OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 3

Die Brauerei als Arbeits- und Lebensraum Eine Kulhirstudie aus dem Innviertel (II) Von Claudia Peschel-Wacha Wer das Bier gebraut hat Eine Innviertier Klein- und Mittelbrauerei umfaßte bis vor wenigen Jahr zehnten neben dem Braubetrieb auch eine Landwirtschaft - namentlich als „Oekonomie" von der bäuerlichen Form abgehoben und oft mit Waldbesitz verbunden - und einen Braugasthof mit Fremdenzimmern. Es war also viel Personal nötig, um den Versorgungsbetrieb eines autarken fJauses aufrechtzuerhalten, in dem auch Dienstboten und alle Arbeiter Unterkunft und Verpflegung erhielten. In arbeitsin tensiven Zeiten mußten Brauereiarbeiter und Landwirtschaftsarbeiter einander hel fen, obwohl die Lebensbereiche ansonsten streng hierarchisch getrennt waren (s. u.). Brauereiarbeiter konnten seltener zur Mithilfe in der Landwirtschaft herangezogen werden, da zur Erntezeit der Bierabsatz seinen Höhepunkt erreichte. Im Winter gab es in der Landwirtschaft weniger zu tun, so daß diese Kräfte zum Eisführen oder Bierausführen herangezogen wurden. Anzahl und Zusammensetzung der Brauereibeschäftigten haben in den letz ten Jahrzehnten einen deutlichen Wandel erlebt. Die historische Mindestzusammen setzung in einem Brauhaus war: ein Braumeister, ein gelernter Brauer und Hilfs kräfte. In Kleinbrauereien hielt sich dieser klassisch handwerkliche Personalstand bis zur Stillegung. Aus dem Vergleich zwischen Personalstand und Hektoliterausstoßziffern kann man Aufschlüsse über den technischen Stand der jeweiligen Brauerei erheben. Die Vorrangstellung der Brauerei Zipf gegenüber anderen oberösterreichischen Brauereien tritt in folgenden Zahlen zutage: 1880/81 wurden mit Hilfe von 230 Arbeitern 80.820 Hektoliter Bier erzeugt, was einen Pro-Kopf-Ausstoß von 351 Hek tolitern ergibt.^ In Wahrheit ist es weniger, da die Zahl der Angestellten nicht mit einbezogen wurde. Die Stiftsbrauerei Schlägt gibt als Pro-Kopf-Hektoliterleistung der Mitarbeiter im Jahre 1955 noch die Zahl von 389 Hektolitern an.^ In den fünfzi ger Jahren unseres Jahrhunderts erfaßte die Technisierung die Ausstoßziffern sämtli cher überlebenden Brauereien, erhöhte sie und senkte die Beschäftigtenzahlen ganz bedeutend. Die ehemals aufgestellte Faustregel: „Tausend Hektoliter pro Kopf" ist heute bereits um ein Vielfaches überholt. ' Statistischer Bericht der Handels- und Gewerbekammer Oberösterreichs zu Linz über die gesamt wirtschaftlichen Verhältnisse Oberösterreichs in den Jahren 1876 bis 1880 (Linz 1882), Band II, S. 246. ^ Adolf Czapek, Die Entwicklung der Stiftsbrauerei Schlägl von den fünfziger Jahren bis zur Gegen wart. Schlägl 1980/81, S. 66.

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