OÖ. Heimatblätter 1993, 47. Jahrgang, Heft 2

bedeutet somit auch Dialog und Begegnung innerhalb der kulturellen Vielfalt. Sie läßt nationalstaatliche Interessen unberührt und verbindet grenzüberschreitend die Menschen. Dabei geht es auch darum, den Begriff Volkskultur einzubinden. Es gibt nur wenige Begriffe, mit denen in so großem Umfang Etikettenschwindel und Miß brauch getrieben wird wie mit diesem. In dem fruchtbaren Dialog unserer Gebiets körperschaften haben wir gemeinsam die Aufgabe, durch Annäherung wie durch Sicherung den Begriff der Volkskultur unverfälscht zu erhalten. Volkskultur ist der Gegenentwurf zur Massenkultur der Industriegesellschaft. Sie entsteht aus dem Wunsch, begrenzte und überschaubare Systeme und Zusammenhänge, kurzum Heimat, zu schaffen. Volkskultur beinhaltet mehr als das bloße Konservieren von Traditionen. Dies ist in einer schnellebigen Zeit wie der unseren zunächst unbestrit ten eine wichtige Aufgabe. Man denke nur an die Wiederbelebung der sinnstiften den Feste. Der „museale" Begriff der Volkskultur hat bis heute Bestand, Wert und Bedeutung. Man muß allerdings darüber nachdenken, ob er allein ausreichend ist. Sendungsbewußtsein und Gralshütertum mit Exklusivanspruch sind meistens gefährlich. Deswegen muß Kulturpflege vielfältig, demokratisch und kommunikativ sein, damit sie sich auch für Neues öffnen und sich mit ihm auseinandersetzen kann. Kultur war stets einem Wandel unterworfen. Die Volkskulturpflege darf sich deshalb nicht auf das Brauchtum, die Trachten, die Volksmusik oder das Volkstheater beschränken, sie muß sich auch bemühen, neue Entwicklungen zu fördern, gerade auch im Bereich der Jugendkultur. Volkskultur ist auch keine heile Welt; sie muß sich anderen Kulturen öffnen. Dies gilt gerade in unserer Zeit, in der das Fremdlän dische oft mit besonderem Argwohn, ja mit Feindschaft angegangen wird. Am Bei spiel der wieder beliebt gewordenen Mundartpflege wird dies deutlich. Der Dichter Martin Walser, übrigens ein Schwabe, spricht vom Dialekt als „Goldwährung". Die eigene Sprache kann aber auch ein Akt der Ausgrenzung sein all derer, die diese Sprache nicht sprechen. Deswegen ist Begegnung auch über den Dialekt zugleich ein Akt der Menschenwürde und der gegenseitigen Anerkennung. Kultur - das zeigt jeder Blick in die Geschichte - ist immer dynamisch, ist immer eine Mischung von Altem und Neuem, von Eigenem und Fremdem. So gese hen ist der Auftrag, regionale Kultur zu fördern und zu pflegen, heute von hoher politischer Bedeutung. Es geht nicht um Ausgrenzung, sondern eher um das para digmatische Element, d.h. um die Besonderheit einer Region, in der wie in einem Brennglas die allgemeinen zeitlichen Phänomene, die aktuellen menschlichen Pro bleme und die gesellschaftlichen Anliegen deutlich werden. Wir sollten auch in die sem Sinne Kultur als ein gesamtheitliches Anliegen verstehen, zu dem die Pflege der Landschaft, der Baukunst, der Denkmäler, der Kunst- und Brauchtumstraditionen, der Lebensart, der Bildung und der künstlerischen Aktivitäten gehören. Alles zusammengenommen bildet den Begriff der Heimat, in der sich die Welt spiegelt. Darin könnte die Wiederentdeckung Europas als ein Gefüge stammes- und land schaftsgepflegter Kulturregionen liegen. Das gemeinsame Verständnis von Kultur Oberösterreichs und Schwabens füllt eine Lücke. Diese Kulturauffassung entspricht

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2