Herausbildung nationalstaatlicher Strukturen im 19. Jahrhundert werden diese Beziehungen dünner, wenn sie auch nie ganz aufhören. Die heutigen wirtschaftli chen Beziehungen zwischen Schwaben und Österreich können als dicht angesehen werden. Nach dem letzten Weltkrieg erlitten Schwaben und Österreich ein ähnliches Schicksal bezüglich der Aufnahmevon Heimatvertriebenenaus dem Sudetenland, die 1947 19 Prozent der Bevölkerung in Oberösterreich und ca. 25 Prozent in Schwa ben stellten und die dem beidseitigen Wirtschafts- und Kulturleben wesentliche Impulse vermittelten. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Rückkehr der Tschechen nach Europa ergeben sich neue Möglichkeiten der kulturellen Zusammenarbeit zwischen Schwaben und Oberösterreich, die an dem gemeinsamen Interesse an Böhmen anknüpfen können. Oberösterreich versteht seine Regionalkultur heute als einen offenen Dialog mit dem böhmischen Nachbarn, die Zusammenarbeit und der Aus tausch wachsen. Hingewiesen sei auf die gemeinsame Pflege des Erbes von Adalbert Stifter, kulturhistorische Ausstellungen und Tagungen sowie Unterstützungen Oberösterreichs im Bereich der Denkmalpflege. Der hohe sudetendeutsche Anteil an der schwäbischen Bevölkerung ließe sich hier zu einer Drittverpflichtung entwikkeln. Die Kulturpartnerschaft zwischen Schwaben und Oberösterreich kann also an zahlreiche historische und kulturelle Begebenheiten anknüpfen. Die ersten zehn Jahre dieser Kulturpartnerschaft dienten vor allem der Pflege des Austausches der Heimatpflege und Volksbildung. Durch die bewußte Auf nahme großer Bruckner-Symphoniekonzerte, etwa in Ottobeuren, wurde aber auch die Musikpflege als ein gemeinsames Fundament mit hohem Interesse einbezogen. Auch die moderne Kunst in Malerei und Bildhauerei schloß sich durch Ausstellun gen an, ebenso die Fotografie und das Amateurtheater. Gegenseitige kulturelle Besu che, heimatpflegerische Zusammenarbeit in Mundart, Volksmusik, Volkstanz, Brauchtum und Laienspiel haben sich selbständig entwickelt; oberösterreichischschwäbische Kulturtage in Ottobeuren erfüllten impulsgebend die vertraglich ver einbarte Kulturpartnerschaft. Das Land Oberösterreich und der Bezirk Schwaben sind Kulturregionen Europas. Ein lebendiges gemeinsames Europa kann nur verwirklicht werden, wenn den Bürgern bewußt wird, daß die geistige Infrastruktur, die kulturelle Identität in ihrer Heimat, also in den Regionen, in denen sie leben, bewahrt bleiben können. An diesem gemeinsamen Auftrag arbeiten beide, Oberösterreich wie Schwaben. Dabei fühlen sie sich gemeinsam auch aufgrund der gegenseitigen ideellen Austausch möglichkeiten als Partner der wichtigen Laienkulturarbeit. Europa muß von unten her aufgebaut werden, von seinen Regionen mit ihrer eigenen Geschichte und ihrer eigenen Kultur. Die kulturelle Vielfalt Europas ist zugleich sein größter Schatz und damit das Fundament, auf dem das gemeinsame europäische Haus errichtet werden kann. Die Bewahrung kultureller Eigenständigkeit muß gewährleistet bleiben. Kul tur läßt sich zum Glück nicht abgrenzen wie ein Territorium; sie hat überlagernde, verzahnende und verbindende Wirkungen. Die regional-kulturelle Europa-Idee
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