Eine Frau wandelt ein Land Eine Wanderung durch Oberösterreich anhand der Werke von Lydia Roppolt Von Harry Slapnicka Bei einem Preisausschreiben für die seinerzeitige Linzer VOEST-Kirche, die Kirche St. Michael im Linzer Stadtteil Bindermichl, gewinnt die junge Wiener Künstlerin Lydia Roppolt den ersten Preis. Das war zwar nicht das erste Werk der Künstlerin, die sich schon in Wien und in der Assumption Church in Edmonton in Kanada bewährt hatte, aber es war ihr bisher größter Erfolg, ihre erste Arbeit für Oberösterreich und einer der größten Aufträge, den sie je erhielt; ein Fensterband in einem Ausmaß von 290X8.100 cm. Nach einem theologischen Programm von P. Georg Stangfeld zeigen die sechs Bilder links den Einsatz der guten Engel für die Sache Gottes: Michael stürzt Luzifer, ägyptische Osternacht, Verkündigung Mariae, Christus auf dem Ölberg, der Engel am Grabe des Herrn, ein Engel löst die Ketten Petri. Die sechs Bilder rechts zeigen den Teufel als Zentrum der Bosheit und des Hasses, den Sündenfall, Kain schlägt Abel, den Kindermord zum Bethlehem und die Flucht nach Ägypten, die Versuchung des Herrn, den Verrat des Judas, Satan ver folgt Christus in seinen Gliedern. Das vorgegebene anspruchsvolle Thema wurde von der Künstlerin erregend gestaltet. Die Fenster entstanden 1956/57. Wenn auch das Kircheninnere von St. Michael in der Zwischenzeit leicht geändert wurde, ist das Fensterband von Lydia Roppolt als moderne „biblia pauperum" unverändert geblie ben. Es ist gut, dieses erste Werk der damals jungen Künstlerin in Oberösterreich vorerst einmal zu betrachten. Lydia Roppolt war als Tochter eines österreichischen Botschaftsangestellten in Moskau geboren worden und hatte in schwerer Zeit nach Ende des Zweiten Welt krieges an der Wiener Akademie der Bildenden Künste studiert; namhafte Professo ren dieser Zeitenwende wie Sergius Pauser, Albert Paris Gütersloh und Herbert Böckl waren ihre Lehrer, namhafte lebende Künstler ihre Studienkollegen. Der Sprung ins besondere Fachgebiet der künstlerischen Glasfenster war in einer Zeit verständlich, da nach Kriegszerstörungen und angesichts eines erwachen den religiösen Bewußtseins der österreichischen Bevölkerung hier schöne und große Aufgaben lockten: bei Neubauten, Erweiterungsbauten und bei der Ausge staltung alter Kirchen. Es gibt aber nicht viele Kirchen, die so wie St. Michael am Linzer Binder michl im wesentlichen von einer einzigen Künstlerin, eben von Lydia Roppolt, geprägt sind. Einmal ist es das Fensterband mit seinen 250 Quadratmetern Fenster fläche, das der damalige Kunstkritiker Ottokar Blaha als einen „Waffengang des Gei-
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