Zumeist ging es bei solchen Raufereien um Selbstdarstellung vor Mädchen, wie mir Gewährsleute aus eigenem Erleben erzählten. Man hatte ja zudem den Brau erstolz zu verteidigen. Auf meine Frage nach Hobbys wurden mir nur kurzzeitliche Freizeitbeschäf tigungen genannt, wie Kegeln, Eisstockschießen und Kartenspielen. Es verwundert nicht, daß das Leben bei gleichzeitigem Arbeiten in einer Innviertier Brauerei kaum Möglichkeiten für die Entfaltung eines komplizierten Hobbys, das Zeit und Stu dium benötigte, bot. Hobbys wie Zimmerbalken schnitzen, Bienen züchten oder Schi fahren unter den jüngeren Brauereiarbeitern konnten erst nach der Trennung zwischen Arbeitsplatz und Wohnbereich begonnen werden. Keine der früher üblichen Festbräuche des Jahresablaufes werden heute noch im Brauhaus abgehalten. Die Privatisierungswelle der letzten Jahrzehnte entfernte alle Feste wie Ostern, Fronleichnam und Weihnachten aus dem Bereich des Arbeits platzes. Den Wechsel in den privaten Wohnbereich begleitete auch die Festtagskul tur. Aus Ach an der Salzach wird berichtet; „(Die Bräuburschen) haben bei uns immer zur Familie gehört. Zu Weihnachten haben sie schon immer ihr Weihnachts geld gekriegt, und irgendwas hab ich ihnen alleweil gekauft dazu, aber Feiern hat's damals noch net so geben. A Hemd dazu oder a Handtuch, oder eine warme Unterhos'n für den Winter, damals so (Neunzehnhundert)sechzig." Die Weihnachtsgeschenke der Brauherrnfamilie an die Brauereiarbeiter waren vorrangig funktionell. Es wurde Gewand oder Wäsche verschenkt. Interes sant ist die schichtenweise Einführung des Weihnachtsbaumes als Festdekor. In der Brauherrnfamilie des mittleren Innviertels ist er um die Mitte des 20. Jahrhunderts bereits fest integriert, dem Brauereiarbeiter bäuerlicher Herkunft unbekannt! Das Weihnachtsfest unterschied sich zudem durch ein besseres Essen vom Alltag im Brauhaus. Die Weihnachtsveranstaltungen in Brauereien werden von Jahr zu Jahr weni ger. In den ersten Jahren nach der Privatisierung der Festtagskultur mit dem Auszug der Brauereiarbeiter aus dem Brauhaus sind noch einige aufgezeichnet. Doch diese wurden ganz im Sinn der Ledigenkultur ohne Frauen gefeiert und verschwanden schließlich gänzlich. Eine berufsvereinigende Festlichkeit der Bierbrauer spielte sich bis vor kur zem noch in der Stadt Schärding zu Fronleichnam ab. Gemäß dem zünftischen Handwerkerbrauch nahmen auch die Brauer mit ihrer Fahne, auf der der heilige Flo rian dargestellt war, bei der jährlichen Fronleichnamsprozession teil. Solche Prozes sionen sind auch aus Ried und Altheim überliefert. In Schärding nahm die Gruppe der Bierbrauer bis zum Jahre 1929 daran teil. Um die Mitte unseres Jahrhunderts wurde dieser Brauch für eine kurze Zeit wiederbelebt. Noch heute sind zwei der vier Fronleichnamsaltäre bei den zwei Schärdinger Brauereien aufgestellt. Die Gruppe der Bierbrauer zieht nicht mehr als solche mit, und auf meine Frage nach dem Ver bleib der Brauerfahne wußte niemand Bescheid.
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