OÖ. Heimatblätter 1993, 47. Jahrgang, Heft 2

Das ist ein allgemeines psychosoziales Phänomen, das in Kleingeistigkeit, Intole ranz, ja im weitesten in Rassenhaß und Diskriminierung enden kann. Durch Erzie hung und Bildung, durch Förderung der individuellen Leistungen innerhalb der Gruppe, durch Ausbildung eines gesunden Selbstbewußtseins kann diesem Pro blem am besten begegnet werden. So können Vereine zu wesentlichen Zellen der Gesellschaft werden und beispielhaft wirken. Ebenso ist es heute wesentlich, die fatale Polarisierung, hier Staat - hier Individuum, abzulegen und uns wieder als aktive, zur Verantwortung berufene Mitglieder eben dieses Staates, dieser Gesell schaft zu begreifen. In diesem Sinne sollte auch eine Volkskulturpflege oder Volks kulturentwicklung nicht als Gegenwelt zu einer für viele beängstigenden modernen Welt des offenen Europa gestaltet werden, sondern integrativ verankert sein. Nur was im engsten Zusammenhang mit unserer konkreten Realität steht, kann auch an dieser konkreten Realität mitbauen helfen. Volkskultur im Museum und als museale Bewahrung hat ihre Berechtigung als historische Dokumentation. Weiterleben wird sie allerdings nur dann, wenn sie sich mit der Gegenwart weiterentwickelt, an den Bedürfnissen des Alltags orientiert ist. Wir sehen, daß aus dem Lande kommende Kultur, daß Tradition nicht nur sta tisch bewahrt, sondern lebendig weitergetragen werden kann und so, ihrerseits das Kulturleben im Lande positiv beeinflussend, in die Gegenwart und weiter in die Zukunft führen kann. Nicht der Stillstand ist das Zeichen der Volkskultur, sondern die „lange Dauer", der allmähliche Wandel (Glaude Levi-Strauss: longue duree). Nützen wir dieses im Lande schlummernde Kulturpotential, das ja nicht nur im Bereich der Volksmusik und der traditionellen Volkskultur zu finden ist, sondern sich auf allen Ebenen und in allen Facetten der Kultur bemerkbar macht, gerade heute im Hinblick auf ein offenes Europa. Das wirksamste Mittel gegen die Angst vor dem „Einheitsbrei Europa", die sich in allen unschönen und unmenschlichen Facetten manifestiert, ist weder Ausgrenzung noch Grenzaufrichtung, noch ein Einerlei von neuen, inszenierten oder verordneten sogenannten Regionalkulturen, die weit über Europa hin wieder gleich werden müssen. Das Mittel dagegen muß und kann nur die in und aus dem Lande erwachsende Kultur der vielen sein, die, aus der Tradihon sowie aus der Reibung an dieser kommend, in diesem Lande und für dieses Land leben, es gestalten und an ihm mitwirken. Diese lebendige Form eigen ständiger Regionalkultur wird sich auch weder ausschließlich in Volkskultur oder Hochkultur, in Jugend- und etablierte Kultur, in Sub- und Unkultur trennen lassen, noch wird sie in diesen Bereichen gegensätzliche Pole sehen. Wie in der Vergangen heit auch werden sich hier Volks- und Hochkultur mehrfach gegenseitig befruchten und beeinflussen. Volkskultur und Regionalkultur im neuen Europa Wie lassen sich also in einem geeinten Europa der Zukunft die Bedürfnisse nach Regionalkultur erfüllen und die Ängste vor Überfremdung vermeiden? Was der Münchner Sozialpsychologe Heiner Keupp über „Minderheiten im Streß" sagte, gilt auch für die einzelnen Regionen im neuen Europa (Rektorenkonfe-

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