebung von Salzburg, in: Mitt. d. Gesell schaft für Salzburger Landeskunde, 1977, S. 5 ff.
m w ti ■ A N '•'{ik w - - ungünstigsten Platz am ganzen See'^ - als recht einfache Bauten vorzustellen hat, wären dann im Lauf der Zeit „zusammengewachsen" und schließlich in einem ein heitlichen Gebäude vereinigt worden, bei dem freilich noch die Grundrißstruktur die Erinnerung an die früheren Verhältnisse bewahrt hat. Sie hatte freilich auch auf die Anlage der „heiligen Stätten" des Einsiedlers Rücksicht zu nehmen. Es wurde im Zusammenhang mit der Geschichte von Bischofshofen darauf hingewiesen,^" daß es im 8. und 9. Jahrhundert ein Nebeneinander von geistlichen und weltlichen Klerikern gab, die zusammenwirkten. Im 10. Jahrhundert ist ganz allZiller (wie Anm. 44). Janota, Die Enhvicklung von Kirche und Siedlung in Bischofshofen, in: Mitt. d. Gesellschaft für Salz burger Landeskunde, 1977, S. 73 ff.
gemein eine vermögensrechtliche Trennung der beiden Gruppen erfolgt. In Regens burg war es der hl. Wolfgang, der diese Trennung vornahm, übrigens eine der bemerkenswertesten Leistungen seines Lebens. Es wäre also eine mögliche Erklä rung für viele Rätsel, welche die frühe Geschichte von St. Wolfgang aufgibt, anzu nehmen, der große Heilige habe auch am Abersee ein bestehendes kleines Kloster, das schon früher an einem der Bevölkerung heiligen Ort gegründet worden war, reformiert, indem er die Errichtung seines zweiten Gotteshauses für die Seelsorge und den weltlichen Klerus anordnete. Später bildete sich die Legende, er habe diese Kirche, die vielleicht einen noch drastischeren Eingriff in die alten heidnischen Gebräuche bedeutete als die Klostergründung, eigenhändig gebaut, womit man die ser Gründung eine größere Würde und Autorität verlieh. Das Kloster florierte nie sonderlich, ähnlich wie viele Gründungen dieses Gebietes, etwa Zell am See und Bischofshofen; es wurde von Mondsee in seiner Entwicklung gehemmt. Was Mond see aber förderte, war der Kult des heiligen Wolfgang, es hatte damit einen durch schlagenden Erfolg und konnte einen der attraktivsten Wallfahrtsorte des deutschen Sprachraumes sein eigen nennen. Hauptsächlich verwendete Literatur Andree-Eysn, Marie: Volkskundliches. Aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet, Braunschweig 1910. Barth, Friedrich: St. Wolfgang, ein Heimatbuch, St. Wolfgang 1950. Dopsch, Heinz, Spatzenegger, Hans (Herausgeber): Geschichte Salzburgs, Salzburg 1981-1988. Gugitz, Gustav: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch, Band 5 (Oberösterreich und Salzburg), Wien 1958. Prinz, Friedrich: Frühes Mönchstum im Frankenreich, München - Wien 1965. Ulm, Benno: Baugeschichte der Wallfahrtskirche von St. Wolfgang im Salzkammergut, in: Der heilige Wolfgang und Oberösterreich, Linz 1972. Zibermayr, Ignaz: St. Wolfgang am Abersee, Horn 1961. Ziller, Leopold; Vom Fischerdorf zum Fremdenverkehrsort; Geschichte St. Gilgens und des Aberseelandes, St. Gilgen 1975. Zinnhobler, Rudolf, Pfarl, Peter: Der heilige Wolfgang - Geschichte - Legende - Kult - Kunst, Linz 1975. Der heilige Wolfgang in Geschichte, Kunst und Kult, Ausstellungskatalog Linz 1976. Anmerkung: Ende Oktober/Anfang November 1993 konnten durch einen glücklichen Zufall in der Kir che von St. Wolfgang durch das Bundesdenkmalamt Qohann Offenberger) archäologische Grabungen durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind natürlich noch nicht veröffentlicht, es scheint aber, daß dadurch die Vermutungen Ulms über die Lage der Vorgängerkirche bestätigt wurden. Damit würden auch Thesen, die in der vorliegenden Arbeit vertreten werden, gestützt.
David Vinckboons' „Kirmesszene" in den Kunstsammlungen des Stiftes Kremsmünster Zu Fragen der Ikonologie des Bauemstückes und seiner Einordnung in die niederländische Kunsttheorie des 17. Jahrhunderts Von Hans Loinig Nach Jan Brueghels „Vier Elementen" mag der vorliegenden Bauernszene von der Hand David Vinckboons' (1576-1631/33) innerhalb des Bestandes an nie derländischen Werken des 17. Jhs. in den Kunstsammlungen des Stiftes Kremsmün ster die qualitahv wohl höchste Bedeutung zugemessen werden. Wiewohl das Stück weder Signatur noch Datierung trägt, ist an der Autor schaft Vinckboons' nicht zu zweifeln und der Zuweisung an diesen zu folgen. Die selbe erschließt sich aus dem stilistischen Befund und der Tatsache gleichermaßen, daß sich das Kremsmünsterer Werk als erweiterte Fassung eines 1608 datierten Genrestückes dieses Meisters in Berlin darstellt, welches seinerseits auf weiteren Vorstufen in dessen CEuvre gründet. Da sämtliche Werke bäuerlichen Sujets von der Hand Vinkboons' bis auf eine Ausnahme dem ersten Jahrzehnt des 17. Jhs. entstam men, scheint eine Eingrenzung der Entstehungszeit der Kremsmünsterer Bauern szene auf die Jahre 1608-1611 wahrscheinlich. Über den Zeitpunkt der Eingliede rung in die Sammlungen des Stiftes schweigen indes die Quellen. Der aus Mecheln gebürtige Autor entstammt einer alteingesessenen flämi schen Familie, die bereits wenige Jahre nach seiner Geburt in die Metropole Antwer pen übersiedelt war. Ebendort wurde der Jüngling zunächst von seinem Vater, spä terhin von einem nicht näher bekannten Kleinmeister in den Anfangsgründen der Malerei unterwiesen. Der Fall Antwerpens 1586 im Gefolge der spanisch-niederländischen Aus einandersetzungen um die Unabhängigkeit der Nordländer erzwang indes den Wechsel ins nordniederländische Amsterdam, wo Vinckboons fernerhin auch blei benden Aufenthalt nahm. Sohin rechnet der Meister zu jener Vielzahl herausragen der, flämisch geschulter Kräfte, deren gewaltsam veranlaßte Exilierung von nachhal tigem Einfluß für die Herausbildung einer eigenständigen nationalholländischen Malerei werden sollte. In der Tat gründet das CEuvre Vinckboons', der vorwiegend Genreszenen in landschaftlichen Umräumen zur Ausführung brachte, zu beträchtlichen Teilen auf der althergebrachten flämischen Tradition des späten 16. Jhs. Seine Waldlandschaften etwa - wechselnd mit höfischer, mythologischer oder biblischer Staffage versehen - schließen eng an die Manier Gillis van Coninxloos und J. Saverys an; seine bäuerlichen Genreszenen, deren eine hier vorliegt, las sen das unmittelbare Vorbild Bieter Brueghel d.Ä. u.J. sowie Hans Bols unzweifel-
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