OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 2

Bereits 1864 wurde das „K. K. österreichische Museum für Kunst und Indu strie" (Österreichisches Museum für Angewandte Kunst) eröffnet, sein Protektor war Seine Kaiserliche floheit Erzherzog Rainer, sein erster Direktor der Wiener Kunsthistoriker Univ.-Prof. Dr. Rudolph Eitelberger v. Edelberg, dessen Stellvertre ter, erster Kustos und späterer Amtsnachfolger Dr. Jacob v. Falke. Die Leistungen dieses Institutes waren beachtlich; Seine ersten Schauräume hatte es in einem Provi sorium am Wiener Ballhausplatz, bis es 1871 in das von Eleinrich v. Ferstel erbaute fiaus am Stubenring einziehen konnte. Bis zum Jahre 1870 zählte es 683.896 Besu cher,^" das sind in sechs Jahren durchschnittlich 114.000 Besucher per anno, eine Traumziffer für jedes heutige Museum und gleichzeitig ein Beweis für die Wirksam keit alter Museumspädagogik! Unter der Ägide des Museums wurden bestehende handwerkliche Fach schulen zweckmäl3iger eingerichtet und in Gegenden, wo eine „Kunstindustrie" tätig war, neue Fachschulen gegründet, wie z.B. die Zeichenschulen in den böhmischen Glasorten Steinschönau und FJaida (nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Initia tive von fJarald Rath-Lobmeyer in Kramsach, Tirol, fortgesetzt) und in Gablonz, fer ner die Holzfachschulen in Hallein und in St. Ulrich/Gröden. Eine Krönung bildete die dem Museum angeschlossene, 1871 eröffnete Kunstgewerbeschule in Wien (Akademie der bildenden Künste); vielfältig sind auch die weiteren Aktivitäten, wie z. B. die Veröffentlichung einschlägiger Vorlagen und Druckwerke," die Gründung von Vereinen zum Zwecke einer Kommunikations möglichkeit von Kunst und Industrie usw. Professor Carl Th. Richter^^ schreibt 1874: „Und was haben diese kühnen Schöpfungen des Geistes, was hat insbesondere das Museum für Kunst und Industrie in Wien erreicht? Man kann es mit voller Genugthuung sagen, daß es eine Industrie großgezogen hat, welche jeder Rivalität Stand zu halten geeignet ist, es hat Wien zu einem Mittelpunkt der Kunstindustrie gemacht, der im Weltverkehre ebenso wie der Wiener Geschmack heute anerkannt ist, ..." Die große Zeit des Wiener Kunsthandwerks, die bis an das Ende der dreißi ger Jahre unseres Jahrhunderts dauerte und an die anzuknüpfen man sich seit 1945 Richter, a. a. O., S. 19. " Z. B. wurden über Anregung des Architekten Gottfried Semper Hans Sibmachers Shck- und SpitzenMusterbuch nach der Ausgabe vom Jahr 1597 in faksimilierten Kopien herausgegeben vom K. K. Ostern Museum, Wien 1866, wieder aufgelegt. S.a. Deneke, Die Entdeckung der Volkskunst..., S. 200 und Anm. 154. Vielleicht hatte dieses Werk schon eine frühe Auswirkung in der nicht näher be zeichneten, von Frau von Löwenthal in der Weltausstellung Wien 1873 ausgestellten und bei Jacob Falke (Die Kunstindustrie auf der Wiener Weltausstellung 1873, Wien 1873, S. 425) lobend erwähnten Decke. Ferner sei auf die Auswirkungen dieses Sibermacher-Reprints auf die Kreuzstichstickerei des Salzkammergutes verwiesen. S. Margarta Pokorny, Weibliche Handarbeit im Salzkammergut. Son derdruck aus „OÖ. Heimatblätter", 36. Jg. (1982), Heft 3/4, S. 217ff., besonders S. 224. Der Zusam menhang der Sibmacher-Vorlagen mit den Strickmustern, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Nor wegen gewandert und in der Zwischenkriegszeit als „Norweger-Muster" von dort wieder zu uns zu rückgekommen sind, ist noch nicht erforscht, doch wahrscheinlich. Richter, a.a.O., S. 123.

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