derkönig nicht die Lösung des Konfliktes zwischen rechter Ausübung der Macht und deren Mißbrauch bleiben konnte. In seinen „Erinnerungen an Hofmannsthal" berichtet Carl J. Burckhardt, wie schwer dem Dichter die Umarbeitung des „Turms" zu dem hoffnungslosen Schluß wurde, über dem sich „kein Himmel wölbt". Hatte aus dem letzten Akt von Turm I, „aus all dem Furchtbaren doch das Versöhnende, die Zukunft herausleuchten" (müssen), so siegt in der zweiten Neufas sung (des 4. und 5. Aktes), aus dem der Kinderkönig mit seiner „grünen" Jugendbe wegung eliminiert ist, der brutale und pöbelhafte Gefreite Olivier, die Verkörperung der nackten Gewalt, des Terrors. Der „Gefreite" braucht den Prinzen zur Ligitimation seiner Herrschaft, so wie Hitler Hindenburg brauchte. Doch Sigismund spielt nicht mit. Deshalb wird er von Scharfschützen Oliviers abgeknallt. Dem Volk aber wird ein Doppelgänger Sigismunds gezeigt. In dieser Hoffnungslosigkeit endet das Trau erspiel. Zwischen Turm 1,1925 veröffentlicht, und der Anfang 1928 in München und Hamburg aufgeführten zweiten Neufassung (= Turm II), also in der Zeit, in der sich Hofmannsthal mit dem Schluß der Erstfassung nicht abfinden kann, weil sie der Wirklichkeit nicht (mehr) entspricht, liegt der Brief des Dichters vom 9. November 1926 an Josef Redlich, dem er tags zuvor von dem stärker hervortretenden „actuell politischen Gehalt" der Zweitfassung des „Turms" berichtet hatte. Dieser Brief lautet auszugsweise: „Eine neue Erscheinung ist vor etlichen Wochen, durch einen Zufall völlig, in mein Blickfeld getreten. Es ist der Staatsrechtler der Universität Bonn, Carl Schmitt ... Die Schrift, die mir zuerst in die Hand fiel, hieß ,Politische Theologie' (= die Lehre von der Souveränität). Was mich an den Ausführungen fesselt, ist eine gewisse vitale Intensität... Ganz natürlich ergibt sich ein scharfer Gegensatz zu Kel sen, dem Mann des ,relativistischen Formalismus'. Ein größeres Buch von ihm, ,Die Diktatur', fesselt mich gleichfalls. Er hat enorme geschichtliche Kenntnisse und Geschichte ist ihm ein Lebendiges, wie Ihnen und mir ..." Man sieht, mit dem stärkeren politischen Gehalt des Turms II ist staatsrecht liches Studium einhergegangen. Der „relativistische Formalismus" Kelsens liegt Hof mannsthal nicht. „Vom Wesen und Wert der Demokratie" und vom darin beschwo renen Wettbewerb der Parteien um die Majorität läßt sich der Dichter nicht überzeu gen. Die Wirklichkeit ist nicht bestimmt vom Geist des Parlamentarismus, ist Partei engezänk und -geschwätz. In Garl Schmitts „Politische(r) Theologie" war das Ende der „clasa discuhdora", des liberalen Bürgertums, aus dem Hofmannsthal kam, vor gezeichnet. In Deutschland und in Österreich waren Aufstand, Streik, Putsch an der Tagesordnung, das Gespenst des Bolschewismus erstreckte und gebar „antidemo kratisches Denken" (Sontheimer). Der Staatsrechtler Koellreutter sprach von einer „revolutionären und gerade deshalb stark im Zeichen der Diktatur stehenden Zeit". 1927 ist das Signum der Zeit auf die verhängnisvolle, aber den Zeitläufen angemes sene Formel gebracht. „Der Begriff des Politischen" besteht, so Carl Schmitt, im Freund-Feind-Verhältnis. Die Brutalität dahinter durcheist den 5. Akt von Turm II: „Die Pfaffen- und Komödiantensprache ist abgeschafft. Es ist ein nüchterner Tag über der Welt angebrochen." Das ist die Sprache Oliviers, dazu kommt noch sein
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