OÖ. Heimatblätter 1993, 47. Jahrgang, Heft 2

aus späterer Propagandamühle sattsam bekanntes Opfergetue: wir haben uns aufgeopfert und nehmen dem Volk die Last des Regimentes ab, damit es nicht schwindlich werde." Da ist die spätere „Selbstausschaltung" des Parlaments in Osterreich und das deutsche „Ermächtigungsgesetz" vorweggenommen. Die „Jahre der Entscheidung" sind da! Den Staat beherrscht fortan eine machtlüsterne, gesetzesungebundene Dik tatur der Unterschicht. Die „Schrifttumsrede" Gleichzeitig ringt der Dichter um einen Ausweg aus der Hoffnungslosigkeit des Turms II. Als einen solchen wird man seine Münchner Schrifttumsrede vom 10. Jänner 1927 zu sehen haben, die durch ihre Schlußsätze von „einer konservativen Revolution, von einem Umfange, wie ihn die Geschichte nicht kennt", berühmt wurde. Sie kommt in ihrem Anliegen, Zustände zu schaffen, deren Erhaltung sich lohnt, der Abschiedsrede des Sigismund in Turm I ganz nahe. Der Prinz will näm lich darin beides in diesem Dasein vereinen: „... ordnen und aus der alten Ordnung heraustreten." Und weiter: „... ich will nicht dies oder das ändern, sondern das Ganze mit einem Mal, und dann wollen wir alle zusammen die Bürger des Neuen sein." Carl J. Burckhardt deutet in seinen „Begegnungen mit Hofmannsthal" das zu Mißverständnissen Anlaß gebende Stichwort von konservativer Revolution als „eine Beschwörung, Vergangenes und Zukünftiges aneinander zu binden, als eine Absage an jenes unheilvolle Vergessen, das ... alles dem Augenblick überläßt." Das Interesse, das Hofmannsthal der Politik entgegenbrachte, in der er Form und konservative Bindung anstrebte, läßt uns Hermann Brochs Urteil nur mit äußer stem Vorbehalt akzeptieren, daß nämlich bei Hofmannsthal das „Unpolitische seiner österreichisch-bürgerlichen Herkunft ins Extrem gesteigert (war): Wo er sich mit politischen Strukturen befaßt - sogar noch im ,Turm' - da schlägt das ästhetisch Mystische durch, der Wunsch nach hierarchischer Ordnung, etwa wie sie im alten Ständewesen konkretisiert gewesen war." Freilich waren in Hofmannsthals Spätwerk Ethos und Religion am bestim mendsten, kann doch nach den Worten des Staatsrechtlers Hermann Heller „nie und nimmer die letzte Sehnsucht unserer Seele durch die Politik befriedigt werden". Hofmannsthals Verzweiflung über seine Zeit, die er einer Katastrophe zusteuern sah und deren Ausdruck die letzte Fassung des „Turms" ist, wäre - wenn möglich - noch tiefer gewesen, hätte er noch zur Kenntnis nehmen müssen, was Ernst Jünger ein Jahr nach Hofmannsthals Tod Carl Schmitt zu seinem das Politische auf die Freund-Feind-Formel reduzierenden „Begriff des Politischen" schrieb: „... Die Abfuhr, die allem leeren Geschwätz, das Europa erfüllt, auf diesen 30 Seiten erteilt wird, ist so irreparabel, daß man ... zur Feststellung des konkreten Freund-Feind-Verhältnisses übergehen kann. ... Der Rang eines Geistes wird heute durch sein Verhältnis zur Rüstung bestimmt..."

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