OÖ. Heimatblätter 1993, 47. Jahrgang, Heft 2

liegt in der Gestalt des Bettlers, der seinen Platz unter den „Erniedrigten und Belei digten" verlassen will, der sich durch eine ungerechte Ordnung, die er als Gewalt benennt, seines Lebensrechtes beraubt sieht; „Der Weltstand muß dahin, neu werden muß die Welt, Und sollte sie zuvor in einem Flammenmeer Und einer blutigen Sintflut untertauchen. So ists das Blut und Feuer, das wir brauchen." Der Bettler begnügt sich nicht mit sozialer Besserstellung. In der Kernszene des Werkes schleudert ihm der Nutznießer des Bestehenden, der Reiche, also der Vertreter der kapitalistischen Weltordnung, entgegen: „Ordnung ists, die ihr braucht!" Darauf der Bettler: „Mit dem verfluchten Wort Kommst du mir nicht. So nennt ihr die Gewalt, Die uns in Boden druckt." Hier flammt die revolutionäre Phrase, das radikale Dogma. Dagegen setzt der Reiche das insbesondere aus Grillparzers „Bruderzwist" zufließende Bild der Ordnung: „Was du herbeifest hier von Herr und Knecht, Von Erbe und Enterbt, Gerecht und Ungerecht, Es ist dir nicht von selbst zu Hirn gediehen. Jahrtausendaltem Schatz hast du's, der Ordnung nach, entliehen - ... Reiß Ordnung ein, den heiligen, alten Damm, Reiß ein, lös auf die ganze Welt in Schlamm!" Der Bettler will aber nicht mehr in der bestehenden Ordnung bleiben, er will „Ordnung machen". Hinter ihm steht das Bild der russischen Revolution. Hinter Moissis Bettler, so schreibt Hofmannsthal an eine amerikanische Literaturzeitschrift, sei das Gespenst des Bolschewismus gestanden. Als der Bettler die Axt hebt, um alle niederzustrecken, welche die bisherige Weltordnung repräsentieren, kommt eine Art Trance über ihn. „Das kann nur in einem Mysterium gewagt werden", schreibt Hofmannsthal. Nun erscheint ihm die Verteilung der Macht und der Glücksgüter gleichgültig, „er ist ein Weiser geworden, oder ein Christ, oder ein Erleuchteter, oder wie man es nennen will". Natürlich wit zelt Alfred Polgar darüber: „Was soll der Arme für Lehren ziehen aus des Bruder Bettlers Schicksal? Begrabe die Streitaxt, geh in den Welt und laß einen weißen Voll bart sprießen?" Es ist aber ein Mysterienspiel, für das die soziale Revolution nichts ist, ja sub specie aeternatis sinnlos, es geht ja nur um das nach dem Tod, wie auch Polgar einräumt. Hofmannsthal kehrt damit zu Calderon zurück, beide rühren nicht an der ständisch-statischen Ordnung. Zum selben Ergebnis, wenn auch auf „säkula risiertem" Weg, kommt Aldous Huxley in dem 1936 erschienenen Essay-Roman

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