OÖ. Heimatblätter 1993, 47. Jahrgang, Heft 2

Die Linzer Kettenbrücke Ein Projekt der Biedermeierzeit imd seine zeitgenössischen Vorbilder Von Georg Wacha Ein modernes Lexikon gibt unter „Kettenbrücke" die Erklärung, es handle sich dabei um eine historische Form von Hängebrücken, bei denen die Haupttrag glieder aus hängenden Ketten bestehen. In Wien ist jedem die Bezeichnung von der Station „Kettenbrückengasse" vertraut, das berühmteste Beispiel für eine Ketten brücke ist die Brücke über die Donau in Budapest. Historisch gesehen sind Hängebrücken an Eisenketten chinesischen Ursprungs. Im Jahre 65 n. Chr. wurde die erste Eisenkettenbrücke in der chinesi schen Provinz Yunnan erbaut, eine tibetanische Brücke wäre ungefähr um 1420 nach europäischer Jahreszählung errichtet worden. Als älteste Kettenhängebrücke Euro pas wird ein Steg bezeichnet, der über die Schöllenenschlucht auf der Gotthardroute gebaut wurde. Dieser Steg hing an Ketten. Erste Versuche im Kettenbrückenbau sind im 18. Jahrhundert festzustellen. Einer der Pioniere war Guillaume Henry Dufour, der eine Drahtseilbrücke entwarf. Seit 1816 sind solche Versuche mit Drahtseilen gemacht worden, doch handelte es sich meist um temporäre Brücken. Im Jahre 1822 machte Dufour einen Entwurf für eine Brücke in Genf, Marc Seguin entwickelte die erste Versuchsbrücke in Annonay.' In Österreich sind zwei Vorkämpfer des Kettenbrückenbaues besonders hervorzuheben. Der erste und ältere war der Techniker Ignaz von Mitis (* Wien, 4. Mai 1771, t Baden, 4. September 1842). Nach Studien an der Theresianischen Rit terakademie war Mitis 1793 bis 1797 im niederösterreichischen Justizdienst tätig, betrieb dann ein Studium der Ghemie und errichtete mit seinem Vater eine Fabrik chemischer Produkte in Kirchberg am Wechsel. Das von ihm entdeckte, als Arsen verbindung giftige „Mitis-Grün" wurde später wegen seiner Produktionsstätte als „Schweinfurter Grün" bezeichnet. 1818 gab Mitis die Fabrik auf und übernahm die Oberleitung der Fabriken und Bergwerke von Thomas Graf Batthyäny. Im Jahre 1823, also sichtlich unter dem Einfluß der Versuche von Dufour und Seguin, grün dete Ignaz von Mitis eine Aktiengesellschaft zur Erbauung einer Kettenbrücke über den Donaukanal in Wien (Sophienbrücke).^ Zu dieser Zeit baute man schon große Brücken nach der neuen Methode. Nach dem Entwurf von Thomas Telford wurde die Brücke über die Meerenge von Menai im Mai 1819 begonnen, die am 30. Jänner ^ Tom F. Peters, Die Entwicklung des Großbrückenbaus, ETH Zürich 1979, S. 51 ff., 173 ff. Dazu kurz Marcel Prade, Les ponts au XIX' siede, in: Sites et Monuments n. 126, 1989, p. 11-14, fig. 1 Qarnac). ^ Paul Mechtler, Ignaz von Mitis, in: Österreichisches Biographisches Lexikon (ÖBL) 6, Wien 1875, S. 321.

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