rung Rechnung, der mit gehobener Musik wenig anzufangen wußte. Immerhin zeigte sich bald, wie nützlich der Geschmack des einfachen Volkes für den weiteren Weg des Verlagshauses werden sollte. Erst unter Tobias Haslinger entwickelte sich aus dieser ursprünglich als Zubrot gedachten Bereicherung des Angebots eine schier unerschöpfliche Einnahmequelle. Es war seine Idee, die „Eintagsfliegen" der Volkssänger und Tanzkapellmeister durch hohe Auflageziffern und modern anmu tende Werbestrategien international zu popularisieren, und der Erfolg gab ihm recht. Selbstverständlich bleiben die Verbindungen zur Szene aus der „unteren Lade" allein aus Konkurrenzneid nicht unwidersprochen, wie wir der folgenden Kritik aus dem Allgemeinen Musikalischen Anzeiger vom 25. April 1829 entnehmen können; Wie können honette und allgemein geachtete Musikverleger ohne bis in den Bart hinein zu erröten und ohne sich zu schämen, dergleichen Allotria mit solchen marktschreierischen Aushänge schildern drucken? Etwas abschwächend gesteht der Schreiber aber sogleich darauf, daß Haslin ger immerhin damit in der Lage sei, wertvolle musikalische Werke zu verlegen, die keinen Ertrag abwerfend Damit wird erstmals auf eine wesentliche Maxime des Musik markts hingewiesen, die bis heutzutage gültig und unerläßlich scheint. Zweifellos wären die Entwicklung des Wiener Walzers, aber auch der ande ren Sparten der wienerischen Volksmusik bei weitem weniger spektakulär verlaufen, hätte es Haslinger nicht verstanden, die Lieblinge dieses Genres an seinen Verlag zu binden. Die Namen Lanner, Strauß, Fahrbach und Bendl bürgten für Qualität, und so war er seiner Konkurrenz zumindest auf dem Gebiet der leichten Musik überle gen. Seinem Geschäftssinn und musikalischem Gespür verdanken wir schließlich den Großteil dessen, was wir heute unter „Wiener Musik" verstehen. Haslingers unübersehbare Ankündigungen seiner Novitäten in der Presse machten nicht nur den Wienern Appetit auf die leichtverdaulichen Früchte „Terpsichores". 1838 erschie nen Philipp Fahrbachs d. Ä. Walzer Die Patrioten, deren Ankündigung in Bäuerles Theaterzeitung uns den „Werbefachmann" deutlich vor Augen führt: So lange Freude und Frohsinn den Wienern im Herzen wohnen, werden sie auch ihre dich terischen, ihre componierenden Organe finden, Strauß trägt seinen Ruhm, der eigentlich ein Abdruck unserer Nationalität ist, durch die Länder Europas, aber Lust und Fröhlichkeit sind uns geblieben, und der Carneval schlingt seine tanzenden Reigen, wo auch Fahrbach und Bendl den nationalen Walzer produciren. Von Fahrbach, welcher unstreitig der talentvollste Jünger und Nach eiferer des genialen Strauß ist, erschien im Verlag bei Tob. Haslinger ein Walzer-Cyklus, die „Patrioten" betitelt. Die Composition ist melodiös, feurig, zum Tanze gleichsam beflügelnd; aber der Titel - was wollte Fahrbach mit dem Titel wol sagen? Vielleicht, daß in Oesterreich alles Patriot ist, und die Walzer unter keiner Firma einen allgemeineren Anklang finden, einem größeren Publikum in die Hände gerathen könnten und sollten? Nun wir wollen diese „Patrioten" vorzüglich in dem Sinne willkommen heißen, daß sie unserem Vergnügen zu einer Zeit gewidmet sind, und es wahrSchönherr - Reinöhl, a.a.O., S. 36.
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