OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 3

fesche Bauern und Bäurinnen, darunter drei mit glitzernden Goldhauben. Bald nach acht Uhr setzte die Ballmusik mit ihren Weisen ein und Oberbuchhalter Herr Hahn eröffnete die Polonaise mit der Direktorstochter Fräulein Helene Fauschinger." Jedes Jahr fand, anschließend an das Beamtenkränzchen, doch vollkommen getrennt davon, ein Kränzchen der Brauereiarbeiter in Zipf statt. Es stand unter keinem romantisierenden Motto; die Tänze waren von einem Brauer arrangiert worden, und die Eröffnung erfolgte durch den technischen Assistenten der Brauerei. Diese Festlichkeiten gaben Ausdruck von einer mit steigender Bürokratisierung im Indu strialisierungsprozeß verstärkten Abspaltung der Beamtenkultur von der Arbeiter kultur. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch das Verhalten der Brauereibesit zer, wofür ein Beispiel aus der Brauerei Zipf spricht. Während die Witwe eines Kel lermeisters eine Pension von 60 Schilling pro Monat zugeteilt bekam, erhielt eine Beamtenswitwe unter denselben Bedingungen eine Pension von 120 Schilling. Die Brauerei besaß zwei Fonds, einen Arbeiterfürsorgefonds in der Höhe von 60.000 M im Jahre 1930 und einen Angestelltenfonds in der Höhe von 62.000 M. Ein Wohn haus für Beamte der Brauerei Zipf war schon lange vor der Idee einer Arbeiterwohn siedlung realisiert und ist sogar auf Ansichtskarten des frühen 20. Jahrhunderts abgebildet. In Ried und Schärding sind die Brauerbälle zur Legende geworden. Die Lokalzeitung berichtet im Jahre 1926: „Ein Brauerball fand am 9. Jänner in Schärding unter großer Beteiligung aller Bevölkerungskreise statt. Hoch zu Roß erschien im großen Saal der sagenhafte König Gambrinus mit Fußgefolge zur feierlichen Eröff nung des Balles und pries den edlen Gerstensaft. Ein holdes Nixlein trug einen Pro log über den durch alle Zeiten währenden Ruhm Gambrinus vor. Daraufhin eröff nete Frau Fanny Kapsreiter mit Bräumeister Petershofer den Tanz. Zünftigerweise endete der Ball erst am hellen Morgen des nächsten Tages." Angestellten- und Arbeiterwohnraum waren bereits um die Jahrhundert wende deutlich voneinander getrennt. Zur selben Zeit verlegte der Brauereibesitzer seine Wohnstätte weg von der Brauerei, die nun als industrieller Betrieb eingestuft wurde und deren unliebsame Nebenerscheinungen wie Rauch, Gestank und Abwäs ser er zu meiden suchte. Die Besitzer mittelgroßer Braubetriebe konnten sich nun leisten, die Stätte ihrer Einnahmequelle nicht mehr zu betreten und sich nur noch in sauberen Räumlichkeiten der Organisations-, Repräsentations- und Büroarbeit zuzuwenden. Mit diesem Einblick in die Geschichte der Beamtenschaft der Innviertier Brauereien und ihrem Hauptvertreter, dem Braumeister, möchte ich das Kapitel der Angestellten schließen. Der überwiegende Teil der anderen Brauhausbeschäftigten ist unter das offizielle Schlagwort „Brauereiarbeiter" gereiht, und ihre Lebensverhält nisse sollen im folgenden Kapitel besprochen werden. Arbeiter Der Begriff „Brauereiarbeiter" stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Darunter verstand man eine in einem Braubetrieb gegen Entlohnung ihre Arbeits kraft zur Verfügung stellende Person.

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