Perspektiven Hier ergibt sich die Frage, wie wir mit unserer kulturellen Tradition umge hen, wie wir verantwortungsvoll Neues schaffen können. Wir haben uns heute die Fragen zu stellen: - Was wollen und müssen wir unverändert in seinem Bestand erhalten als Zeugnis einer bestimmten Zeit? - Was wollen und dürfen wir zum Nutzen unserer Gegenwart uns angepaßt aneig nen? - Was dürfen und können wir lebendig verändern? - Was können wir an kultureller Vergangenheit zum Nutzen der Gegenwart wirt schaftlich einsetzen, ohne der Sache selbst zu schaden? Die Tragweite dieser Fragen ist nicht zu unterschätzen, sie umfaßt sowohl die Seite der allgemeinen, grundlegenden Ethik wie die Auswirkungen aufs kleinste Detail. Sie ist auch die Frage nach dem anzulegenden Maß, das Konservierung, lebendige Weiterentwicklung und gewissenlose Vermarktung bestimmt. Erhaltenswert und schützenswert ist an sich jeder Punkt unserer Kulturge schichte, nur wird die Fülle der Erscheinungen sowohl in ideeller als auch in materi eller Hinsicht das nicht ermöglichen. Auswahl und Wertung obliegen daher den nachfolgenden Generationen. Maßnahmen der Volkskulturarbeit müssen vor allem dem konkreten tägli chen Leben der Ortsansässigen dienen. Und nicht nur deren regionaler Darstellung, deren historisierenden Bedürfnissen und Zwängen, sondern auch deren Bedürfnis sen und Erfordernissen im konkreten Alltag. Auch geschichtliche Wahrheit ist dazu notwendig. In diesem Sinne kann Volkskultur auch zum Lehrbeispiel werden, Achtung vor anderen Kulturen zu entwickeln und deren innere Zusammenhänge zu begrei fen und zu verstehen. Nehmen wir also unsere eigene jeweilige Volkskultur als Bei spiel, am Kleinen für das Große zu lernen. So werden uns Kulturmuster, kulturelle Zusammenhänge am bekannten Beispiel deutlich und helfen damit, große kulturelle Prozesse zu verstehen. Nur wer sich als Person, als Volk, als Interessengruppe, als Berufsverband etc. anerkannt fühlt, kann wohl Toleranz für andere aufbringen. Wer in seiner Heimat, in seinem Lebensraum, seinen Berufsaussichten und Anliegen gesichert ist, wer in seinen Sitten und Bräuchen respektiert wird, frei seine Religion ausüben kann, wird diese Rechte und Sicherheiten auch anderen neidlos zugestehen können. Was wir an regionaler, familiärer, sozialer Kultur- und Heimaterfahrung von Kind an mitbekommen, muß in uns einen Charakter ausbilden, zur Persönlich keit ausreifen. Das ist unser Erbe, unsere Tradition, unser Kapital. Daraus müssen wir unseren ganz persönlichen Wertekatalog entwickeln, uns Identität erarbeiten, Selbstbewußtsein aufbauen. Erst mit diesen Sicherheitsgarantien werden wir sinn voll an einer lebenswerten, gegenwärtigen, auch in die Zukunft weisenden und rea len Kultur mitarbeiten können.
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