OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 3

6. Arbeitszeit Im ersten Memorandum des 1871 gegründeten Verbandes der Brauereiar beiter wurde bereits die Forderung nach einem zwölfstündigen Arbeitstag aufge worfen. Im Jahre 1884 stellen die Gewerbeinspektoren im oberösterreichischen Raum noch eine 14- bis löstündige Arbeitszeit fest: „In kleinen Landbrauereien mit unterbrochenem Betriebe wird häufig nur während der Wintermonate und dann nicht täglich gesotten, dafür aber hat das wenige Mann starke Personal alle vorkom menden Arbeiten zu besorgen. In kleinen Anlagen dieser Art wird meist um vier Uhr früh begonnen und der Sud in circa elf bis zwölf Stunden fertiggemacht; um sechs oder sieben Uhr abends ist dann alle Arbeit beendet und während der Nacht zeit nur alle drei Stunden das Umschaufeln des Malzes auf den Tennen zu besorgen, eine Arbeit, welche wohl selten länger als halbe Stunden in Anspruch nimmt." Nach traditioneller zünftischer Regelung durfte nur zwischen Georgi und Michaeli gebraut werden. Im Winter ging man als Bräuknecht ins Brauhaus, wurde im Frühjahr entlassen und konnte im Sommer eine andere Tätigkeit annehmen. In Obernberg am Inn war es zum Beispiel üblich, im Sommer auf einem Schiff zu arbeiten. Der Hauptgrund für die derart geregelte Sudpause war vor anderen die fehlende Kühlung über den Sommer hinweg. Mit den im 19. Jahrhundert aufkom menden technischen Kühlmöglichkeiten konnte die Sudzeit immer weiter verlän gert werden, und die Sommerpause verkürzte sich. Im Jahre 1888 wird aus der fort schrittlichen Münchner Spatenbrauerei berichtet, das das „Sommeraussetzen" erst mals ausgefallen war. Heute, wo die Jahreszeiten den Braubetrieb in keiner Weise beeinflussen, ist es umgekehrt. Da richtet sich die Dauer der Sudzeit nach der Nach frage, und die ist im Winter gering. Die verherrlichten technischen Innovationen des 19. Jahrhunderts brachten in einem langsamen, von Region zu Region verschiedenen Übernahmeprozeß bis in die fünfziger Jahre zu Beginn noch keine Arbeitserleichterung. Konnte das Bier bis her ohne jegliche Kühltechnik mittels Beobachtung der Außentemperaturen nur zwischen zwölf Uhr nachts und sechs Uhr früh vom Kühlstock abgezogen werden, so benötigte die revolutionäre Ammoniakkühlmaschine eine ständige Wartung! Diese Maschine, die den Beginn der industriellen Brautechnik symbolisiert, mußte bei Betrieb dauernd überwacht werden und erhöhte in ihrer mangelhaften Perfek tion die Arbeitszeit, Arbeitskraft und Unfallgefahr. Ihr Vorzug war, daß der Küh lungsvorgang der Würze zwischen Sudhaus und Gärkeller unabhängig wurde von den jahreszeitlichen Temperaturen. Bei der Einhaltung der Arbeitszeit war die Uhr als privates Zeitmeßgerät erst sehr spät wichtig geworden. Auf die Frage, wer ihn, als er noch in der Brauerei gewohnt hatte, zur Nachtarbeit aufweckte, antwortete ein Gewährsmann: „Na, jo, der Biersiada is keman und hat g'schrien, der war daham, verheirat. Meistens wenn er aufa keman is (die Stufen zum Burschenzimmer, Anm. d. Verf.), hat er scho g'schrian. I bin auf, anzog'n und hab scho g'wußt, heut ist's zum Malzeinweichen." Wie ein Symbol für den industriellen Produktionsablauf und die räumliche Trennung von Wohn- und Arbeitsraum finden wir die Uhr seit dem 19. Jahrhundert

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2